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Für die wenigen Meter zwischen Terrasse und Eingang brauchen Santiago und Agustin geschlagene fünf Minuten. An jeden Tisch werden sie von den applaudierenden Gäste gewunken, es ist ein Schulterklopfen, ein Strahlen, ein Lachen, ein großes Hallo. „Ich übertreibe nicht, wenn ich sage, dass wir fast jeden Einzelnen hier auf der Terrasse kennen“, sagt Santiago glücklich, „bei vielen sind wir mit der ganzen Familie bekannt – früher kamen die Großeltern, dann deren Kinder, jetzt ihre Enkel.“ Denn die Bar „Tango“ an der Playa de Palma ist nicht nur eine Institution, sie ist Kult. Mit wenig Schick, aber viel Herzlichkeit. 32 Jahre schon gibt es das Lokal in zweiter Linie, „als wir aufgemacht haben, gab es hier praktisch noch nichts“, erinnert sich Agustin. Vor drei Jahren haben die beiden verschwägerten Gastronomen, der 62-jährige Santiago kommt ursprünglich aus Orense, der 61-jährige Agustin aus Burgos, sich aus dem Tagesgeschäft zurückgezogen, schauen nur noch ab und an vorbei. Geführt wird die Bar jetzt von den langjährigen Angestellten Juan, Jaime und Toni.

Die drei wirbeln mit Aschenbechern, Bierhumpen mit frisch gespresstem Orangensaft und Tortenstücken, die so dick sind, wie andernorts zwei. Dicht an dicht sitzen hier die Gäste in der Sonne, während in anderen Lokalen der Straße gähnende Leere herrscht. „Wir sind fast jeden Tag hier“, verraten Helga und Udo Harms, „und das schon drei Jahre! Man könnte sagen, es ist der Ballermann Sechs für jung gebliebene Ältere, hier trifft man nette Leute – und die Preise sind so, dass man fast noch Geld rausbekommt!“ Agustin muss breit schmunzeln über diesen Scherz, erklärt: „Nun ja, unsere Philosophie war eben immer: Lieber einen guten Preis und dafür auch mehr Kundschaft.“ Die Preise sind seit der Einführung des Euro nicht angehoben worden, bis auf den Kaffee: Der kostete bis vor einem Vierteljahr 90 Cent, jetzt einen Euro. Kaffee und Kuchen liegen bei 2'50 Euro, der Teller Schinken bei drei Euro, das Bier kostet einen Euro. „Hier wird man aufgenommen wie in einer Familie, sowas hat man sonst nirgendwo mehr“, erzählt Johannes Bosch – der 82-Jährige aus Gelsenkirchen kommt extra von der Ostküste her, um seinen Lumumba zu trinken, „der beste der Insel“. An den Wänden baumeln Hunderte deutsche Bierkrüge, prangen Schmuckteller: Mitbringsel von Gästen, für die die „Tango“ so etwas ist wie das zweite Wohnzimmer ist. „Wir könnten ein Buch schreiben über die Jahre“, sagt Santiago, „wie viele Leute wir hier verkuppelt haben, wie viele sich hier kennengelernt, dann immer wiedergekommmen sind oder sogar hier geheiratet haben ...“ Selbst Deutsch haben die Gäste die beiden gelehrt – und auch wie man es zu Karneval richtig krachen lässt: Traditionell steigt hier seit 28 Jahren am 11. November die Karnevalsparty. „Wir haben hier echt die deutsche Mentalität kennen- und lieben gelernt“, sagt Agustin. Vor wenigen Monaten waren sie das erste Mal in Deutschland, in Berlin. Ein Highlight – nicht nur für die beiden, sondern auch für ein paar Tango-Stammkunden. Die kamen über 300 Kilometer gefahren, um mit ihnen auf Tour zu gehen: Und wurden dabei prompt von weiteren Stammgästen entdeckt. „Die Bar „Tango” kennt einfach jeder“, bringt es Uwe Harms auf den Punkt, „hier ist alles vertreten – vom kleinen Mann im Unterhemd bis zum Multimillionär.“