Und immer drauf...

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Natascha Schopen, 37-jährige Schwäbin, arbeitet auf einem Feld in der Nähe des Klosters Lluc. Mit einem Hammer klopft sie auf die Steine, die sie umgeben. Ungefähr acht Stunden am Tag steht sie bei jeder Witterung auf dem Berg und haut sich die Finger wund. Der Anblick erinnert an eine Strafarbeit, doch die Deutsche ist freiwillig an diesem Ort.

Eigentlich hatte sie alles erreicht, wovon Frauen und Männer in ihrem Alter träumen. Vor vier Jahren zog die Schwäbin nach Mallorca und war dort eine erfolgreiche Marketingmanagerin in einem Fünf-Sterne-Hotel. Sie bekam einen traumhaften, unterschriftsreifen Vertrag vorgelegt. Und lehnte ab.

Schopen war es leid, immer gestresst zu sein, ihre Arbeit nie vollendet zu sehen, keine freien Entscheidungen zu treffen und nicht mit den Händen zu arbeiten. Schon mit 17 Jahren wollte sie ein Handwerk erlernen, doch in den 80er Jahren unterstellten die Meister, Frauen würden „ja dann eh ein Kind kriegen, und da bilden wir doch lieber einen Mann aus”, wie sie noch heute bedauert.

Aber im Januar 2002, nach einer langen Odyssee, auf deren Weg sie als Postbeamtin, Reiseleiterin und Marketingmanagerin arbeitete, hat sich ihr Traum vom Handwerk erfüllt: Sie ist die erste Ausländerin, die den traditionellen Beruf des Trockenmaurers, der auf Mallorquín Marger heißt, erlernt.

Dieser Beruf war im Jahr 1989 so gut wie ausgestorben. Nur wenige alte Männer beherrschten noch die Kunst, Steinmauern zu bauen, die nur durch exaktes Zusammensetzen bearbeiteter Steine ohne Hilfsmittel wie Mörtel über Jahrhunderte hinweg halten.

Marger spalten Steine, indem sie diesen zunächst mit einem Elektrobohrer ein kleines Loch zufügen. Danach stecken sie ein Eisenstück in das Loch und hauen anschließend mit dem Hammer drauf. Die Form dieser abgespaltenen Steinstücke wird weitestgehend belassen, weil die mallorquinischen Margers dem Stein ein Gesicht zusprechen, das nicht verändert werden soll. Nur in Ausnahmefällen wird der Brocken bearbeitet, um ihn nahtlos in die Mauer einfügen zu können.

Im Tramuntanagebirge werden Trockenmauern vielseitig verwendet: als Windschutz und Begrenzung von Feldern und Ländereien sowie um Täler vor Bergrutschen zu schützen.

Das Ministerium für Wirtschaftsförderung und Beschäftigung des mallorquinischen Inselrates hat die Initiative Fodesma ins Leben gerufen, um Marger und andere Traditionen am Leben zu halten. Zwei Wochen vor Beginn des Kurses fragt Fodesma beim Arbeitsamt nach Langzeitarbeitslosen und schwer Vermittelbaren für die acht Ausbildungsplätze.

Und genau darin lag auch die Schwierigkeit für Schopen. „Ich konnte beim Vorstellungsgespräch ja wirklich nicht mit Langzeitarbeitslosigkeit glänzen. Ich bin aber hartnäckig geblieben, habe immer wieder zum Ausdruck gebracht, wie viel mir die Ausbildung bedeutet und dass ich auch noch Wochen warten kann.” Aufgrund des Rückziehers eines Auszubildenden nimmt sie seit Januar dieses Jahres an dem einjährigen Kurs teil.

„Anfangs wurde ich von meinen Kollegen seltsam beäugt, weil ich im Gegensatz zu ihnen einen gut bezahlten Job aufgegeben habe. Wenn ich an morgen denke, bin ich glücklich. Ich mache jetzt einfach etwas, das mir Spaß bereitet und wo ich meine Leistung greifen kann. Das bedeutet mir viel mehr als Geld”, betont die Schwäbin, die von den 730 Euro nur „gerade so über die Runden” kommt.

Das wird sich aber bald ändern. Seit 1989 hat Fodesma 140 Margers ausgebildet. In der Regel mit guten Zukunftsaussichten. Zum einen werden sie von Fodesma in einer Brigade angestellt, die öffentliche Aufträge ausführt. Guten Margers bietet sich die Möglichkeit, bei privaten Baufirmen zu arbeiten. Besonders ausländische Fincabesitzer haben in den letzten Jahren dazu beigetragen, dass der Beruf einen zweiten Frühling erlebte. Denn die Verkleidung der Fincas mit bearbeiteten Steinen aus der Hand eines Margers ist zum Trend geworden und kostet dementspreched viel.

Aber der finanzielle Aspekt ist nicht der Motor, der Natascha Schopen antreibt. Auch sie braucht Geld, aber wer denkt, sie würde am Ende eines anstrengenden Tages froh sein, den Hammer aus der Hand zu legen, der irrt. Selbst bei sich zu Hause in ihrem Garten in Llucmajor ist es für Schopen das Schönste, Steine zu spalten, sich die Finger wund zu hauen und solange in gebückter Haltung zu arbeiten, bis sich in ihr Zufriedenheit über das Geschaffene einstellt. „Und die habe ich, jeden Tag!”, ruft sie und strahlt dabei genau die Lebensfreude aus, nach der sie jahrelang gesucht und bei den Margers gefunden hat.