Es wurde berichtet, dementiert und stimmt doch: Mallorquinische
Hoteliers wollen die TUI AG kaufen. Wie MM aus dem
Unternehmen erfahren hat, liegt bei der West LB ein Angebot der
mallorquinischen Barceló-Gruppe für den 31-Prozent-Anteil vor, den
das Bankinstitut an dem Touristik-Riesen hält. Das hat am Montag zu
einem ungewöhnlichen Blitztreffen zwischen TUI-Chef Michael Frenzel
mit Hotel-Partnerin Carmen Riu in Palma geführt. Wie Insider
berichten, wurde bei dem Gespräch auch die Möglichkeit erörtert,
dass RIU-Hotels die TUI-Anteile an dem gemeinsamen Unternehmen
zurückkauft.
Nach einem Bericht des „Spiegel” am Montag streben
mallorquinische und spanische Hoteliers die Kontrolle vom
Tourismus-Konzern TUI an. Danach seien solche Gerüchte TUI-Chef
Michael Frenzel zwei Wochen zuvor zugetragen worden. MM
hatte bereits in Ausgabe 32/2004 entsprechend berichtet.
Der „Spiegel” konnte nur spekulieren, dass Unternehmen wie Sol
Meliá, NH oder Barceló an einer Übernahme interessiert sein
könnten, die haben dies prompt dementiert. Doch mehrere
Touristiker, die es wissen müssten, bestätigen: „Der West LB liegt
ein Angebot von Barceló vor.” Offiziell sagen die Banker lediglich,
dass sie viele Angebote haben, auch aus der Reisebranche. Die
Landesbank will ihren gut 31-prozentigen Anteil an der TUI AG seit
längerem verkaufen.
Die Touristik-Gruppe Barceló, 1931 als Transportunternehmen in
Felanitx gegründet, betreibt zurzeit 127 Hotels mit fast 30.000
Zimmern in 16 Ländern. 2002 wurde ein Umsatz von knapp 610
Millionen Euro sowie ein Betriebsergebnis nach Steuern von 21'6
Millionen Euro erzielt. In Spanien gehören der Gruppe gut 270
Reisebüros. An dem britischen Veranstalter First Choice ist man mit
21'8 Prozent beteiligt.
Branchenkenner bezweifeln, dass Barceló genug Kapital hat, um
den Deal durchzuführen. Doch das Touristik-Unternehmen muss das
Geld nicht notwendigerweise alleine aufbringen. Chef Simón Pedro
Barceló hat beste Verbindungen zu finanzstarken Firmen. An der
Hotel-Immobilien-Holding Grubarges etwa sind neben Barceló auch
FCC, Spaniens größtes Bauunternehmen und die Großbank BBVA
beteiligt. Beides potente Partner: Nach Unternehmensangaben setzte
FCC im Jahr 2003 gut sechs Milliarden Euro um und verfügte über
Eigenkapital in Höhe von 1'8 Milliarden Euro; BBVA erzielte 2003
einen Vorsteuergewinn von 3'8 Milliarden Euro.
Wie MM bereits vor 14 Tagen berichtete, wäre es nicht das
erste Mal, dass Barceló sich für einen deutschen Reiseveranstalter
interessierte. 1999 hat Barceló eine Milliarde D-Mark für das
Deutsche Reisebüro (DER) geboten, das letztlich von der
Rewe-Touristik übernommen wurde.
Seinerzeit bestätigte das DER, einen so genannten „Letter of
intent” (Absichtserklärung) der Mallorquiner vorliegen zu haben.
Dennoch ließ Barceló dementieren. Kein Wunder, dass jetzt, wo von
der West LB keine offiziellen Aussagen zur Identität der Bieter zu
haben sind, Barceló wiederum alles abstreitet. Man habe mit der
22-Prozent-Beteiligung an dem britischen Unternehmen First Choice
alles, was man wolle, so ein Sprecher.
Aber Simón Pedro Barceló hatte Anfang August in einem Interview
mit einer mallorquinischen Lokalzeitung erklärt, dass die Hoteliers
an der Nachfrage nach unseren Urlaubszielen aktiv mitwirken
müssten, um erfolgreich zu sein. Deshalb müsste man sich an
ausländischen Tourismusunternehmen beteiligen oder sie sogar ganz
übernehmen.
