Er ist – im Schnitt – 35 bis 50 Jahre alt, zum
überwiegenden Teil männlich und fast immer mit Laptop bewaffnet:
der Pendler. Deutsche Vertreter dieser ganz speziellen „Spezies”
sind vielfach auf den Fluglinien zwischen Palma de Mallorca und
Hamburg, München oder Frankfurt anzutreffen. Sie füllen eine Art
„soziale Nische” und erkennen einander, wie Insider augenzwinkernd
zugeben, nicht nur an Ausstattungskriterien wie Laptop oder
MP3-Player am Ohr. Auch sehr typische Verhaltensmerkmale sind ihnen
eigen: So steigen sie als Letzte ein, um als Erste wieder
aussteigen zu können, „und einer will immer der Allerletzte sein”,
wie ein langjähriger Pendler zu berichten weiß. Mit dem sollte man
sich nicht anlegen: Aussitzen kann teuer werden, irgendwann ist der
Flieger weg.
Und die gute Laune auch – zumindest bei den Pendlern, die das
Vielflieger-Dasein zwischen Familie und Beruf einige Jahre
mitgemacht haben. Anfangs finden es die meisten zumindest
abwechslungsreich, und von Langeweile kann nun auch wirklich nicht
die Rede sein. Schon aus dem Grunde, weil Pendler besonders findig
und kreativ in der Reiseplanung und -organisation sind: Vom
optimalen Sitz- und Parkplatz bis hin zum Sicherheits-Check im
Schnellverfahren ist alles perfekt arrangiert: Der Pendler weiß,
wie er so geschmeidig wie möglich ans Ziel kommt.
Flexibilität und Schnelligkeit nicht nur im Kopf, auch
körperliche Belastbarkeit zeichnet Pendler aus – vielleicht macht's
ja auch die Disziplin. Denn: So ein Leben, oft gegen den
Biorhythmus, setzt Fitness voraus. Wer regelmäßig spätabends oder
frühmorgens fliegt, und das 40- bis 45-mal im Jahr, hat nicht nur
Konsequenz, sondern auch ein klares Ziel vor Augen. „Alles
Einstellungssache”, sagt ein Palma-München-Pendler. „Andere setzen
sich ins Auto, ich steige eben in den Flieger.” Auch wenn Mobilität
in der Berufswelt inzwischen zur conditio sine qua non geworden
ist: Es muss sich lohnen, da sind sich Pendler einig. Optimale
Karriere-Bedingungen, durchdachte Familienplanung und -organisation
sowie eine hohe Lebensqualität: Für solche Perspektiven und Ziele
nehmen auch Mallorca-Residenten das Pendeln gern in Kauf.
Die regelmäßige, tagelange Trennung von der Familie ist der
Preis, den es zu zahlen gilt – es sei denn, man nimmt die
Vielfliegerei nicht aus rein beruflichen Gründen auf sich. Unter
den Mallorca-Pendlern, die in Deutschland arbeiten und „nur zum
Relaxen” auf die Insel kommen – und sei es bis zu 45-mal pro Jahr
–, herrscht naturgemäß auch eine „relaxtere” Einstellung zum
Vielfliegen: Schlange stehen „gehört dazu”, man hat's schließlich
nicht eilig. Trotzdem: Rechnen können sie alle, die Pendler: „Unter
vier Stunden von Tür zu Tür” gilt als Rekord. Und in diesen vier
Stunden muss man mit allem rechnen.
MM präsentiert vier Penderl-Beispiele:
Nach fünf Jahren Pendeln zwischen Calvià und Frankfurt ist er
froh, Sonntagabend bei der Familie zu sein: Lars Höhne
Fünf Jahre ist er zwischen Frankfurt und Palma gependelt: „2008
reichte es mir”, sagt Lars Höhne, der mit seiner Frau und den
beiden Töchtern in Calvià lebt. Schon in jungen Jahren wusste der
Architekt, dass er irgendwann im Süden leben würde. Er studierte
auch in Barcelona, wo er seine Ehefrau Anna kennenlernte. Seine
Schwester, Astrid Prinzessin zu Stolberg-Wernigerode, lebte bereits
auf Mallorca, und nach einigen Besuchen hier war klar: „Die Insel
ist's.” Um das florierende Architekten-Büro in Eschborn von hier
aus weiter zu führen, begann sein Pendlerleben zwischen Hausbau,
Business und Familie – und anfangs war es auch „ganz toll”,
berichtet Lars Höhne. Von „Bluemiles” bis „Top Bonus” reichte die
Palette der Vielflieger-Cards, die ihm das Reisen erleichterte –
40- bis 45-mal pro Jahr.
