Für viele Ausländer, die nach Mallorca ziehen, ist das
Umweltbewusstsein der Einheimischen ein Rätsel: Auf der einen Seite
gibt es eine lebhafte Auseinandersetzung in Politik und
Gesellschaft über Straßenbau, öffentlichen Nahverkehr, Bebauung und
Tourismus. Andererseits scheint sich über Müll im Wald, über die
Plastiktütenschwemme im Supermarkt oder Abfalltrennung kaum jemand
Gedanken zu machen. Ist Mallorca die Umwelt nur dann lieb und
teuer, wenn es um „nostra terra” (unser Land) geht oder Einschnitte
der eigenen Lebensqualität zu befürchten sind?
Als Sinnbild des mallorquinischen Umweltbewusstseins schlechthin
gilt der Balearische Naturschutzbund GOB, der in diesem Jahr sein
30-jähriges Bestehen feiert. Dessen Vorsitzender Macià Blázquez
Salom formuliert es so: „GOB wird heute durch den Landschaftsschutz
getragen. Die Unterstützung der Bevölkerung ist meist auf lokale
Themen bezogen.” Der Mallorquiner werde dann aktiv im Umweltschutz,
wenn er seinen Lebensraum bedroht sieht. Seiner Meinung nach muss
der GOB allerdings „die lokalen Visionen überwinden”.
Blázquez verweist auf die Entstehungsgeschichte des GOB.
Zunächst beschäftigten sich die Mitglieder ausschließlich mit dem
Thema Vogelschutz, dann wurden die Aktivitäten auf die Lebensräume
anderer Tiere erweitert. Später kamen der urbanistische Aspekt und
die Bedrohung durch die fortschreitende Bebauung hinzu und
schließlich Themen wie Energieressourcen und Müllentsorgung. „Jetzt
beschäftigen wir uns auch mit sozialen Themen wie der
Chancengleichheit, dem Krieg, der Armut und Entwicklungshilfe. Wir
müssen eine globalere Sichtweise entwickeln”, sagt Blázquez, der im
Hauptberuf Geografie-Professor an der Balearenuniversität ist, mit
Schwerpunktthema Globalisierung.
Eine globale Sichtweise propagiert er auch bei der Frage: Wie
viele Menschen verträgt Mallorca? Schon jetzt, so meint Blázquez,
sei die ökologisch sinnvolle Ausbeutung der Insel, was den
Verbrauch von Fläche und natürlichen Ressourcen sowie die
Müllproduktion anbelangt, um ein Sechsfaches überschritten. Zu
viele Menschen produzieren zu viel Müll, benutzen zu viele Autos,
verbrauchen zu viel Wasser, Energie und Landschaft: Der „Exzess der
demografischen Entwicklung” ist nach seiner Ansicht
Hauptumweltproblem der Balearen.
Muss Mallorca also die Schotten dicht machen? Eine
Zuwanderungsbegrenzung könne nicht die Antwort sein, so Blázquez.
Denn diese Lösung wäre „sozial unverträglich. Dann hätten nur noch
die Reichen Zugang”. Auch die vor wenigen Jahren geführte
Diskussion um einen „Ausverkauf Mallorcas” hält er für wenig
relevant: „Die Besitzverhältnisse sind nicht entscheidend. Die
Frage ist, wie dieser Besitz gepflegt wird. Ich sehe eher ein
Problem in der Privatisierung der Küsten– und Berglandschaft. Wenn
der Zugang zu kulturhistorisch wertvollen Gebieten wie auf dem
Grundstück von Claudia Schiffer eingeschränkt wird, ist das sicher
nicht optimal.`
Langfristig müsse das urbanistische und demographische Wachstum
beruhigt werden, kurzfristig könne man nur versuchen, den
Lebensstil der Menschen zu ändern, sie dazu zu bringen, weniger
Energie zu verbrauchen und weniger Müll zu produzieren.
Gleichzeitig sehe er die Aufgabe des GOB darin, Einfluss auf die
Politik zu nehmen, die dafür sorgen müsse, die entsprechende
Infrastruktur bereitzustellen: „Es macht wenig Sinn, in den
Haushalten den Müll zu trennen, wenn wie in Palma keine gelben
Container bereit stehen.”
Der Einfluss auf die Politik ist seit dem Wechsel der
Balearenregierung aber kleiner geworden: Die PP-Regierung habe GOB
aus den beratenden Gremien ausgeschlossen. Und die Vorschläge, die
der balearische Ministerpräsident Jaume Matas seit seinem
Amtsantritt im Juni gemacht hat, „lassen befürchten, dass sich die
Dinge verschlechtern werden”. Blázquez nennt die Pläne zum Ausbau
der Autobahnen, zum Bau eines Polofeldes und weiterer Golfplätze
sowie die Rücknahme des Baustopps in geschützten Gebieten auf Ibiza
und Formentera als Beispiele. Dennoch unterstreicht er die
Dialogbereitschaft: „Wir arbeiten parteiunabhängig.”
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