Viel Lärm um nichts. Der seit Tagen schwelende Streit um die
kommerzielle Nutzung der balearischen Strandboulevards ist
beigelegt. Zumindest vorübergehend, denn eine endgültige Lösung des
Problems soll ab Oktober gesucht werden. Bis dahin bleibt alles
beim Alten, was bedeutet, dass Tische und Stühle auch weiterhin zum
Strandbild gehören. Man sei sich der schwierigen Lage der
Unternehmer bewusst und wolle deren Situation nicht noch
verschlimmern, sagte der Abgesandte der Zentralregierung für die
Balearen, Ramón Socias, am Donnerstagnachmittag.
Noch Stunden zuvor hieß es, Restaurantbesitzer, Supermärkte und
Souvenirläden müssten ihre Felder innerhalb einer Bannmeile von
sechs Metern unverzüglich räumen. Bei Nichteinhaltung drohte das
dem spanischen Umweltministerium unterstellte Küstenamt mit
saftigen Bußgeldern. Bei den Betroffenen war der Aufschrei
verständlicherweise groß. In nur wenigen Tagen sammelte der Verband
mittelständischer Unternehmer (PIMEM) 4000 Unterschriften, die
Socias übergeben wurden. Die Unternehmer sahen ihre Existenz
bedroht und kündigten Entlassungen an.
Seit Donnerstagnachmittag soll alles ein großes Missverständnis
gewesen sein. In einer eilig einberufenen Pressekonferenz legte
Socias die Anordnung auf Eis. Der nach dem Machtwechsel in Madrid
scheidende Balearen-Direktor des Küstenamts, Fernando Garrido, habe
das Papier versehentlich unterschrieben. „Zu dem Zeitpunkt
herrschte ein großes Durcheinander”, so Socias. Ganz vom Tisch sei
das Thema aber nicht, nach dem Sommer werde nach einer endgültigen
Lösung gesucht.
Besonders in Aufregung versetzte die Diskussion Unternehmer in
Can Picafort. Am Mittwoch war die einst belebte Flaniermeile wie
leer gefegt. Auf dem Paseo Marítimio standen keine
Postkartenständer, Supermärkte verschanzten ihre bunten Gummienten
und Buddelbestecke hinter ihren Mauern. Auch Urlauber, die im
Freien genussvoll an ihren Sangrías schlürften und ihre Blicke über
den Strand und Meer schweifen ließen, suchte man vergebens. Nichts
war im Küstenableger von Santa Margalida mehr so, wie es die
Prospekte der Reiseveranstalter versprachen. „Ende Mai haben wir
die Hiobsbotschaft erhalten”, sagte der Besitzer der Cafetería
Chocolate, dem darüber hinaus noch fünf weitere gastronomische
Betriebe in der ersten Strandlinie gehören. Ein Inspektor des
Küstenamts sei gekommen und habe jedem der rund 40 betroffenen
Wirte persönlich das Verbots-Schreiben überreicht.
„Erst zogen wir uns ein paar Meter zurück, jetzt ganz. Hier
stehen schon seit 30 Jahren die Tische und Stühle draußen und
genauso lange gibt es wohl auch dieses Gesetz”, vermutete der
Unternehmer, der namentlich nicht genannt werden wollte. „Warum
wird das gerade in diesem Jahr, wo wir ohnehin genug Probleme mit
dem Besucherrückgang und der All-Inclusive-Konkurrenz haben,
angewandt?” Etwa 60 Tische, erzählte der Chocolate-Chef, habe
allein er bereits entfernen müssen. „Das ist ein Skandal. Ich
bezahle an das Rathaus Santa Margalida fast 250 Euro pro Tisch, der
im Freien aufgestellt wird.” Wenn nicht schnell etwas passiere,
müsse er 20 seiner Beschäftigten entlassen, befürchtete er noch am
Mittwoch.
Auch die Urlauber beschwerten sich massenhaft bei den Wirten und
bei ihren Reiseleitern. „Das haben wir nicht gebucht. Was nützt
denn die schöne Strandpromenade, wenn man sich nirgendwo raussetzen
kann?”, fragten sich Marion und Eckhard Breitmann aus Köln. Das
Problem ist nicht lokal begrenzt, auch Wirte in Porto Cristo, Port
d'Alcúdia und anderen Orten mit Strandpromenade sind betroffen.
Im Oktober werden nach Angaben von Socias das Küstenamt, die
Regionalregierung und die Unternehmer Gespräche über eine Lösung
der Angelegenheit aufnehmen. „Im nächsten Jahr wird es dieses
Problem sicher nicht mehr geben”, zeigte sich Ramón Socias
zuversichtlich. (khe/rad)
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