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MM: Herr Dr. Wolf Iwand, Sie sind der Leiter des TUI AG Umweltmanagements. Nun werden Sie sicher nicht lediglich darauf achten, dass Energiesparlampen eingeschraubt und Altpapier getrennt entsorgt wird. Was umfasst Ihr Aufgabengebiet konkret, welche Ziele verfolgen Sie?

Wolf M. Iwand: Zunächst muss man verstehen, dass ich bei einem DAX 30-Konzern, einem der größten börsennotierten deutschen Wirtschaftsunternehmen arbeite. Das Produkt einer Aktiengesellschaft ist die Aktie, und Kunde ist der Kapitalmarkt. Hier in der Konzern-Holding hat man nicht allein den Urlauber im Blick, wie es beim Veranstalter TUI Deutschland der Fall ist, sondern darüber hinaus den Finanzmarkt. In meine Verantwortung fällt die Frage: Wie geht ein so großes Unternehmen mit seinen natürlichen Ressourcen um?

Ressourcenmanagement ist Betriebswirtschaft, ist Kostenmanagement. Wir wollen durch „good governance”, gute Unternehmensführung, Verknappung und Verteuerung der natürlichen Ressourcen vermeiden. Das sichert unsere Wettbewerbsfähigkeit, denn als Nummer eins in Europa wollen wir auch in Zukunft die Nummer eins bleiben.

MM: Und der Umweltbereich?
Iwand: Mein Verantwortungsbereich heißt Konzern-Umweltmanagement/Nachhaltige Entwicklung, denn aus dem typisch deutschen Ökobewusstsein hat sich längst das globale Bewusstsein für nachhaltige Entwicklung gebildet. Natürlich kümmere ich mich auch um Energiesparlampen oder Altpapier-Entsorgung bei mehr als 100 Beteiligungsgesellschaften, denn auch das ist Ressourcenmanagement, und damit Teil unserer dauerhaft effizienten Managementprozesse. Es geht immer um die Frage: Wie sichern wir dauerhaft unsere natürlichen Ressourcen? Wie vermeiden wir langfristig ökologische Risiken?

MM: Können Sie eine Maßnahme nennen, die Sie konkret mit angestoßen haben in Sachen Umwelt-Management?
Iwand: Nehmen wir die Hotels in unseren Destinationen. Die Marke Robinson ist seit Langem Vorreiter und hat mindestens den gleichen Wettbewerbsgeist wie der TUI-Konzern: immer besser sein als der Wettbewerb. Der Robinson Club Cala Serena auf Mallorca ist gerade nach der europäischen Öko-Audit-Verordnung EMAS zertifiziert worden. Das belegt: Der Club ist ein Umwelt-Leader. Er ist weiter nach ISO 14001 zertifiziert, er ist ein TUI-Umwelt-Champion und ein TUI-ECO-Resort. Genau das zeichnet den Robinson Club aus, dauerhaft an der Spitze von Umweltstandards zu operieren.

MM: Bringt dieses Engagement konkrete Ergebnisse in Sachen Umweltschutz, oder ist es Imagepflege nach außen zwecks Kundenwerbung?
Iwand: Nehmen Sie als Beleg den wichtigsten Nachhaltigkeitsindex der Welt, den Dow Jones Sustainability Index. Das ist der Börsenindex der weltweit führenden „nachhaltigen” Unternehmen. Dort ist im Bereich Touristik als einziges Unternehmen weltweit nur die TUI gelistet, beispielhaft für gute „nachhaltige” Unternehmensführung und erstklassiges Ressourcen-Management. Dieser Index eröffnet neue Möglichkeiten am Kapitalmarkt für „nachhaltige Investments”: Die Aktie wird nachgefragt, der Kurs steigt, und damit der Börsenwert des Unternehmens. Das ist mehr als Image oder Kundenwerbung, das ist nachhaltige Wertsteigerung.

MM: Wenden wir uns dem Urlauber zu. Kann man in Zeiten des Klimawandels und der Diskussion über den CO2-Ausstoß noch guten Gewissens nach Mallorca fliegen?

