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,,Insel des Glücks", klingt es aus der Kneipe. Joy hat sich vor der Eingangstür postiert. Sie wartet, dass die Lokale zur Sperrstuñnde jede Menge sexhungrige Betrunkene ausspucken. Ihre Beine stecken in knallengen Jeans, die ihren runden Po betonen. Ihr knappes Tigershirt gibt den Bauch frei. Sie ist eine der vielen schwarzen Prostituierten, die an der Playa de Palma arbeiten. Wir sind vor Ort, wollen wissen, wie groß das Problem der Prostitution ist.

Die Zahl der Dirnen - die meisten sind dunkler Hautfarbe - wird auf 250 geschätzt. Die Tendenz ist steigend. Die Playa de Palma war in letzter Zeit begehrtes Gebiet für Prostituierte, die aus der Hauptstadt abgewandert sind. Verstärkte Polizeipräsenz führt jetzt jedoch dazu, dass die Problematik in andere Inselorte verlagert wird.

Joy hat ihren Standpunkt in der zweiten Linie, direkt gegenüber dem kleinen Pinienwäldchen. Dort bedient sie ihre Kunden, befriedigt Sehnsüchte der männlichen Urlauber, die aufgeheizt von Sonne und Bier ihre Lust auf Sex stillen wollen. Zuviel Intimsphäre macht ihr Angst: ,,In den Hotelzimmern könnten sie mich schlagen. Ich wäre ganz allein."

Ganz allein ist sie nie. Alle fünf Minuten sieht man schwarze Frauen, die torkelnde Jugendliche im Schlepptau haben, im Gebüsch untertauchen. Der Waldboden gleicht einem Schlachtfeld. Unzählige benutzte Kondome, Toilettenpapier, Spritzen, Fäkalien, Bierdosen, Schnapsflaschen bilden ein Mosaik von Abfall.

Schlupfwinkel gibt es keine, die Pinien sind zu spärlich gesät, als dass sie Verstecke böten. ,,Im Abstand von zwei Metern positionieren sich die Nutten mit ihren Typen. ,,Selbst wenn wir ihnen mit der Taschenlampe ins Gesicht leuchten, zucken sie nicht zusammen", sagt der Lokalpolizist Luis (Name v. d. Red. geändert).

Auch während Joy auf Kundschaft wartet, ist sie in Gesellschaft. Kaum richten wir das Wort an sie, tauchen zwei andere Prostituierte auf. Im Gegensatz zu Joy sind sie aggressiv: ,,Was wollt ihr, haut ab!", kreischen sie und drohen uns mit geballten Fäusten. Sie ziehen erst friedlich ab, als Joy ihnen die 2000 Pesetas zeigt, die sie für ein Gespräch mit uns verlangt. ,,Sie beobachten und beschützen sich", erklärt Luis.

Der Polizist, der seit 20 Jahren an den unterschiedlichen Punkten in Palma und Umgebung auf Streife geht, kennt Joy. Sie arbeitet seit zwei Monaten an der Playa, aber sie weiß weder wie noch warum sie nach Mallorca gekommen ist: ,,Leute brachten mich hierher. Ich war auf einem Schiff, mehr weiß ich nicht mehr." Joy - ihr Name bedeutet Freude - kommt aus Nigeria: ,,No money, no money for school, no money for eat", resümiert die angeblich 21-Jährige ihr früheres Leben. Und immer wieder: ,,I am suffering", ,,ich leide". Wer ihre Kunden sind, weiß Joy ganz genau. Das Gros sind ,,Deutsche im Alter von 14 bis 25. Very drunk men."

Eigentlich würde sie gerne in einem Hotel arbeiten. Wie die meisten Prostituierten gibt sie an, auf ihre Papiere zu warten, ihren Job nur als Übergangslösung zu betreiben. ,,Blödsinn", meint Luis. ,,Für diese Mädchen ist das hier der siebte Himmel. Ihre ganze Kindheit und Jugend hindurch wurden sie sexuell missbraucht. Jetzt verdienen sie dafür Geld, was sie als Luxus empfinden."

