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Das möchte ich nicht noch mal erleben.” Enno Springmann aus Düsseldorf sitzt der Schreck noch in den Knochen. Der 75-jährige Rentner wollte am vergangenen Samstag gemeinsam mit seiner Ehefrau Christa (72) mit Air-Berlin von Düsseldorf nach Palma fliegen. Wie jedes Jahr zur Sommerfrische. Doch aus dem gewohnten Zwei-Stunden-Flug wurde ein Acht-Stunden-Trip.

Denn die Boeing 737-300 musste in Genf wegen einer Bombendrohung zwischenlanden. Statt am Nachmittag um 15 Uhr konnten Enno und Christa Springmann erst gegen 23 Uhr nachts in Palma landen.

Dabei begann alles ganz normal. Die Maschine war ausgebucht. 147 Passagiere. Fünf Babys an Bord. Die Boeing startete um 12.51 Uhr. Die Stewardessen hatten schon die Getränkewagen weggeräumt. Plötzlich die Durchsage: „Sehr geehrte Passagiere, wir bitten um Ihr Verständnis. Wegen technischer Probleme müssen wir in Genf zwischenlanden.”

„Natürlich sind wir erschrocken und haben uns gefragt: ,Ist was mit dem Triebwerk, oder reicht der Sprit nicht aus?*”, erzählt Enno Springmann. „Ich hatte mich schon vorher gewundert. Denn der Pilot hatte eine andere Route genommen, als wir sie kennen. Plötzlich waren wir ganz nah an den Alpen. Als er mit der Maschine in den Sinkflug ging, war mir klar, dass irgendetwas nicht stimmte”, erzählt der Düsseldorfer. „Als ich dann auch noch die Stewardess kalkweiss aus dem Cockpit kommen sah und ihre belegte Stimme bei der Ansage hörte, war mir schon sehr unwohl.”

15 Minuten später setzte die Maschine in Genf auf. Polizei, Feuerwehr und Armeefahrzeuge verwiesen sie auf einen abgelegenen Stellplatz. „Es hieß: ,Alle sofort raus, ohne Handgepäck'”, erzählt Enno Springmann. „Dann hat uns die französische Polizei gesagt, dass im Flugzeug eine Bombe sein soll, und für einen kurzen Augenblick hatte ich Angst, dass Panik ausbricht.”

Tatsächlich erfuhr der Kapitän schon 20 Minuten nach Abflug von der Bombendrohung. Wie man inzwischen weiß, hat ein Freigänger aus der Justizvollzugsanstalt Remscheid beim Düsseldorfer Flughafen angerufen und gedroht: „Das Flugzeug soll umkehren. Eine Bombe ist an Bord.” Der Bundesgrenzschutz, zuständig für die Sicherheit der Auslandsflüge, entschied, diesen Anruf ernst zu nehmen.

Warum aber dauerte es so lange, bis der Kapitän reagierte? Warum kehrte er nicht direkt nach Düsseldorf um? Dazu Air-Berlin-Sprecher Peter Hauptvogel: „Den Kapitän über die Flugsicherung zu erreichen, war nicht mehr möglich. Nur noch über die Frequenzen der regionalen Kontrollstellen, die er überflog.”

Erschwerend kam hinzu, dass die Maschine kein Flugzeug der Air-Berlin war, sondern der Fluggesellschaft „British World Airlines”. Kapitän und Besatzung waren Briten. Grund: Die ursprünglich vorgesehene Air-Berlin-Maschine musste unerwartet zur Wartung. „In solchen Fällen ist es üblich, eine Maschine einer anderen Airline zu chartern”, erklärt Peter Hauptvogel. Der Informationsfluss ging also von Düsseldorf und Air Berlin nach England und von dort zum Piloten. Er entschied schließlich, in Genf zu landen.

Hauptvogel: „Generell trägt der Kapitän allein die Verantwortung für alles, was an Bord geschieht. Auch darüber, wie angesichts einer Bombendrohung zu verfahren ist. Und dieser Kapitän hat sich für Genf entschieden.”

Dass dort keine Panik unter den Passagieren ausbrach, dafür sorgte das Flughafenpersonal von Swissair. „Sie brachten uns in einen Sonderraum, hatten Sandwiches und Getränke vorbereitet. Drei Krankenschwestern und ein Arzt, sogar Psychologen kümmerten sich um uns”, erzählt Enno Springmann. „Für die Kinder hatten sie ein Spielzimmer eingerichtet.”

Schließlich wurden die Passagiere in 20er Gruppen zu ihrem Gepäck geführt. Jeder wurde bis aufs Hemd kontrolliert, Hunde beschnüffelten jede Cremedose. „Dann hieß es, wir könnten um 17.50 Uhr mit einer Crossair-Maschine nach Palma fliegen”, erzählt Enno Springmann. Aber der Spuk hatte noch kein Ende. Hauptvogel: „Die Schweizer Polizei war da sehr pingelig. Die wollten keinen gehen lassen, bis nicht alles geklärt war.”

Das war dann schließlich gegen 19 Uhr. Eine halbe Stunde später hoben zwei Air-Berlin-Maschinen ab, die die Fluggesellschaft von Berlin und Stuttgart nach Genf umgeleitet hatte. „Keiner von uns wäre auch nochmal in den urspünglichen Flieger gestiegen”, sagt Enno Springmann.

Für Air Berlin wird dieser Spuk teuer. „Die umgeleiteten Flugzeuge, Personal- und Zeitaufwand, eventuell noch Schadensersatz. Das kostet uns einen sechsstelligen Betrag”, sagt Peter Hauptvogel.” Grob geschätzt: Mindestens 200.000 Mark.
Mit dem Schrecken kamen auch die 174 Passagiere des Hapag-Lloyd-Fluges HF 7038 davon. Sie wollten am Sonntagnachmittag von Palma nach Hannover fliegen – doch zwei dichte Möwenschwärme machten ihnen einen Strich durch die Rechnung.

Der Kapitän der Boeing 737-800 hatte Gas gegeben, wollte schon abheben, als er eine Vollbremsung machen musste. Bei 250 Stundenkilometern. „Den Gästen ist nichts passiert, denn alle waren angeschnallt”, erklärte später Pressesprecher Hans Huber.

Grund für das Pilotenmanöver waren zwei große Möwenschwärme. Der Pilot hatte Sorge, die Maschine in der Höhe nicht halten zu können und entschloss sich zur Vollbremsung. Eine gute Entscheidung. Die Möwen hatten die Radarnase vorne am Flugzeug beschädigt, ebenso Teile der Triebwerksabdeckung. Einige von ihnen waren in die Triebwerksschaufeln geraten, die Tragflächen hatten große Beulen.

Die Passagiere verließen noch auf dem Rollfeld die Maschine, denn das Flugzeug konnte erst abgeschleppt werden, nachdem die Feuerwehr die festgefressenen Bremsen abgekühlt hatte. Für die Passagiere ging die Rückreise mit einer anderen Maschine knapp vier Stunden später weiter.

Warum so viele Möwen am Flughafen von Palma sind, hat einen schlichten Grund: die nahegelegene Mülldeponie, auf der die Vögel nach Nahrung suchen. Das Problem ist bekannt. Deshalb patroullieren täglich vier Falkner mit Hunden auf dem Gelände, vertreiben die Möwen. Eine Sprecherin des Flughafens: „So große Vögelschwärme sind sehr selten.” Für die betroffenen Fluggäste war das nur ein schwacher Trost.