TW
0

MM: Sie sind bekennender Mallorca-Fan. Warum?
Sabine Christiansen: Weil ich die Insel liebe. Intensiv kenne ich Mallorca seit gut 13 Jahren, seit zehn Jahren habe ich dort mein zweites Zuhause.

MM: Was macht Mallorca für Sie so reizvoll?
Christiansen: Natürlich auch seine Landschaft. Aber vor allem seine Menschen: Für mich ist Mallorca schon immer ein Melting-Pot Europas gewesen. Ich möchte die Insel mit Berlin vergleichen: Das ist auch ein internationaler Ort geworden, hier leben weit über hundert Nationalitäten.

MM: Mallorca als Klein-Europa?
Christiansen: Ja. Europa spiegelt sich in Mallorca, Europa lebt auf Mallorca. In allen Lebenbereichen trifft man auf Menschen aus vieler Herren Länder. Wenn ich Gäste habe, herrscht oft fast babylonisches Sprachengewirr am Tisch – wunderbar.

MM: Mallorca ist eben nicht nur die Lieblingsinsel der Deutschen.
Christiansen: Gott sei Dank nicht. Hier erholen sich Menschen aus ganz Europa, und sie haben im Ur-laub mehr Muße und mehr Zeit, sich miteinander zu beschäftigen. Eine Insel hat halt einen Vorteil gegenüber dem Festland: Dort verläuft sich alles, hier – auf kleinerem Raum – trifft man sich.

MM: Vermittelt Ihnen die Insel Mallorca europäisches Lebensgefühl?
Christiansen: Unbedingt. Man trifft so viele interessante Menschen, Künstler, Musiker, Schriftsteller, Journalisten aus ganz Europa.

MM: Die Mallorquiner haben zunehmend Angst vor Überfremdung.
Christiansen: Europa lebt durch seine unterschiedlichen Identitäten. Wenn Mallorca seinen Charakter verlieren würde, wäre es schrecklich. Wir Deutsche müssen helfen, dass es seine Identität behält. Was übrigens Modernität innerhalb der Tradition nicht ausschließt. Siehe Barcelona: Das ist eine tolle europäische Stadt und von allen Seiten bewundert. Von dieser Weltoffenheit kann man lernen.

MM: Mit einem Teil Europas haben die Mallorquiner derzeit Probleme: mit den Deutschen.
Christiansen: Da kommen viele Gründe zusammen. Das Gerede über das 17. Bundesland war nicht förderlich; auch die Liebe, die die Deutschen zu Mallorca entwickelten, hatte für die Insulaner Schattenseiten: Die deutschen Urlauber kamen in Scharen, viele kauften sich auf der Insel ein. Dadurch kam bei vielen Mallorquinern ein Eindruck der Vereinnahmung auf.

MM: Nun bleiben die Deutschen auch noch als Urlauber weg.
Christiansen: Da sieht man, wie fragil so ein Verhältnis ist, wenn eine Insel zu einem großen Teil von den Urlaubern aus einem Land lebt. Für die Insel wäre es sicher besser, wenn verstärkt andere Nationalitäten kämen, wie dies zum Teil schon geschieht.

MM: Ein Teil der deutschen Urlauber akzeptiert die sogenannte Mallorca-Steuer nicht.
Christiansen: Ich halte die Ökosteuer im Grundsatz gar nicht für so verkehrt – unter der Voraussetzung, dass die Einnahmen wirklich zur Verbesserung der Umwelt eingesetzt werden. Und zur weiteren Verschönerung der Insel.

MM: Zum Beispiel?
Christiansen: Nehmen Sie die Gemeinde Andratx. Es kann doch nicht sein, dass es in Port d'Andratx etliche löchrige Straßen mit zerbrochenen Straßenlaternen gibt. Das darf in einem Ort, der sich selbst gern als Nobelort bezeichnet und wo entsprechende Preise und Steuern gezahlt werden, nicht sein. Man muss auch mehr für Infrastruktur und Landschaftspflege tun. Ich finde die Ökosteuer gut, wenn sie zielgerichtet für solche Projekte eingesetzt wird.

MM: Viele Gäste haben den Eindruck, sie seien auf der Insel nicht willkommen.
Christiansen: Nicht alle Urlauber haben sich immer wie Gäste benommen. Aber auch die Mallorquiner sollten angesichts der rückläufigen Touristenzahlen mal nachdenken: Sind wir in den letzten Jahren im Service immer gleichbleibend freundlich geblieben? Schließen wir uns nicht, wie in Deutschland, der Teuro-Entwicklung zu sehr an? Der Urlauber registriert dies genau. Zu Hause wird dann Kassensturz gemacht und gesagt: Machen wir das nächste Mal doch in der Türkei Urlaub oder in Kroatien.

