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Es gibt Menschen und Begegnungen, die geraten schnell in Vergessenheit.
Andere behält man lange im Gedächtnis und sehr selten entwickelt sich daraus auch eine freundschaftliche Beziehung. Jaume Santandreu werde ich vermutlich nicht so schnell vergessen. Der Priester, der das Hospiz Ca'n Gazà ins Leben gerufen hat, ist ein ganz besonderer Mensch. Klein, rund, kein Hollywood–Typ, aufmüpfig, frech, klug, belesen, herzlich, schnodderig. Emotionen hält er klein, so etwas stört, wenn man macht, was er macht.

Ich tat mich schwer bei der Reportage über ihn und Ca'n Gazá. Mir fehlte, wie es ein Kollege mit liebevollem Spott bemerkte, die journalistische „Distanz zum Objekt”, ich war berührt. Besonders seit dem 11. September heißt dieser Gemütszustand „betroffen”. Was auch immer darunter zu verstehen ist.

Und mir war peinlich, dass ich berührt war und gar nicht so unbefangen, wie ich es mir gewünscht hätte, wie es der Sache dienlich gewesen wäre.

Natürlich habe ich in Ca'n Gazà kein Wort von mir erzählt, habe versucht, so sachlich wie möglich zu sein. Jaume Santandreu muss es bemerkt, gefühlt haben. Am schwierigsten waren die Fotos. Wie richte ich meine Kamera auf einen moribunden Menschen in seinem Bett? Wie fotografiere ich offene Beine, wie das kleine bisschen Sabber, das einem alten Mann aus dem Mund läuft? Da fehlt mir – neben der großen Professionalität – was große Fotografen eben haben: Distanz und gleichzeitige Annäherung, und die Fähigkeit, mit kühlem Herzen und liebevollem Auge Menschen zu fotografieren, über die man etwas mitteilen will. So wie es etwa der Brasilianer Sebastião Salgado so unnachahmlich meisterhaft beherrscht.

Jaume Santandreu war meine Rettung: „Komm, mach doch mal ein Foto von uns”, sagte er und nahm einen der Männer von Ca'n Gazà einfach in den Arm. So ging es auch bei allen anderen und deshalb ist auch er auf jedem Foto abgelichtet. Nicht etwa aus Eitelkeit, sondern um mir zu helfen.