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Viele Jahre lang glaubten sich Verbraucher, Politiker und Landwirte sicher – jetzt, 15 Jahre nachdem der erste Fall von Rinderwahnsinn in Großbritannien aufgetreten ist, geistert auch in bislang BSE-freien Ländern die Angst vor der tödlichen Krankheit durch die Bevölkerung.

In Deutschland wurden in wenigen Wochen zehn infizierte Tiere festgestellt – und fast täglich kommen neue Verdachtsfälle dazu –, fünf Mal wurden die Kontrolleure bislang in spanischen Höfen und Schlachtereien fündig. Seitdem Anfang Januar EU-weit Schnelltests an Fleisch von Rindern, die älter als 30 Monate sind, obligatorisch sind, stehen auch die mallorquinischen Rinder auf dem Prüfstand. Bis gestern lagen dem Landwirtschaftsministerium der Balearen lediglich zwei Ergebnisse von etwa einem Dutzend Proben vor: Die waren negativ, frei von BSE-Spuren.

Grund zur Entwarnung also? Der balearische Landwirtschaftsminister, Mateu Morro, behauptet: ja. ,,Auf jeden Fall steht fest, dass kein Fleisch in den Lebensmittelkreislauf kommt, dessen Qualität nicht 100prozentig garantiert ist”, sagte er in einem MM-Interview. Joan Mas, Sprecher des Bauernverbands Unió de Pagesos, will zumindest für das auf den Inseln produzierte Fleisch die Hand ins Feuer legen: Auf den Balearen sei noch nie Futtermittel mit Tiermehlanteilen verwendet worden, sagt er. Vor dem Verbot von Tiermehl für Rinderfutter sei es auf den Inseln höchstens in geringen Mengen in Umlauf gewesen, so die Einschätzung des Agrarministers.

Mit einer besseren Vermarktung von regionalen Produkten wollen Politiker und Bauern das Vertrauen der Verbraucher nun zurückgewinnen. Denen wird – abgesehen von den Fleischständen in den Markthallen, die in der Regel Fleisch aus einheimischen Betrieben anbieten – vor allem importierte Ware vom spanischen Festland und anderen europäischen Ländern angeboten.

Einer der wichtigsten Fleischproduzenten Spaniens ist die Region Galicien, wo seit Ende November die ersten drei von bislang fünf BSE-Fällen in Spanien aufgetaucht sind. Nachdem bekannt geworden war, dass dort 300 notgeschlachtete Rinder angesichts mangelnder Entsorgungsanlagen in einem verlassenen Bergwerk verscharrt und nicht wie vorgeschrieben verbrannt wurden, hat die BSE-Krise auch in Spanien zu ersten personellen Konsequenzen geführt: Der galicische Agrarminister Castor Cago erklärte am Mittwochabend seinen Rücktritt.

Auch auf den Balearen waren Zweifel an der vorschriftsmäßigen Entsorgung von Tierleichenresten aufgetaucht: Er habe Grund zur Annahme, so der frühere balearische Gesundheitsminister Francesc Fiol (PP), dass einige Schlachthöfe als riskant eingestufte Abfälle wie Gehirn, Augen und Rückgrat in normale Container werfen. Da nicht alle Abfälle, die in der Müllverbrennungsanlage Son Reus eintreffen, sofort verbrannt werden, könnte es sein, dass dieser Sondermüll zusammen mit normalem Müll auf der Halde lande.

Bei einer Pressekonferenz am Mittwoch erklärte Landwirtschaftsminister Mateu Morro, die risikoreichen Fleischabfälle würden eingefroren und nach Barcelona transportiert, wo sie verbrannt werden. Unregelmäßigkeiten hatten Mitarbeiter des Gesundheitsministeriums allerdings in Inca festgestellt, wo die Kühlkammer nicht funktioniert. Bis der technische Defekt behoben ist, darf dieser Schlachthof keine Rinder mehr töten. Auch auf Ibiza verfügt der Schlachthof nicht über eine Kühlkammer, weshalb die Tierreste in einem Container lagern, bis sie zur Verbrennung abtransportiert werden.

Der Abtransport der problematischen Fleischabfälle ist nach den Worten von Umweltministerin Margalida Roselló nur eine provisorische Lösung: Man habe EU-Gelder beantragt, um im kommenden Jahr für 400 Millionen Pesetas einen speziellen Verbrennungsofen in Son Reus zu bauen. Außerdem soll auf Mallorca ein Labor eingerichtet werden, um die Schnelltests selbst analysieren zu können. Bislang werden sie dazu aufs Festland geschickt.

Was heute als Sondermüll Kosten und organisatorische Probleme bereitet, brachte bis Dezember sogar noch Geld ein: In Spanien haben bislang 90 Firmen jährlich 1'5 Millionen Schlachtabfälle zu Tiermehl weiterverarbeitet. Damit ist Schluss, seit im Januar das generelle Verbot der Verwendung von Tiermehl in Futtermitteln ausgesprochen wurde. 400.000 Tonnen bereits fabriziertes Tiermehl musste diese Woche in Spanien verbrannt werden. Zumindest davon sind die Balearen verschont, weil es auf der Insel keine Tiermehlfabriken gibt.

Zur Fütterung von Wiederkäuern darf Tierkörpermehl in der EU schon seit 1996 nicht mehr verwendet werden, da es als einer der Hauptübertragungswege für BSE gilt. Etwa zur selben Zeit gestand die britische Regierung ein, dass von der Rinderseuche auch Gefahren für den Menschen ausgehen können, und BSE im Verdacht steht, beim Menschen die tödliche Creutzfeldt-Jakob-Krankheit auszulösen. In Großbritannien sind daran bislang nachweislich 86 Menschen erkrankt, in Frankreich drei und in Irland einer. In Spanien ist bislang noch kein Fall aufgetreten.

Wegen der langen Inkubationszeit von fünf bis sechs Jahren streiten sich die Wissenschaftler und Politiker allerdings darüber, wie hoch die Durchseuchung bei den Rindern und den Menschen tatsächlich ist. Da sowohl Spanien als auch Deutschland, Österreich und Italien von 1985 bis 1995 Hunderttauende Tonnen von englischem Tiermehl importiert haben, könne man nicht davon ausgehen, von der Krankheit verschont zu bleiben, sagt nicht allein der französische Agrarminister Jean Glavany.

Das Risiko in Spanien sei zwar geringer als in England, meint Andreu Palou, Wissenschaftler an der Balearenuniversität und Vizepräsident des EU-Komitees für menschliche Ernährung, ,,aber das Problem ist nicht irrelevant”. Nur die Durchführung von Tests könne letztendlich Gewissheit bringen.