MM: Empfinden Sie die Mallorquiner als unfreundlich?
Christiansen: Nein, ganz und gar nicht, aber sie sind – wie alle Insulaner – generell nicht leicht zu gewinnen. Wenn man sie aber gewonnen hat, dann schließen sie echte Freundschaften. Wir müssen aber auch einen Blick auf uns selbst werfen: Viele von uns sollten ihre Arroganz ablegen. Wir sollten auch nicht in Bikini oder Badehose durch Palma spazieren, weil sich das einfach nicht gehört. Wir müssen die Sitten und Gebräuche unserer Gastgeber respektieren.

MM: Beide Seiten müssen sich aufeinander zubewegen?
Christiansen: Ja. Vor allem mehr aufeinander hören. In diesem Sinne ist auch die Eröffnung der Balearen-Vertretung in Berlin (siehe Seite 4, Red.) ein ganz wichtiger Schritt. Deutsche und Mallorquiner haben über den Tourismus hinaus längst intensive Beziehungen, vor allem wirtschaftlicher Art. Zahlreiche mallorquinische Produkte sind in Deutschland zu haben, nicht nur Wein. Die Handelsbeziehungen, die kulturellen Beziehungen, die touristischen Beziehungen bilden zusammen ein vielschichtiges Geflecht. Hier können die Kontakte noch enger geknüpft werden.

MM: Was würden Sie als Hauptaufgabe der Vertretung ansehen?
Christiansen: Seismografisch tätig zu sein, Entwicklungen zu spüren und vielleicht abzufangen. Bisher lief es doch so: Erst wenn das Kind in den Brunnen gefallen war, fragte man nach dem Warum.

MM: Das Kind muss aber auch aus dem Brunnen geholt werden, es ist ja längst drin.
Christiansen: Ja sicher. Nehmen Sie mal meine Sendung: Wenn die Quote mal schlecht ist, fragen wir uns, ob wir mit dem Thema falsch lagen oder die falschen Gäste hatten. Genauso muss man sich im Mallorca-Tourismus immer wieder selbst hinterfragen. Wenn es immer nur bergauf geht, wird man unkritisch dem eigenen Produkt gegenüber. So etwas darf sich nicht einschleichen. Es muss eine fortwährende Qualitätsüberprüfung dessen geben, was ich dem Kunden anbiete, egal ob er Fernsehzuschauer oder Urlauber ist.

MM: Was stört Sie auf Mallorca besonders?
Christiansen: Wenn ich mir zum Beispiel die exzessive Bebauung der Cala Llamp (Südwestküste, Gemeinde Andratx, Red.) ansehe, dann ärgere ich mich. Wir lesen in Deutschland doch ständig vom Baustopp auf Mallorca – und dann ist so etwas möglich?

MM: Wie kann sich das Verhältnis von Mallorquinern und Deutschen entkrampfen?
Christiansen: Sie müssen aufeinander zugehen, und zwar rechtzeitig. Dann prallen nicht zwei Züge aufeinander, sondern werden aneinander vorbei geleitet oder treffen sich im Bahnhof. Man muss den anderen doch fragen: Was möchtest du von mir, was kann ich dir geben? Wenig hilfreich ist es, sich stur zu stellen.

MM: Oder die Insel einzudeutschen.
Christiansen: Wir wollen doch auf Mallorca nichts Deutsches, das wollen nur einige wenige. Wir lieben ja an Mallorca, dass es nicht Deutschland ist. Wir möchten doch auf Mallorca vorfinden, was die Sehnsucht nach Romantik, nach dem Süden erfüllt. Das soll erhalten bleiben und auch nicht eingedeutscht werden.

MM: Manche Mallorquiner sind dagegen, dass Deutsche Fincas oder Stadtpaläste kaufen.
Christiansen: Wenn ein Deutscher ein Objekt wunderschön restauriert, dann bedeutet das doch, dass er es aus Liebe zur Insel tut. Diesen Menschen darf man getrost unterstellen, dass sie auch im Miteinander gute Absichten verfolgen und mit den Mallorquinern in großer Eintracht leben wollen.

MM: Was würden Sie den Mallorquinern und den Deutschen raten?
Christiansen: Ich möchte noch einmal auf die Balearen-Vertretung in Berlin verweisen. Ihre Eröffnung bedeutet nämlich, dass in den Köpfen bereits sehr viel passiert ist. Sie bedeutet: Man will aufeinander zugehen, will keine Konfrontation mehr wie manchmal in den vergangenen Jahren, sondern ein Miteinander.

MM: Ihr Ausblick?
Christiansen: Wir haben, ausgelöst vom Tourismus, auf vielen Ebenen starke Beziehungen entwickelt. Das ist doch eine gute Brücke, eine europäische Brücke, die wir da gebaut haben. Möglichst viele Menschen müssen darüber gehen.j
Mit Sabine Christiansen sprach Wolfram Seifert.