Die Streifenpolizisten, die Nacht für Nacht an der Playa de Palma Dienst tun, sind wietgehend machtlos. Prostitution ist nicht verboten. Handelt es sich bei den Frauen um illegale Einwanderinnen, können sie einem Richter vorgeführt werden. Dieser entscheidet, ob sie in Abschiebehaft kommen, bis sie ausgewiesen werden.

Das spanische Ausländergesetz müsste geändert werden, um eine einheitliche Vorgehensweise der Richter einfordern zu können. Die Polizei hat jetzt als kurzfristiges Kontrollinstrument verstärkte Razzien für den ganzen Sommer angekündigt. ,,Wir können sie nur versprengen. Das wirkt, denn solange wir in ihrer Nähe sind kommt kein Freier", informiert Luis Kollegin Ana (Name v. d. Red. geändert).

Länger können sich die Beamten nicht mehr unterhalten. Gegen die Fenster des Streifenwagens poltert ein Betrunkener mit nacktem Oberkörper, das schweißnasse Shirt hat er um die Hüften gebunden. In der Hand hält er die Visitenkarte seines Hotels, das er nicht mehr findet. Luis und Ana erklären ihm den Weg. Als klar ist, dass er geistig nichts mehr aufnehmen kann, fahren sie ihn nach Hause. Dankbar steigt er auf die plastikbeschichtete Rückbank, lehnt seinen Kopf gegen die Trennscheibe aus Plexiglas. Das Auto ist für Hilflos-Betrunkene ausgestattet. Wenn sie sich übergeben, sind die Reste leicht zu beseitigen.

Männer, die an der Playa reichlich dem Alkohol zusprechen, sind auch Danielas beste Kunden. Sie ist ein Transvestit, arbeitet seit 14 Jahren an der gleichen Laterne in der zweiten Linie. ,,Wenn die Typen betrunken sind, wollen sie vögeln. Die merken gar nicht mehr, dass wir Männer sind", erzählt sie. Dass es auf den ersten Blick schwierig ist, Daniela als Transsexuellen zu identifizieren, ist verständlich. Ihre Erscheinung ist gepflegt, ihr Gesicht ist makellos schön. Kein Barthärchen verrät ihr Geschlecht. Ihre körperliche Fülle zieht die Kunden an.

Mit der Prostitution hat es Daniela zu was gebracht. Seit 14 Jahren arbeitet sie im Sommer auf Mallorca, im Winter auf den Kanaren. Seit zwei Jahren lebt sie im selbstfinanzierten Häuschen in S'Arenal. Jetzt allerdings droht ihr das Aus. Die vielen neuangekommenen Frauen machen den rund zwölf alteingesessenen Transvestiten Konkurrenz. Die Stimmung ist aggressiv: ,,Die betreten unser Revier. Wenn wir sie vertreiben wollen, holen sie Verstärkung." Über den Preisverfall ist sie entsetzt: ,,Früher habe ich 40.000 in einer Nacht gemacht. Jetzt machen die schwarzen Mädchen den Markt kaputt."

Die niedrigen Einnahmen machen viele Dirnen durch Diebstähle wett. Mit flinken Fingern ziehen die Huren den Männern, während sie sie befriedigen, die Geldbörsen aus den Hosentaschen. ,,Manche sind so geschickt, dass sie sie wieder zurückstecken", erzählt Luis bei der Pause um 3 Uhr morgens. ,,Oft meinen die Männer, das Geld verloren zu haben. Die meisten Diebstähle werden aus Scham gar nicht angezeigt."

Ana wird richtig wütend: ,,Auf den Strich zu gehen, ist eine Sache, Diebstahl eine andere. Prostitution ist häufig nur ein Mittel zum Stehlen. Aber bis jetzt können wir nur warnen, die Diebinnen in Flagranti zu erwischen, ist unmöglich."