Im Nachhinein nervte irgendwann vor allem „die Zeit, die dabei
draufgeht”: „Reisen ist unwägbar. Man steht in Schlangen, muss
Verspätungen einkalkulieren, weil Urlauber unpünktlich oder
Tragflächen vereist sind.” Selbst bei perfektestem Timing, so hat
er ausgerechnet: „Pro Woche ist ein ganzer Arbeitstag weg.” Und:
Pendler leben gegen die Uhr. „Kommt man Sonntagnachts um zwei an,
kann man nicht gleich schlafen gehen – auch wenn man Montag um 9
Uhr einen Termin hat.” Umgekehrt habe er „Donnerstag oft gleich
durchgearbeitet”, bevor er um 23 Uhr die Tasche gepackt hat.
Auch wenn er alle Tricks bis zum schnellstmöglichen
„Security-Check” kannte und „manche Projekte komplett im Flugzeug
bearbeitet” hat: Die Flieger wurden voller, die Vergünstigungen
weniger. Heute ist Lars Höhne froh, wenn die Familie sonntags beim
Abendessen sitzt und eine seiner „Frauen” sagt: „Toll, dass du
nicht los musst.”
James Arnold fliegt jeden Freitag nach München: „Andere
setzen sich ins Auto”
Alles Einstellungssache, findet James Arnold. Der Area-Director
der Golfplätze des Arabella Golf & Spa Resorts Mallorca pendelt
seit Juni 2008 zwischen Palma und München, wo seine Familie lebt:
„Wir haben zwei kleine Kinder, da ist es schön, wenn die Großeltern
in der Nähe sind.” Vorher ist er schon anderthalb Jahre zwischen
Hamburg und München gependelt, keine große Sache, findet er: „So
wie andere sich morgens ins Auto setzen, setze ich mich eben in den
Flieger.” Dass er seine Familie nicht jeden Tag sehen kann, sei
natürlich ein Nachteil, aber: „Darüber denke ich nicht nach. Ich
freue mich aufs Wiedersehen.” Wenn er im Sommer montags den ersten
Flieger um sechs Uhr in München nimmt, steht er um vier auf,
Freitagabend geht es um 20.20 Uhr Richtung Alemania – am liebsten
mit Air Berlin: „Da fühle ich mich gut aufgehoben.” Wie alle
Pendler ist auch der gebürtige Brite ein Insider der
Vielflieger-Szene: „Man kennt die Abläufe.” Sitzt wie die anderen
in einer der ersten drei Reihen – „Als Letzte rein, als Erste raus”
–, der Sitz ist immer am Gang: „Mit meinen 1'93 Meter habe ich
manchmal schon einige Platzprobleme.” Da hilft es, dass einem das
Bordpersonal nach einiger Zeit vertraut ist – wie auch die
Gesichter einiger der anderen Pendler. Viel geredet werde
allerdings nicht zu dieser Zeit, dazu habe man weder um sechs Uhr
morgens („zu früh”) noch Freitagabend nach einer langen
Arbeitswoche allzu viel Lust: „Zu spät.” Der Dauerparkplatz ist
selbstverständlich, das Web-Check-in habe bis zur kostenlosen
Platzreservierung vieles einfacher gemacht. Allzu ruhig dürfe man
sich die Atmosphäre im Frühflieger morgens um sechs allerdings
nicht vorstellen: „Der Preis ist günstig, das nutzen auch viele
Insel-Urlauber, die um neun am Strand sein wollen.”
Viel stiller ist der 20.20 Uhr-Flug am Freitagabend häufig auch
nicht, aber da freut James Arnold sich schon: auf seine Frau,
Freddy (19 Monate) und Lucy (vier Monate). Und sowieso: alles
Einstellungssache.
