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Gegen Abend sitzt José gern bei seinem Friseur. Nicht, um sich rasieren oder die Härchen stutzen zu lassen. Er trinkt hier sein Feierabendbier. Schließlich hat man von dort so eine herrliche Aussicht. Ja, auch auf die türkisfarbene Bucht von Sollér gleich vor dem Haus. Aber noch spannender ist es doch zuzusehen, wie Friseur Philippe meisterhaft an den Mähnen der Damen zaubert, die sich auf einen der zwei hundert Jahre alten Frisierstühle direkt vor dem Fenster zum Restaurant geschwungen haben.

Philippes Friseursalon ist ein Kuriosum – aber eines, das im Trend liegt. Nur durch eine große Glasscheibe getrennt, sind hier Tapasbar und Coiffeurstube in derselben Räumlichkeit vereint. „Das Haareschneiden ist wie eine Show. Färben aber mache ich etwas versteckter hinten im Raum, dass sich der Kunde nicht in seiner Privatsphäre gestört fühlt”, erklärt der 49-Jährige.

„Mutiespacios” nennen die Spanier die neue Kombinationslust, bei der sie zwei oder mehr Branchen unter einem Dach vereinen. In Deutschland sind große Buchhandlungen mit integriertem Café bereits gang und gäbe, in Palma gibt es nur eine, die hier nacheifert: Die „Literanta”-Buchhandlung mit integrierter Bar, in die es viele auch nur zum Frühstücken zieht.

Mix-Lokale sind auf der Insel selten – aber langsam werden sie mehr. Auch der vor einem halben Jahr eröffnete Design-Laden „Rialto” in Palma hat eine Bar in seinen Verkaufsraum integriert. „Seit ein paar Tagen haben wir hier sogar ein Mittagsmenü”, sagt Inhaberin Barbara Bergmann, demnächst soll es auch einen Afternoon-Tea geben. Den trinkt der Kunde inmitten einer bunten Mischung aus Mode, Einrichtungsgegenständen, Deko-Artikeln und Kunst. „Hier kann man sich einen Kauf gut überlegen und die Atmosphäre genießen, ohne etwas zu kaufen.” Ein ähnliches Konzept findet sich auch im Deko-Geschäft „Candela” in Felanitx. Besonderheit im „Candela”: Die gesamten Café-Gegenstände sind auch für die eigenen vier Wände zu erwerben – an der Kerze auf dem Tisch baumelt ein Preisschildchen, ebenso am Stuhl, auf dem der Kunde sitzt. „Ich habe viele Stammkunden, die unser Café deswegen wie eine kleine Oase empfinden, wie das Wohnzimmer von Felanitx”, erzählt Inhaberin Heidi Zinnel mit einem Lachen.

Ein Herz für shopping-gestresste-Ehemänner zeigt Paolo Massa mit seinem Geschäft „Wine & Shoes”: Frauen stürzen sich hier auf die italienischen Schuhe aus der kleinen Fabrik seines Vaters in der Nähe von Milano, die Männer sind desweilen an der Theke bestens mit einem Glas der 40 Weinsorten bedient, die Paolo vertreibt.

Aber nicht nur Kulinarisches lässt sich gut kombinieren – es darf auch geistige Nahrung sein. Das dachte sich auch Xavier Abraham, als er in dem Friseursalon „Picornell”, der seit 1928 in Familienbesitz ist, vor 13 Jahren eine Buchhandlung eröffnete. „Es gab nur wenige Büchereien, und schon gar keine mit unserem Schwergebiet”, erzählt er. Sein Laden ist spanienweit für sein ausgesuchtes Sortiment an Poesie und anspruchsvoller Literatur bekannt. Die 15.000 Titel stapeln sich bis zu den Waschbecken, die Rezeption verschwindet unterm Büchermeer. Abraham ist selbst Dichter, hat Bücher und wissenschaftliche Abhandlungen über Literatur veröffentlicht. Was er mit dieser außergewöhnlichen Mischung beabsichtigt? „Es wirkt”, sagt er, „auf alle wie eine Erweiterung des Horizonts.”