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Um Punkt 5.30 Uhr geht das Rolltor hoch, dann stürmen rund 30 Wartende wie auf ein Kommando in die Fischauktionshalle in Palma. Von innen schimmern ihnen die Schätze des Meeres entgegen: dunkelblau-glänzende Sardinen, rotgold-reflektierende Zahnbrassen, bunt-schillernde Lippfische, violett funkelnde Seeteufel, rotleuchtende Meerbarben, silbernde Seehechte, Lack-schwarze Schwertfische, gelb-gepunktete Muränen, graumattierte Blauhaie.

In wenigen Augenblicken verwandelt sich die „Lonja”, so wird die Fischbörse genannt, in einen brodelnden Kessel. Mit Kennerblick inspizieren Einkäufer die ausgelegte Ware, und schon ist der Handel perfekt. Pallettenweise gehen die Fische weg, mancher zieht den Einkauf einfach an einem Eisenhaken hinter sich her, andere haben sogar einen rollenden Untersatz dabei. Jeder Anbieter und jeder Einkäufer hat eine Stammnummer, an den Kassen wird die Ware abgewogen und registriert, abkassiert wird wochenweise.

Im Handumdrehen sind die mit Eis bedeckten Meerestiere hinausgekarrt zu den Kühlwagen vor dem Tor, Rufe, knallende Autotüren, anspringende Dieselmotoren, und auf und davon ist der Transport zu Märkten und Restaurants. Bereits um 6.30 Uhr ist kaum noch etwas im Angebot, leert sich die Lonja. Zurück bleiben die Wasserlachen am Boden, während draußen über dem Hafenbecken mit den Fischerbooten allmählich der Tag anbricht.

„Gestern hatten wir einen guten Fang”, erzählt Isabel Martín, die 80 Steigen mit Sardinen für je 18 Euro losgeschlagen hat. „Mein Vater und fünf Helfer fuhren um 17 Uhr hinaus aufs Meer und kehrten schon um 22 Uhr mit vollen Netzen zurück. Manchmal kommen sie aber auch erst gegen vier zurück.” Die Mallorquinerin verkauft seit Jahren in der Lonja die Ausbeute des Familienkutters. Derzeit seien die Erträge kostendeckend. Bei einem Preis pro Steige für unter zwölf Euro schreibe man Verluste. In schlechten Zeiten, wenn viel Sardinen angelandet werden und sogar Fänge von der spanischen Küste in den Handel geraten, könne der Preis bis zu drei Euro sinken. Andererseits hat die Geschäftsfrau vor wenigen Wochen 37 Euro pro Steige kassieren können. „Es geht ständig rauf und runter.”

Das rege Treiben in der Lonja belegt, dass die Fischerei auf Mallorca nach wie vor eine große Bedeutung hat, auch wenn die Zahl der Beschäftigten im vergangenen Jahrhundert wie überall in Europa stark gesunken ist. Rund ein Viertel ihres Fischbedarfs decken die Balearen aus eigenen Gewässern. Seit zehn Jahren sind die Zahlen weitgehend stabil, weiß der Generaldirektor für Fischerei im Agrarministerium, Sebastià Covas. Knapp 1600 Fischer haben zur See ihr Auskommen. Jedes Jahr gehen ihnen um die 4000 Tonnen Meeresgetier in die Netze. 2001 betrug der Wert des Fangs knapp 21 Millionen Euro. Die Fischschwärme und Krabben müssen sich vor 680 Booten in Acht nehmen, auf denen der Fischer meist allein unterwegs ist.

Rund 80 Prozent des Sektors besteht aus Familienunternehmen. „Es gab in diesem Bereich sehr viel Individualismus”, so Covas. Um die Gewinnspanne aus dem Verkauf zu steigern, propagiert die Balearen-Regierung die Gründung einer gemeinschaftlich organisierten Produzentenvereinigung.

Oberstes Ziel des Agrarministeriums ist jedoch, die Nachhaltigkeit der Fischerei sicherzustellen. Die Gewässer dürften nicht überfischt werden. Um den Fortbestand der Tierarten und der Arbeitsplätze zu gewährleisten, setzt der Govern auf die Ausweisung von Schutzzonen wie das Gebiet in der Bucht von Palma vor dem Cap Enderrocat. In dessen Kernzone ist jede Art von Fischfang verboten. Daneben fördert das Ministerium die Ansiedlung von Edelfischen im Meer. In der Forschungsstation für Aquakulturen in Port d'Andratx werden junge Goldbrassen und Wolfsbarsche bis zur Geschlechtsreife aufgepäppelt und ausgesetzt.

Neben der Fischerei spielt die Fischzucht eine wachsende Rolle auf Mallorca. Zum Vergleich: Der Jahresfang an Goldbrassen macht etwa elf Tonnen aus. Die Produktion in der Fischfabrik Es Murterar bei Alcúdia beträgt dagegen rund 200 Tonnen, so Covas. Damit die Verbraucher beim Einkauf den Unterschied erkennen können, müssen die Preisschilder ausweisen, ob der Fisch im Meer gefangen („extractiva”) oder aus Zuchtanlagen stammt („aqüicultura”).

Als Insel habe Mallorca den Vorteil, zu jeder Zeit frischen Fisch von bester Meeresqualität bieten zu können, auch wenn er ein wenig teurer sein sollte als Importware. „Insgesamt befinden wir uns auf gutem Weg, die Zukunft unserer Fischerei abzusichern.”