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Die Meute stürmt los. Auf ein eher unmerkliches Winken des Sicherheitsbeamten preschen Kameramänner und Fotografen nach vorn, reißen die Objektive hoch, wer keine freie Sicht hat, knipst ins Ungewisse. Blitzlichtgewitter. Rund hundert Journalisten drängen, schieben, drücken sich in den Türrahmen des Konferenzraumes, als ginge es um das erste und einzige Bild ihrer Prinzessin. Die scheint derweil das hektische Stimmengewirr nur vier, fünf Meter von ihr entfernt gar nicht wahrzunehmen, sie blickt noch nicht einmal auf. Angeregt plaudernd sitzt sie mit einem knappen Dutzend Politiker und Führungskräften des städtischen Krankenhauses Son Dureta am Tisch. Was gesprochen wird, geht im geschäftigen Lärm und aufgeregten Tuscheln der Presse unter.

"Genug!" - schon nach wenigen Augenblicken schieben drei ihrer Leibwächter die Reporter sanft, aber sehr bestimmt weg vom Eingang. "Ich hab sie noch nicht mal sehen können!", beschwert sich eine junge Frau bei ihrem Kollegen, "mein Gott, was für ein Chaos das hier ist!"

Nicht nur die Kinderabteilung von Son Dureta steht an diesem Morgen kopf. Über dem Hospital kreist donnernd der Polizeihubschrauber, Sicherheitsbeamte sind an allen strategisch wichtigen Punkten verteilt: Die Prinzessin von Asturien besucht für ein paar Stunden Palmas Krankenhaus-clowns - eine ehrenamtliche Truppe Spaßmacher, die seit 1994 mit Schabernack zur Gesundung der kleinen Patienten beitragen und als Pioniere auf diesem Gebiet vor wenigen Tagen mit einem Preis geehrt worden sind.

Ein erwartungsvolles Strahlen liegt auf dem Gesicht von Krankenschwestern und Ärztinnen, aufgeregt wuseln sie durch die Gänge - keine lässt sich heute nehmen, einen Blick auf die Prinzessin werfen zu können. Kichern, Getuschel: "Was sie wohl anhat?", eine Krankenschwester zieht hinter vorgehaltener Hand den Lippenstift nach - schließlich kommt nicht jeden Tag ein Mitglied der Königsfamilie. Auch vielen Haarschöpfen sieht man an, dass sie extra für die royale Stippvisite noch schnell beim Friseur zurechtgeföhnt worden sind. "Wer kümmert sich denn heute um die Kinder?" erkundigt sich eine Journalistin bei einer Ärztin. "Seien Sie unbesorgt, der ganz normale Betrieb geht natürlich weiter wie immer, die sind gut versorgt", versichert sie flötend. Die Patienten derweil blicken ein wenig irritiert: Krankenhausbetten können kaum durch die mit wartenden Menschen verstopften Gänge geschoben werden, die Aufzüge sind überfüllt - "ausgerechnet heute ist auch noch einer ausgefallen", erklärt eine Sprecherin des Krankenhauses leicht entnervt.

In den Reihen der Journalisten ist dagegen mittlerweile eine gelangweilte Duldungsstarre eingetreten. Zuerst hing die Menge eingepfercht in einem schmalen Treppenhaus, nun stehen sie sich in einer Ecke des Spielzimmers auf zusammengerückten Stühlen und Tischen dicht an dicht die Beine in den Bauch. Warten auf Letizia. Doch die lässt sich scheinbar Zeit.

Die Clowns trudeln ein, zaubern mit kecken Späßen ein Lachen auf die Gesichter. Aber auch das friert mit der Zeit ein - genauso, wie einem die Füße einschlafen: eine Dreiviertelstunde in unbequemer Position auf einem Höckerchen, links und rechts zwischen Schultern eingeklemmt, die Kamera des Hintermanns unsanft im Rücken. Wer die Prinzessin sehen will, muss leiden. "Die Prinzessin kommt!" schreit ein Clown und hundert Köpfe drehen sich ruckartig zur Tür. Aber es ist nur eine Clownin, die sich keck grinsend ein Plastikkrönchen aufs Haupt gesetzt hat.

Aber dann kommt sie wirklich - und alle Müdigkeit scheint wie vergessen. Zart und zierlich stöckelt sie in unwahrscheinlich hohen Absätzen den Gang entlang, streicht sich unentwegt kokett durch die dunkelblond gesträhnten Haare. Für jeden der Angestellten scheint sie ein Lachen zu haben, einen Händedruck - ihr Herz aber gehört den kleinen Patienten. Geradezu mütterlich liebevoll beugt sie sich zu einem kleinen Mädchen, das ihr die Hand entgegengestreckt hat, geht tief in die Hocke, um mit der Kleinen auf Augenhöhe sprechen zu können.

Die Journalisten verrenken sich fast die Köpfe, um freie Sicht auf sie zu haben. "Ich sehe überhaupt nichts", jammert eine Reporterin, die es nicht auf einen der Stühle und Tische geschafft hat. Eine Kollegin weiter vorne hilft ihr, fängt an, flüsternd zu kommentieren: "Also, sie trägt sehr hohe blaue Wildlederschuhe mit Lackabsatz und richtig heftigem Plateau - und sie haben vorne goldfarbene Details. Gerade streicht sie ihre Haare hinter das Ohr..." Jedes noch so kleine Detail wird registriert, notiert. Die orientalisch anmutenden Silberohrringe, der Bicolor-Schal mit Fransen und Silberperlen in Hellgrau und Blau. Eine kleine Diskussion entbrennt über die Frage, ob Letizias Strickjacke nun eher mit Dunkel- oder Nachtblau zu beschreiben ist und wie ihre schmal geschnittene Hose, eine Nuance dunkler. Was sie wohl wiegt? "Sie ist eindeutig zu dünn."

Fast zerbrechlich wirkt die Prinzessin. Aber auch sehr gelassen. Sie sieht glücklich aus, tief in sich ruhend. Völlig unbeeindruckt vom Trubel gibt sie sich ganz den kleinen Patienten hin, plaudert gleich mit ihnen drauf los, drückt sanft einen kahlgeschorenen Jungen mit großer Narbe am Kopf an ihre Brust, streicht einem Mädchen über die Haare, einer anderen über die Wangen - die Auslöser klicken. Dann stimmt sie plötzlich aus voller Brust in das Kinderlied mit ein, das die Clowns zum Besten geben. Und wirkt plötzlich wie eine fröhliche Mama beim Kindergeburtstag.

Nach den Gruppenfotos geht alles ganz schnell - ein Händedrücken vor dem Krankenhaus, ein letztes Winken, ladylike schwingt Letizia die schmalen Beine in den dunklen Mercedes, der sie zum Privatjet zurückbringen wird. "Hach, was für ein Tag!", seufzt eine der Ärztinnen sichtlich beseelt. "Was für ein Tag!" jammert eine Journalistin, "seit elf Uhr stehen wir hier - und jetzt ist es gleich drei! Mich schmerzen die Beine!" "Wir dürfen uns nicht beschweren", feixt ihre Kollegin, "hast du die Absätze von Leti gesehen? Der müssen erst die Füße weh tun ..."