Iwand: In deutschen Medien wurde teils propagiert, besser mit dem Zug an die Ostsee oder ins Allgäu reisen. Das ist eine hysterische Debatte, fast schon Gewissensterror, dass man guten Gewissens nicht mehr nach Mallorca fliegen könne. Das finde ich unredlich. Das gute Gewissen, seinen Urlaub auf Mallorca zu verbringen, ist begründet, weil die Insel Mallorca vom Tourismus lebt. Oder: Stellen Sie sich doch nur einmal vor, was wäre, wenn alleine 4'5 Millionen deutsche Mallorca-Besucher nach Sylt oder an die Ostsee fahren würden. Würden wir damit der Natur in Deutschland einen Gefallen tun? Und Mallorca würde wieder erheblich von dem erarbeiteten Wohlstand einbüßen. Die TUI arbeitet seit über 50 Jahren mit unseren mallorquinischen Partnern und Leistungsträgern zusammen, wir stehen in der Verantwortung dieser unverzichtbaren Partnerschaft.

MM: Aber wie bewerten Sie die Möglichkeit, dass Fluggäste quasi per Ablass-Handel ihr schlechtes Öko-Gewissen beruhigen können durch Geldleistungen an eine Organisation wie Atmosfair. Sie wissen, mit den Geldern soll in Entwicklungsländern der CO2-Ausstoß verringert werden. Ist es sinnvoll, so eine Organisation zu unterstützen?

Iwand: Sie haben selbst das Stichwort geliefert: Ablass-Handel! Glauben Sie, dass ein Markenunternehmen wie die TUI sich an Geschäftemacherei wie Ablass-Handel beteiligen sollte?

MM: Vielleicht nicht die TUI, aber der einzelne Reisende, der mit TUI geflogen ist.

Iwand: Wir dürfen nicht den einzelnen Reisenden zum Sündenbock machen. Wir tragen als Produzent für ihn Verantwortung, wenn wir ihm unsere Flugzeuge anbieten. Das schlechte Gewissen dem Urlauber anzuhängen, der sich dagegen nicht wehren kann, weil das ganze Klima–Thema schwer durchschaubar ist, das finde ich noch viel trivialer. An diesem Spiel wird sich die TUI nicht beteiligen. Die Flugemissionen entstehen. Also muss die Problemlösung auch direkt am Flugzeug, am Triebwerk gesucht werden. Der Urlauber kann ein Teil der Problemlösung sein, indem er höhere Flugpreise für Klimaschutzinvestitionen akzeptiert, damit wir tatsächlich die Triebwerke effizienter machen können. Die TUI hat gerade eine Boeing-Order in Milliardenhöhe aufgegeben, nur um weiter emissionseffizienter zu werden. Dort brauchen wir das Geld, und zwar viel Geld, nicht aber, indem wir dem Urlauber ein schlechtes Gewissen machen.

MM: Ist Ihre deutsche Konzern-Airline TUIfly umweltfreundlicher als andere Fluggesellschaften?

Iwand: Wir haben neben TUIfly im Konzern fünf weitere Fluggesellschaften. Sie alle werden auf Öko-Effizienz, sprich Treibstoff– effizienz getrimmt. Der Durchschnittsverbrauch der gesamten Flotte von 120 Flugzeugen liegt aktuell bei 3'1 Liter pro 100 Personenkilometer. Der Wert von Lufthansa liegt bei 4'4.

