Würden in Son Sant Joan Züge einfahren, könnte man die Arbeit
von Cati Florit (42) im weitesten Sinne mit der einer
Sozialarbeiterin in einer Bahnhofsmission vergleichen. Cati ist
eine von sieben Mitarbeiterinnen der sogenannten „Chaquetas
Azules”. Die „Blaujacken” kümmern sich auf Mallorcas
internationalem Airport um in Not geratene Menschen. Gestrandete,
Verwirrte, Kranke, Mittellose, Verlorengegangene. Aber am meisten
um jene, die ihre Maschine verpasst haben. Sei es, weil der
Flugkapitän die Beförderung wegen Trunkenheit oder aggressiver
Verhaltensweisen seitens der Passagiere verweigerte, sei es, weil
sie einfach zu spät kamen, weil sie gar kein Ticket hatten oder von
zu Hause ausbüxen wollten, aber noch nicht volljährig waren.
Die Arbeit der „Chaquetas Azules” ist einzigartig in Spanien.
Seit 1999 betreuen die sechs Frauen und ihr männlicher Kollege
Menschen aus der ganzen Welt. Darunter auch viele Deutsche. Anfangs
nur während der Sommermonate, seit fünf Jahren ganzjährig im
Zweischichtbetrieb rund um die Uhr. Obwohl die von der spanischen
Flughafenbehörde (Aena) ins Leben gerufene Gruppe schon kurz nach
ihrer Gründung mit einem Preis für herausragende Leistungen
ausgezeichnet wurde, folgte kein anderer spanischer Flughafen dem
Beispiel und setzte die Pionierleistung um.
Im Schnitt kümmern sich die Mitarbeiter in den blauen Jacken um
rund 1000 Personen pro Jahr. Üblicherweise um Urlauber. „Unsere
Arbeit besteht vor allem darin, den Menschen behilflich zu sein,
sich mit ihren Angehörigen in Verbindung zu setzen und ihnen dabei
zu helfen, ihre Rückoder Weiterreise zu organisieren”, sagt Cati,
die seit der Gründung der „Chaquetas Azules” dabei ist.
„Wir verschenken allerdings weder Flugtickets noch
Hotelgutscheine”, ergänzt die Projektbeauftragte Juana Mesquida
(55). Man leiste lediglich Hilfestellung. Klar lasse man niemanden
verhungern. Aber die Verpflegung der Menschen sei letztlich nicht
die Aufgabe der „Blaujacken”. Sollte ein Problem nicht in
absehbarer Zeit gelöst werden können, müssten andere soziale
Anlaufstellen, Übernachtungsheime, das Rote Kreuz und die
jeweiligen Konsulate informiert und um Hilfe gebeten werden. So wie
auch die Konsulate bei Flughafenangelegenheiten die „Chaquetas
Azules” um Hilfe bitten, wenn beispielsweise eine gebrechliche
Person vom Check-in bis in die Maschine begleitet werden soll.
Alle Mitarbeiter der „Blaujacken” sprechen mehrere Sprachen.
Deutsch und Englisch ist für jeden der Helfer Pflicht. Aufgrund
ihrer Sprachkenntnisse werden sie auch oft von anderen
Flughafendienststellen, der Guardia Civil oder Fluggesellschaften
als Dolmetscher angefordert.
Meist handelt es sich bei den in Not geratenen Menschen um
Einzelpersonen. Manchmal kommt es aber richtig dick. „Erst vor
Kurzem”, erinnert sich Cati, „war Großalarm. Ein Flug hatte 18
Stunden Verspätung, und wir alle Hände voll zu tun. Die Airline
stellte kein Hotel zur Verfügung. Die Verhältnisse waren
dementsprechend chaotisch.” Wie vielen Deutschen jährlich von den
„Chaquetas Azules” weitergeholfen wird, ist statistisch nicht
erfasst. Laut Cati und Juana seien es aber viele.
Richtig gerne erzählen die Mitarbeiterinnen der „Chaquetas
Azules” nicht über Details ihrer Arbeit und die Personen, mit denen
sie zu tun haben. Dafür respektieren sie die Menschen und deren
Schicksal zu sehr. „Wir wollen nicht, dass sich jemand über das
Unglück anderer lustig macht.” Nur widerwillig lassen sie sich
darauf ein, wenigstens ein bisschen aus dem Nähkästchen zu
plaudern, um ihre Arbeit anschaulicher zu machen.
„An meinen ersten Fall erinnere ich mich noch so, als wäre es
gestern gewesen”, taut Cati dann doch noch auf. „Da stand plötzlich
ein deutscher Mann vor mir, nur mit einem Tanga bekleidet. Alles
andere war ihm gestohlen worden. Nachdem die Rückreise recht
schnell geregelt werden konnte, mussten wir noch Kleidung besorgen.
Aber das Einzige, was wir auftreiben konnten, war der Blaumann
eines Flughafenarbeiters.”
Ein anderer Fall habe die „Chaquetas Azules” gleich drei Tage
lang beschäftigt. „Das war ein Mann, der schon tagelang zu Fuß
unterwegs war, um zum Flughafen zu gelangen. Er hatte keine Schuhe,
und seine Füße waren in einem fürchterlichen Zustand. Es war für
uns sehr zeitaufwendig, alles zu regeln. Schließlich konnten wir
aber einen Rücktransport organisieren. Wir alle waren happy. Dann
wollte jedoch der Flugkapitän den Mann nicht befördern, weil er
barfuß war. Mit seinen geschwollenen Füßen hätte er aber in keinen
Schuh reingepasst. Da kam spontan von einem Mitarbeiter am Gate ein
Angebot, dem sich der Kapitän nicht mehr verschließen konnte:
,Entschuldigung, wenn es Ihnen nichts ausmacht, gebe ich Ihnen
meine Socken. Ich habe erst heute morgen geduscht und die Strümpfe
frisch angezogen.”
„Für viele sind wir oftmals im wahrsten Sinne des Wortes das
Einzige, was sie noch haben”, weiß Juana aus den Berichten ihrer
Mitarbeiter und ihren eigenen Erfahrungen. Dank für ihre Arbeit
erwarten die „Blaujacken” nicht. „Wir wissen, dass die meisten
unsere Hilfe nicht so schnell vergessen werden”, sagt Juana
selbstbewusst. Dass freundliche Gesten natürlich willkommen sind,
daraus macht niemand im Team ein Geheimnis. „Vor allem die in Not
geratenen Deutschen erweisen sich als extrem dankbar. Allerdings
können die aber auch extrem wütend werden.”
„Was sich in den vergangenen sieben Jahren geändert hat?” Cati
grübelt lange. „Der Umgang der Airlines gegenüber ihren Passagieren
hat sich sehr geändert.” Früher seien die Fluggesellschaften viel
kulanter und kooperativer gewesen, wenn es darum ging, jemandem
einen neuen Flug zu geben. Mit der Zunahme der Billigairlines habe
sich das Verhältnis zu den Fluggästen verändert. „Die Airlines
fühlen sich kaum noch verantwortlich.” Aber das könne man bei
29-Euro-Tickets wohl auch nicht mehr verlangen.
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.