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Im September 1945 machte sich in der Schweiz ein junger, in der Welt noch unbekannter Fotograf auf, um das daniederliegende Europa zu betrachten. Und zu fotografieren. Sein Transportmittel war ein altes Fahrrad. In seinem Rucksack befanden sich zwei Kameras, ein paar Kleidungsstücke und die „neue” Währung: viele Päckchen Zigaretten. Sein einziger wirklicher Reichtum: ein Schweizer Pass.

Werner Bischof (1916 bis 1954) hatte zu jener Zeit eine Ausbildung an der Hochschule für Angewandte Kunst, hatte bei Hans Finsler und Arnold Kübler gelernt, hatte sich 1939 bis zum Kriegsausbruch in Paris niedergelassen und sich danach in der Schweiz als Werbe– und Modefotograf einen Namen gemacht. Er galt – beeinflusst von Man Ray – als Vertreter der Neuen Sachlichkeit. Er arbeitete mit natürlichem Licht, mit natürlichen Materialien in seinen Foto–Arrangements.

Seine Reise durch Deutschland, später durch Frankreich und Holland, gab seiner Arbeit eine neue Linie. Er wurde zum Fotoreporter allerhöchsten Ranges, obwohl er die Bezeichnung „Reporter” sein Leben lang hasste. 1949 veröffentlichte er sein erstes Buch mit Bildern aus dem Nachkriegseuropa. Bilder, die Fotogeschichte schrieben. Etwa das Foto vom zerbombten Berlin, das Foto von den Trümmerfrauen.

1949 wurde er Mitglied der Foto–Agentur Magnum und damit ebenbürtiger Kollege von Foto–Künstlern wie Henri Cartier–Bresson, Robert Capa, Chim Seymour oder George Rodger. Was zu jener Zeit zwar ehrenvoll, aber wenig einträglich war.

Der Zwiespalt zwischen fotografischer Freiheit und finanzieller Notwendigkeit sollte sein Leben lang anhalten, zumal Bischof inzwischen auch Frau und Kind hatte.

1951 schickte Magnum Bischof nach Indien, wo er den „neuen Staat” – es war nur drei Jahre nach der Unabhängigkeitserklärung – dokumentieren sollte. Was er fand, war herzzerreißende Armut: „Ich benutzte die Kamera ohne Hemmungen”, erinnerte er sich später. „Hier ging es nicht mehr um die Komposition von Fotos, hier ging es darum, der Welt das Elend zu zeigen.” Seine Fotos wurden in Life veröffentlicht und wurden zur Sensation.

Ein Jahr später war er lange Zeit in Japan, wo seine vielleicht schönsten Fotos entstanden. Sie fangen die Ruhe und Klarheit traditioneller Kultur in Japan ein. Paris Match schickte ihn 1952 nach Indochina, wo er den „heroischen Kampf der französischen Soldaten” fotografieren sollte. Das Ergebnis seiner Arbeit waren Bilder voller Mitgefühl für die geschundene Bevölkerung der Region. In dieser Zeit schrieb er an seinen Mentor Robert Capa, er wolle nach Südamerika, so weit wie möglich weg von aller Zivilisation. Er fuhr per Schiff mit seiner Frau nach New York, von dort weiter per Zug nach Mexiko. Allein reiste er weiter nach Panama, Chile und Peru, fotografierte die Ruinen der Inkas, war überwältigt von der Schönheit der Bergwelt in den Anden.

Im Mai 1954 traf er einen Freund, mit dem er eine Fahrt in die Berge unternahm. Das Auto kam von der Straße ab und stürzte viele Meter in die Tiefe. Werner Bischof war sofort tot. Neun Tage später kam sein zweiter Sohn zur Welt. Die unentwickelten Fotos, die man in seiner Kamera fand, sind von anrührender Schönheit und großer Poesie. Sein Magnum–Kollege Ernst Haas sagte über ihn: „Es ist, als hätten die Bilder immer auf ihn gewartet.”j
Fotos von Werner Bischof im Casal Solleric. Bis zum 5. September von Dienstag bis Samstag von 10.30 bis 13.45 und von 17.30 bis 21 Uhr. Sonntags von 10 bis 13.45 Uhr.