MM: Wie bewerten Sie die Öko-Situation auf der Insel?
Iwand: Wir hatten mit der letzten Regierung einen Balearen-Umwelt-Pakt unterzeichnet, von dem wir annehmen, dass er wirklich Früchte trug. Trotzdem würde ich einräumen, dass das politische Geschäftsmodell der letzten Regierung stärker auf Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit im ökonomischen Sinne ausgerichtet war – und die Regierung Matas damit auch großen Erfolg hatte. Die Balearen haben wie die TUI den hohen Anspruch von Weltmarktführern. Aber um auch ökologisch Weltspitze zu sein, muss man die Prioritäten zwischen Ökonomie und Ökologie neu setzen. Mit massiven Konsequenzen! So, wie die neue Regierung in Ansätzen ihr touristisches Konsens-Modell skizziert, ist ja kein gravierender Unterschied zum bisherigen PP-Modell auszumachen. Möglicherweise wird aber nun eben deutlich stärker auf die Umweltverträglichkeit, auf die ökologische Balance, geachtet werden. Ganz in unserem Sinne!

MM: Mallorca war mit Kläranlagen spanienweit lange Vorreiter im Umweltschutz
Iwand: Vorbildlich, dem stimme ich zu. Natürlich, Investitionen dafür waren auch das Ergebnis, dass es Spanien so hervorragend gelang, in Brüssel Mittel zur Verfügung gestellt zu bekommen. Die Trinkwasserversorgung ist schon ein anderes Kapitel. Sie konnte nur mit großen eigenen Investitionen über Meerwasser-Entsalzungsanlagen sichergestellt werden. Bei den wirklichen Zukunftsthemen wie Energieeffizienz und Einsatz von erneuerbaren Energien haben die Mallorquiner aber noch deutliche Schwachstellen. Der Energieverbrauch ist in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen. Der Einsatz von alternativen Energien hängt weit zurück. Solange die Energieeffizienz nicht wirklich zielführend massiv verbessert wird, wird Mallorca mit seiner Emissionsbilanz weit zurückbleiben und europäische Zielsetzungen unterlaufen.

MM: Welche Hausaufgaben müssen auf der Insel angepackt werden?
Iwand: Das Gebot der Stunde heißt Energieeffizienz. Das betrifft jeden Hotelier, jeden Haushalt, jedes Büro. Jede Verschwendung von Energie, ob durch PC, Küche, Heizung, Klimaanlage, Transporte muss geprüft werden. Das heißt ganz einfach Energie sparen. Nun ist das dort, wo der Komfort darunter leidet, schwierig. Da müssen erneuerbare Energien kommen, sei es aus Biomasse, Wind oder Sonne. Hier müssen Investitionen getätigt werden. Zweitens würde ich mir wünschen, dass auf Mallorca alle Hotels sich nach ISO 14001 zertifizieren lassen würden. Das sorgt für kontinuierliche Verbesserung. Die Regierung hat genügend gute Angebote gemacht. Das wurde bisher nicht ausreichend wahrgenommen.

MM: Andalusien und die Kanaren sind da deutlich weiter?
Iwand: Ja, aber die Politiker lernen, wie sensibel die Wähler reagieren. Eine bekannte Forderung auf Mallorca lautet: Mehr Grün statt Beton. Das heißt, Mallorca bewegt sich permanent am Limit seiner begrenzten Ressourcen als Insel. Alle Raumordnungspläne sind im Prinzip überdehnt worden. Die Flächennutzung muss mit einer viel größeren Härte kontrolliert werden. Bisher ist der politisch-ökonomische Land– und Flächenverbrauch im Sinne der ökologischen und sozialen Nachhaltigkeit noch zu problematisch.

MM: Sprich, es ist zu viel zu schlecht gebaut worden?!
Iwand:Nein. Es ist zu viel gebaut worden im Verhältnis, dass im Ausgleich zu wenig neue Flächen unter konkreten Naturschutz gestellt wurden. Dabei sind es die unverwechselbaren Natur-Reichtümer, die Mallorca in jedem Katalog ausmachen – nicht die Matratze und nicht der Pool. Es ist die Natur, die Mallorca so einzigartig macht. Den Schutz ihrer „common goods”, wie man im Englischen sagt, die Bewahrung dieser Naturreichtümer, das Land, das Meer, die Biodiversität, der Himmel, das Klima müssen die Politiker noch viel ernster nehmen.

Mit Wolf Iwand sprach
Alexander Sepasgosarian