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Deutschland war das Land der Dichter und Denker, jetzt sind wir das Land der Meckerer und Stänkerer.” Wilhelm Edinger kann sich richtig echauffieren, wenn er daran denkt, wie Mallorca derzeit in Medien und Debatten niedergemacht wird. Auch die vielen negativen Leserbriefe in MM sind für ihn unerklärlich: ,,So schlecht kann Mallorca doch gar nicht sein.” Der 69-Jährige darf mitreden, denn er hat die Entwicklung des touristischen Mallorca praktisch von Anfang an miterlebt. Vor genau 40 Jahren machte er den ersten Inselurlaub, und schon damals war sein heutiger Begleiter Werner Buthmann (74) dabei. Die beiden Mallorca-Fans und ehemaligen Drucker-Kollegen bilden im heimischen Hamburg eine ,,Rentner-WG”, wie sie sagen.

1963 kamen sie nach Mallorca, weil Edingers Tochter Bronchitis hatte und der Arzt empfahl, nach Sylt oder Mallorca zu fahren. ,,Dann natürlich Mallorca”, dachten sich die reiselustigen Hamburger und buchten 14 Tage bei Touropa. Rund 400 Mark kostete der Spaß. Der Flug erfolgte noch über Frankfurt und Nizza, ,,und bei jedem Stopp wurden die Flieger kleiner”.

In Palma hieß das Ziel Hotel Versalles. Das Haus in Porto Pí, inzwischen steht dort das Einkaufscenter, hatte immerhin schon Zentralheizung, die Zimmer waren mit Bad und Telefon ausgestattet, nur das WC befand sich auf dem Flur. Es ging britisch zu, erinnern sich die Rentner, und sehr familiär: ,,Die Mädchen im Hotel haben sich darüber gestritten, wer unsere Vierjährige hüten durfte, wenn wir das Haus verließen”, erinnert sich Edinger. ,,Die passten dann vor dem Zimmer auf und strickten.”

Es war ein anderes Mallorca als heute. Die frühen Gäste konnten auf der Stadtmauer vor der Kathedrale noch beobachten, wie bei hohem Seegang die Wellen gegen die Mauer klatschten; der Stadtpark und der Paseo Marítimo existierten noch nicht. Zum Ausgehen war El Terreno ideal, das einstige Viertel der Bohemiens. ,,Das hatte Charme – und viele Bars”, versichert Buthmann. Auch ins Tito's ging es damals schon, eine Kapelle schmetterte Tanzmusik.

Die nähere Umgebung war Natur pur: ,,Das heutige Portals Nous lernten wir als eine einzige Idylle kennen; da standen nur ein paar alte Häuser und eine Kapelle”, sagt Edinger. Palmanova gab's noch gar nicht. ,,Da wurde gerade eine Straße angelegt und Laternen aufgestellt, und wir fragten uns, was das wohl mal werden soll.” Inzwischen ist gerade der Südwesten, damals wie heute die bevorzugte Region der Hamburger, mit reichlich Beton verschandelt. Ihre positiven Ansichten konnte das nicht trüben. Und so sind Edinger und Buthmann auch dieses Jahr wieder eingeflogen und haben für sechs Wochen im Vier-Sterne-Hotel Albatros in Illetes eingecheckt, Gesamtpreis 3500 Euro.

,,Wer hat schon die Möglichkeit, solch einen Blick zu genießen?”, schwärmt Edinger beim Blick aus dem Fenster auf die Bucht von Palma. Überhaupt könnten er und sein Begleiter ,,seitenweise Positives über Mallorca” berichten und damit all jene Lügen strafen, die derzeit auf die Insel einhacken.

Teuro und Ökosteuer? Die beiden winken ab. ,,Das haben wir doch auch an der Nordseeküste.” Diese beiden Urlauber wollen das Positive sehen und nehmen die Insel entsprechend wahr. ,,Es wird doch auch viel gemacht für das Geld, der Passeig de Calvià etwa ist wunderschön zum Laufen”, lobt Edinger das Engagement der Gemeinde. „Auch Palma ist viel schöner geworden.” Selbst einem Zahnarztbesuch können die Rentner noch etwas Positives abgewinnen: Als sie zum Ärztehaus in Palma kamen, wurde die Zahnarztpraxis gerade neu eingerichtet. „Der Stuhl war noch in Plastik gehüllt”, berichtet Patient Buthmann, der trotzdem gleich dableiben durfte. Die Notbehandlung sei gut und preiswert gewesen. Wieder etwas für die umfangreiche Haben-Seite in der Mallorca-Bilanz von Edinger und Buthmann.

Wenn die beiden etwas auf die Palme bringt, dann offenbar nur das Gemeckere der anderen Gäste (Edinger: „Da leg ich mich gerne mit den Leuten an”) oder – siehe oben – sonstige Verunglimpfungen „ihrer” Insel. Nicht, dass sie gar keine Beanstandungen hätten. Über einige Details im Hotel oder die schlechten Busverbindungen könnten sie schon ein Wörtchen verlieren. Wollen sie aber dann doch nicht. „Denn was ist schon perfekt?”