Wenn jemand von Schönheit spricht, gilt das schon fast als
Beleidigung", sagt Fabrizio Plessi. „Und von Poesie ist in unserer
Welt heute überhaupt nicht mehr die Rede." Schönheit und Poesie
sind nur zwei der vielen Attribute, die man Plessis Installation
„Il Lavatoi dell'anima" im Museum Es Baluard zuordnen könnte. Es
geht dem „Maestro" der Video–Art aber um noch viel mehr. Es ist
zunächst eine Hommage an den berühmten italienischen Regisseur und
Schriftsteller Pier Paolo Pasolini (1922 – 1975) und sein Buch
„L'odore dell'India". „Pasolini bewundere ich sehr", sagt
Plessi.
Es ist aber auch eine Hommage an die Wäscher am Dhobi Gat in
Bombay, deren unermüdliche Arbeit unter oft menschenunwürdigen
Bedingungen Plessi zum ersten Mal auf einer Reise nach Bombay im
Jahr 1992 sah. „Ich sah diese Menschen ihre Arbeit tun, ich sah sie
schuften. Ausgebeutet und für geringen Lohn. Ich sah die gesamte
Struktur dieser Mammut–Wäscherei – und die Idee für meine Arbeit
war schon da. Ich musste ihr nur noch meine eigenen Strukturen
verleihen." Damals entstand die Installation „Bombay–Bombay", eine
der wichtigsten, die Plessi je schuf. Die ersten Skizzen malte
Plessi auf ein Blatt Papier, wie sie in Hotels ausliegen. Diese
Skizzen sowie der gesamte kreative Prozess sind jetzt Teil der
Ausstellung. Auf „Bombay–Bombay" basiert auch die Installation, die
er jetzt eigens für das historische Wasserreservoir in Es Baluard
kreiert hat. Übrigens ohne dafür bezahlt zu werden. „Es ist gut,
großzügig zu sein. Ich bin auf Mallorca immer mehr zu Hause. Und
der Raum ist einfach großartig. Als ich den ,aljub' hier zum ersten
Mal sah, wusste ich, was hier zu tun war." Die Installation besteht
aus 14 rohen Eisenstrukturen, in deren Mitte 28 Monitore „liegen".
Hier sind, als endloser Fluss von Zeit im Raum, die Fluten des
Ganges zu sehen. In Eisenstrukturen rechts und links davon sind
unendliche Mengen weißer Baumwollstoffe in tausend Schattierungen,
alle jeweils zusammengeknotet, angebracht. Das lässt an Mahatma
Gandhi und seine Spindel denken. „Die Menschen gehen immer davon
aus, dass Indien sehr farbenfreudig ist. Es ist aber weiß wie die
Kleidung seiner Menschen, wie die Hitze, wie die Erde." Die Stoffe
sind nass, trocknen nie. Die Arbeit der Wäscher, die Mühe der
Menschen ist niemals zu Ende. „Sie waschen die Seele – Il Lavatoi
dell'anima".
Plessi spielt mit dem Weiß, spielt mit Licht, das die Stoffe auf
sehr unterschiedliche Weise hervorhebt und verblassen lässt. Im
krassen Gegensatz dazu stehen die Eisenkästen, die scharfe Kanten
haben, deren Verrottung vorauszusehen ist. Der Stoff bleibt und
damit das Helle und Lichte. Und die Hoffnung bleibt, denn der
virtuelle Ganges fließt immer weiter.
Plessi will seine künstlerische Installation auch als Politikum
verstanden wissen: „Ein Künstler muss heute zeigen, wie sehr wir
die Ethik verloren haben, wie sehr soziale und wirtschaftliche
Gegensätze das Leben auf diesem Planeten bestimmen. Schönheit nur
um der Schönheit willen ist eigentlich nicht mehr erlaubt." Michael
Nyman und U. Shirnivas schufen die Musik zur Installation, die
deren Poesie und Emotion kongenial hervorhebt.
Fabrizio Plessi wurde 1940 in Reggio Emilia geboren. Er studierte
an der Akademie der Schönen Künste in Venedig, wo er später den
Lehrstuhl für Malerei innehatte. Zwischen 1990 und 2000 lehrte er
an der Kunsthochschule für Medien in Köln zum Thema „Humanisierung
der Technologien". In seinen weltweit beachteten Installationen
schafft er urbane und natürliche Räume, die symbolhaft und poetisch
menschlichen Lebensraum darstellen. Menschen kommen in diesen
Arbeiten in der Regel nicht vor. Er arbeitet mit traditionellen
Materialien wie Eisen, Holz, Stein und Stoff ebenso wie mit
virtueller Technik.
Seit 1968 spielt das Wasser in seinem Werk eine große Rolle, das
er mit Elementen wie Schiffen, Feuer und Bäumen verbindet. Sein
neuestes Werk „Sarajewo" wurde am 23. Juli dieses Jahres bei der
Eröffnung der restaurierten Brücke von Mostar als Erinnerung an die
Kriegsopfer gezeigt. Plessi hat eine intensive Verbindung zu
Venedig, hat mehrfach – zum ersten Mal 1970 – an der Biennale
teilgenommen. Seine Installation „Waterfire" im Jahr 2001 auf dem
Markusplatz von Venedig war ein weltweites Kunstereignis.
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