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Mit einer ersten Kirchenbesetzung sowie kommunalen Klagen vor dem balearischen Verwaltungsgericht hat der Protest gegen das umstrittene Autobahnprojekt Inca-Manacor eine neue Qualität erreicht. Am Mittwochabend reichten zudem Anwohner und Autobahngegner beim balearischen Verkehrsministerium 21.000 Unterschriften sowie 150 Einwendungen gegen das Vorhaben ein. Das Rathaus in Sineu lehnt das Projekt ab und fordert, falls sich die Trasse nicht vermeiden lässt, ihre Untertunnelung auf dem gesamten Gemeindegebiet.

Die Balearen-Regierung nennt das 133 Millionen Euro teure Autobahnprojekt unerlässlich, um die Infrastruktur der Insel zu verbessern. Gegner der projektierten Asphaltpiste von 30 Kilometer Länge sehen in den Plänen einen Anschlag auf das grüne Herz der Insel. Ein „ökologisches wie soziales Attentat” nennt der Sprecher der Plattform Autovía No, Miquel Gelabert, das Projekt. Die Vereinigte Linke spricht von einem „pharaonischen Projekt”, die Naturschutzorganisation GOB gar von der „größten Gewaltanwendung”, die der zentralmallorquinischen Ebene je gedroht habe.

Unterdessen ergab eine Umfrage der Stiftung Gadeso, dass lediglich 6'9 Prozent der Bevölkerung auf Mallorca den Bau einer Autobahn zwischen Inca und Manacor für vorrangig erachten. Stattdessen plädierten 35'3 Prozent für einen Ausbau der Landstraße Palma-Manacor zur Autobahn. Weiteren 22'5 Prozent würde sogar lediglich die Verbreiterung der genannten Landstraße ausreichen. Damit sind 57'8 Prozent der Befragten für den Ausbau der Direktverbindung Palma-Manacor.

In den Dörfern Costitx, Sineu und Petra, die an der geplanten Trasse Inca-Manacor liegen, regt sich der Widerstand, je mehr die Pläne fortschreiten. Seit Sommer vergangenen Jahres sind entlang der Landstraße Betttücher und Plakate zu sehen, auf denen ein Stopp der Ausbaupläne gefordert wird. Im November kamen in Sineu 6000 Menschen zur ersten Großdemonstration zusammen.

Mit dem öffentlichen Auslegen der Baupläne Ende Dezember nimmt der Protest zu. In einer für Mallorca ungewöhnlichen Aktion besetzten am vergangenen Freitag zehn Ausbaugegner die Kirche in Costitx. Der Ort war mit Bedacht gewählt worden, denn Costitx liegt nicht nur an der geplanten Trasse; Bürgermeisterin des Ortes ist Maria Antònia Munar, die als Mallorcas Inselratspräsidentin und Parteichefin der bürgerlichen Unió Mallorquina (UM) gemeinsam mit der konservativen Partido Popular (PP) den Weg für das Autobahn-Projekt geebnet hat.

Die Kirchenbesetzer brachten am Kirchturm ein Transparent an, räumten das Gotteshaus jedoch nach zwei Tagen freiwillig. Die Diözese hatte die Aktivisten weitgehend gewähren lassen. „Die Kirche hat Gastfreundschaft zu üben. Ohne eine eigene Position zu beziehen, sollte sie es Minderheiten ermöglichen, ihre Anliegen vorzubringen”, sagte Mallorcas bischöflicher Vikar, Jaume Alemany. Einen Seitenhieb auf die Politiker wollte sich der Kirchenmann gleichwohl nicht verkneifen. „Wer die Macht hat, muss nicht auch Recht haben. Und der grenzenlose Fortschritt sollte für uns nicht der einzige Wert sein.”

Alemany spielte damit auf die Position der PP-geführten Balearen-Regierung an. Sie hatte wiederholt erklärt, mit dem von ihr errungenen Wahlsieg im Mai 2003 auch für den Bau der Autobahn legitimiert worden zu sein. Dieser Standpunkt hat der Regierung nicht nur seitens der Opposition den Vorwurf des „Wahlbetrugs” eingebracht. Denn im Wahlprogramm der PP war von einer Autobahntrasse Inca-Manacor nie die Rede gewesen. Selbst überzeugte PP-Anhänger in den betroffenen Dörfern haben deshalb kein Verständnis für das Vorhaben der Regierung.

Auch Mitglieder des Juniorpartners in der mallorquinischen Mächtekonstellation tun sich schwer. In Sineu und Petra brachte die UM Einwände gegen das Projekt vor. Die Autobahn werde die landwirtschaftlich orientierte Gemeinde zerschneiden und massive Auswirkungen auf die Landschaft haben.

Der von der PSM regierte Gemeinderat in Petra hat unterdessen angekündigt, vor dem balearischen Verwaltungsgericht gegen das Vorhaben zu klagen. Nach Ansicht der Rathaus-Juristen verstößt die Abänderung des mallorquinischen Verkehrswegeplanes gegen geltendes Recht. Zur Erinnerung: Die Modifizierung des so genannten „Plan de Carreteras” im Oktober infolge der PP– und UM-Mehrheit im Inselrat machte den Weg frei für drei Großprojekte: die umstrittene Autovía Inca-Manacor, der Bau eines zweiten Stadtrings um Palma sowie die Verbreiterung der Autobahn Palma-Inca.

Für Petras Alkalden Joan Font (PSM) stellt sich nun ein völlig neuer Sachverhalt dar: Da sich der projektierte Trassenverlauf anders als zunächst behauptet gar nicht mehr mit der alten Landstraße deckt, sei eine schlichte Modifizierung des Verkehrswegeplans nicht ausreichend gewesen. Hinzu komme, dass aufgrund der großen Eile, mit der das Papier verabschiedet wurde, Alternativen gar nicht erst geprüft wurden. Eine Autobahn von Inca nach Manacor ist nach Fonts Worten „unnötig, da ja bereits der Ausbau der Landstraße Palma-Manacor vorgesehen ist”.

Dass die Trassenführung offenbar mit allzu heißer Nadel gestrickt wurde, zeigen auch Einwendungen aus Inca. Dort hatte sich der Bürgermeister und Mallorcas PP-Chef Pere Rotger zwar von Anfang an für das Vorhaben ausgesprochen. Doch nun überschneidet sich die Trasse mit den geplanten neuen Gewerbegebieten der Kommune. So werden aus dem Zentrum der mallorquinischen Lederindustrie jetzt Forderungen nach einer deutlichen Abänderung der Pläne laut.

Die Autobahngegner blicken indes gespannt auf Samstag, 14. Februar. Für diesen Tag haben zahlreiche Naturschutzorganisationen und Bürgerinitiativen zu einer ersten gemeinsamen Demonstration in Palma gegen die Bau– und Landschaftspolitik der Balearen-Regierung aufgerufen. Die Organisatoren hoffen mit der geplanten Großkundgebung von Tausenden von Menschen Druck auf den Govern auszuüben. Miquel Gelabert von der Plataforma in Sineu gibt sich zuversichtlich. „Mit solchen Demonstrationen konnten damals die geplanten Urbanisationen auf Dragonera verhindert werden.”