Lag Barceló mit diesem Kalkül beim DER noch falsch – der
Baustein-Spezialist hat nur ein sehr geringes Gästeaufkommen in den
klassichen Strand-und-Sonne-Destinationen – wäre das bei der TUI
ganz anders. Doch es kommt ein völlig neues Problem hinzu. Ein
wichtiger Teil des Erfolges der Hannoveraner beruht auf dem
Hotel-Portfolio. Insbesondere die Herbergen, an denen man beteiligt
ist, laufen gut und sorgen für ausgesprochen gute Erträge.
Doch etwa für die mallorquinische Kette RIU wäre die Beteiligung
von Barceló ein Albtraum. Dann säße am Ende gar die Konkurrenz im
Aufsichtsrat – zumindest für Geschäftsführerin Carmen Riu
unvorstellbar. Um deren Sorgen zu zerstreuen, ist
TUI-Vorstandsvorsitzender Michael Frenzel am Montag per Lear-Jet zu
einem Blitzbesuch nach Palma geflogen.
Zum einen versuchte er, seiner Geschäftspartnerin die Lage zu
erklären. Aber so genau weiß er selber nicht, wer die TUI demnächst
übernehmen wird. Zuletzt hatte die Nachricht für Aufsehen gesorgt,
dass die Investmentbank Morgan-Stanley mehr als zehn Prozent der
Anteile übernommen habe. Deswegen macht sich Frenzel auch Sorgen,
von so genannten Geier-Fonds übernommen zu werden, die das
Unternehmen Gewinn bringend ausschlachten wollen.
Weil auch das keine Perspektive ist, die Riu gefallen würde,
geht es in den Gesprächen nach Insider-Informationen auch darum,
dass die Familie Riu die TUI-Anteile am eigenen Unternehmen
zurückkaufen könnte. Das wäre so oder so eine Sensation.
Schließlich sind die Erfolgsgeschichten von TUI und RIU eng
miteinander verbunden. Firmengründer Luis Riu organisierte
gemeinsam mit Dr. Tigges Reisen, die später in der TUI aufging,
1955 die ersten Charterflüge von Deutschland nach Mallorca; seit
1993 ist die TUI mit 50 Prozent an RIU beteiligt.
Branchenbeobachter fragen sich, was Barceló angesichts dieser
Gemengelage von einer TUI-Übernahme haben könnte. Das wichtigste
TUI-Pfund, die eigenen Hotels, würden zumindest zum Teil flöten
gehen. Und inwieweit ein Reiseveranstalter Kundenströme dirigieren
kann, ist eine Diskussion, die so alt ist wie der
Pauschaltourismus. Ein mallorquinischer Touristiker: „Das klappt
nie, sonst hätten die Veranstalter nicht die Probleme, die sie
gerade haben.” Der Kunde bestimme, wohin die Reise gehe. Die
gegenteilige Ansicht besagt, der Veranstalter kann mit seinen
Vertragsabschlüssen in den einzelnen Zielgebieten, seinen
Marketing-Bemühungen und auch den eigenen Reisebüros den Kunden in
ein bestimmtes Feriengebiet locken.
Das Rätsel um den neuen Eigentümer der TUI AG dürfte sich
innerhalb der nächsten drei Wochen auflösen. Am 3. September
entscheidet sich, ob die Aktie weiter im DAX notiert wird.
Analysten mutmaßen, dass das ganze Theater ohnehin nur dazu dient,
den Kurs der Aktien hochzutreiben, um in diesem wichtigen
Börsen-Index zu bleiben. Was Vorstandschef Frenzel sofort
dementieren ließ.
Doch wenn der Preis pro Anteil über die 16'50-Euro-Grenze geht
(am Donnerstag rutsche die TUI-Aktie allerdings um 1'9 Prozent auf
15'33 Euro), können die Landesbanker nicht mehr lange auf ihren
Anteilen sitzen bleiben. Zu diesem Kurs haben sie ihr Paket in den
Büchern stehen, zu diesem Kurs plus einem kleinen Aufschlag käme
das Institut, zuletzt selbst in starken Turbulenzen, um einen
Verkauf kaum herum.
Möglicherweise an einen mallorquinischen Hotelier.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.