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Wer ungern fliegt, weiß, dass es unmittelbar vor dem Aufatmen noch einmal spannend wird. Die Landung. Der Vogel schwebt über der Landebahn, selbst die Ach-so gerne-Flieger sind plötzlich mucksmäuschenstill, allenfalls kreischt ein Baby, das den Druckausgleich in den Ohren noch nicht hinbekommt, und dann setzt die Flugröhre auf der Piste auf - Rumms! - man spürt förmlich, wie der Gummi der Reifen über den Beton schrammt, alles wackelt und vibriert, die Düsen jaulen auf, die Landschaft flitzt am Fenster vorbei, der Pilot - so stellen es sich zumindest Autofahrer vor - tritt gewaltig auf die Bremse, das Flugzeug fängt sich, drosselt den Geschwindigkeitsrausch, und dann ist es, Wunder der Technik, wieder einmal überstanden. "Die Landung ist bei Weitem nicht der aufreibendste Moment für die Flugzeugreifen", lacht David Mottram, Leiter von SR Technics Palma, "das ist eine völlig falsche Vorstellung." Das Unternehmen auf Mallorca wartet jedes Jahr mehr als 6000 Flugzeugreifen von knapp einem Dutzend Airlines. Und das ist noch nicht alles. Die wohl einzige Firma mit Flugzeug-Bauteilen auf der Insel überprüft Flugzeugbremsen und visiert die Vorrichtungen für die aufblasbaren Notfallrutschen.

SR Technics kontrolliert jene Atemmasken, die - so zeugt es jedes Video vor dem Start - im Ernstfall den Passagieren aus der Kabinendecke zufallen würden. Weitere Mitarbeiter des Unternehmens testen zudem die Notfall-Batterie-Aggregate und reparieren bei Bedarf selbst die Umluftöfen für die Bordküchen.

Seit 1995 ist SR Technics auf Mallorca präsent, mit derzeit über 30 Mitarbeitern. Dem Beginn lag eine Kooperation mit der Fluggesellschaft Air Europa zugrunde, danach kamen allmählich alle anderen Airlines mit Hauptsitz in Palma hinzu. Vergangene Woche gab die Schweizer Konzernmutter SR Technics darüber hinaus bekannt, dass ihre Tochterniederlassung auf der Mittelmeerinsel mit der Fluggesellschaft Spanair einen Wartungsvertrag für die gesamte Spanair-Flotte unterzeichnet hat. "Der Dreijahresvertrag umfasst Unterhalt und Reparatur von Rädern und Bremsen sowie die Reifenaufarbeitung für 48 Flugzeuge der Typen Boeing 717, McDonnell Douglas MD82, MD83, MD87 und Airbus A320 und A321." Ihre größte Abnutzung erleiden die Flugzeugreifen nicht bei der Landung, erläutert David Mottram, sondern vor dem Start, beim Fahren auf dem Rollfeld, von der Parkposition zur Startbahn. Denn da ist das Flugzeug am schwersten beladen, mit Passagieren und vollen Treibstofftanks. Das Gewicht der Maschine setzt den Reifen gehörig zu. Nach etwa 250 Landungen - je nach Typ, Maschine, Fracht und Betonuntergrund auf den Airports - muss der Mantel der Reifen erneuert werden.

Aus diesem Grund erinnert die Montagehalle von SR Technics im Gewerbegebiet von Marratxí auf den ersten Blick an eine Autowerkstatt. Nur dass die Reifen enorm groß sind. Das Rad eines Airbus A330 beispielsweise bringt mit Felge und gefülltem Reifen 250 Kilo auf die Waage. Der schwarze Gummimantel muss auch viel mehr Druck aushalten als vergleichsweise ein Autoreifen: Während beim Wagenrad im Schnitt 30 Pfund pro Quadratzoll ("pound per square inch", psi) ausreichen, werden beim Flugzeug um die 200 psi benötigt.

Die SR Technics-Mitarbeiter in Marratxí montieren die abgenutzen Reifen ab, dann wird die gummierte Ware an ihre Hersteller wie Dunlop, Bridgestone, Goodyear oder Michelin verschifft. Je nach Reifenart dürfen sie in den Produktionswerken drei- bis sechsmal aufgearbeitet werden.

In Marratxí werden unterdessen die Felgen auf Risse oder Beschädigungen untersucht. Dazu müssen sie in regelmäßigen Abständen abgebeizt, gründlich überprüft und anschließend neu lackiert werden.

Das andere wichtige Standbein der Firma sind die Flugzeugbremsen. Die Trommeln aus übereinander gestapelten Stahlscheiben wiegen bei den Flugzeugen der Mittelstrecke jeweils bis zu 180 Kilo. Bremstrommeln aus Kohlefasern sind mit 90 Kilo nur etwa halb so schwer, dafür kosten sie mit rund 30.000 Dollar etwa dreimal so viel die Stahltrommeln. Leichtere Bremsen sparen Sprit, beziehungsweise es können mehr Sitzplätze an Bord installiert werden.

Gewöhnliche Mittelstreckenflugzeuge, wie sie in der Regel zwischen Mallorca und Deutschland oder England zum Einsatz kommen, weisen neben den beiden kleineren Rädern am Bug jeweils zwei Paare an Haupträdern im hinteren Rumpfbereich auf. Und jedes dieser vier größeren Räder verfügt über eine eigene Bremse.

Anders als es Hollywoodfilme vermuten lassen, sind die aufblasbaren Notfallrutschen eines Flugzeugs häufig nicht Gelb, Orange oder Rot, sondern in der Regel Grauweiß. Auch diese Geräte sind regelmäßig auf ihre Funktionstüchtigkeit zu überprüfen. "Die Rampe muss innerhalb von vier Sekunden prallgefüllt sein", erläutert ein Mitarbeiter. Und tatsächlich: In nur einem Augenblick entfaltet sich das flach am Boden liegende Kunststoffmaterial - in drei abgestuften "Puffs" - in seiner ganzen Größe. Die Notlampen am Rand leuchten, der Druck stimmt, es gibt keinerlei Lecks, alles bestens.

Dann beginnt wieder das Zusammenlegen. Wer jemals ein Zelt seiner Original-Verpackungen entnommen hat und es nach Benutzung wieder genauso perfekt zusammenlegen möchte, hat eine Vorstellung davon, wie schwierig das ist. Bei einer Rettungsrampe ist das noch viel mehr der Fall. Denn hier gelten höchste Sicherheitsanforderungen: Beim Zusammenfalten darf den Mitarbeitern kein einziger Fehler unterlaufen, denn dann könnte sich die Rutsche nicht korrekt entfalten. "Unsere Mitarbeiter sind sich der hohen Verantwortung stets sehr bewusst", versichert Mottram und klopft auf den prallen Luftsack.

Dann muss das Ding wieder formvollendet in seine winzige Verpackung zurückgefaltet werden. Eine langwierige Sache. Zwei erfahrene Mitarbeiter benötigen dafür gut sechs Stunden.