Rechtsanwalt Rafael Barber-Llorente:
Palma-Hamburg-Zürich-Frankfurt
Er ist gerade heute morgen aus Hamburg gekommen und fliegt an
diesem Abend zurück: Das Pendeln gehört zu seinem Leben, spätestens
seit Rafael Barber-Llorente Ende der 1980er Jahre seine Zulassung
als Anwalt auch in Spanien bekam. Studiert hat der gebürtige
Mallorquiner in Hamburg, wo heute auch seine Familie lebt und die
internationale Anwaltskanzlei, für die er tätig ist, ihren
Hauptsitz hat. In den deutschen Schulferien – der 58-Jährige ist
Vater von vier Töchtern – wird das Privatleben nach Mallorca
verlegt, erzählt Rafael Barber-Llorente: „Dann versuche ich, hier
abends zu Hause zu sein.” An das bewegte Leben habe er sich
gewöhnt, als Fachmann unter anderem für internationale
Immobilien-Transaktionen ist er fast genauso oft in Zürich oder
Frankfurt: „Das gehört dazu. Das machen inzwischen ja auch sehr
viele Menschen.” Im Privatdomizil auf der Insel, dem Familiensitz
in Pollença, ist Rafael Barber-Llorente natürlich deutlich seltener
als in seinem Büro nahe dem Paseo del Borne in Palma. Trotzdem:
„Wenn man reist, wächst der Schreibtisch hinter einem”, lacht
er.
Deshalb sind Professionalität und Disziplin für einen
reibungslosen Arbeitsablauf unabdingbar. Um „ein großes Pensum in
kurzer Zeit zu bewältigen”, bedürfe es der Erfahrung sowie einer
perfekten arbeitstechnischen Organisation: „Und sehr gute
Mitarbeiter, um delegieren zukönnen.”
Fit muss man zudem sein. Wenn er nicht gerade um sechs Uhr
fliegt, joggt Rafael Barber-Llorente oft zu dieser frühen Stunde,
auch die „Überlebensstrategie Fünf-Minuten-Schlaf” hat er sich
angeeignet. Und eine heimliche Vision: „Ich träume davon, 14 Tage
hintereinander an einem einzigen Schreibtisch zu sitzen.”
Wuppertal ist nicht Canyamel: Hans Gerd Krieger pendelt seit
30 Jahren
Rund 30- bis 40-mal pro Jahr, schätzt er, sitzt er im Flieger
von Düsseldorf nach Palma und umgekehrt. Seit rund 30 Jahren
pendelt Hans Gerd Krieger zwischen Wuppertal und Mallorca. Als der
leidenschaftliche Hobby-Handwerker Ende der 80er Jahre anfing, sein
„Traumhaus” in Can-yamel komplett nach eigenen Vorstellungen zu
bauen – „Ich habe jede Fliese selbst gelegt” – pendelte er statt in
Anzug, Schlips und Kragen auch gerne mal im „Blaumann mit dem
Zollstock in der Seitentasche”, wie er lachend gesteht. „Das war
mir ganz egal – ich wollte eben keine Zeit verlieren.”
Von Installation bis Elektrizität machte er, teils mit
fachkundiger Verstärkung von Freunden, so gut wie alles selbst und
opferte dafür gern die gesamte Freizeit: „Ich habe drei Jahre das
Meer nicht gesehen.”
Das holt er heute nach, und zwar reichlich. Mit seiner Frau
Gabriele und Familie reist der Versicherungsfachmann ein- bis
zweimal im Monat, meistens Freitagabend bis Sonntagabend aus
Wuppertal an, um auf der Insel zu relaxen. „Das war schon als
junger Mensch mein Traum: Aufwachen und aufs Meer gucken.” Der
Flughafen Düsseldorf ist 20 Auto-Minuten entfernt, von „Tür zu
Tür”, schwärmt der 56-Jährige, brauche er gerade mal vier Stunden:
„So schnell bin ich mit dem Auto weder in Hamburg noch in
München.”
In der Hochsaison werden es auch mal sechs Stunden, „wenn die
Touristen einen im Tee haben und das Flugzeug auf sie warten muss”.
Doch davon lässt sich der Inselliebhaber nicht die Laune vermiesen:
„Das kalkuliert man ein. Die Leute wollen schließlich auch ihren
Spaß haben.” So richtig „Spaß” mache das Schlangestehen im heißen
Sommer natürlich nicht, eigentlich müsste es eine Airline nur für
Pendler geben, sinniert er weiter: „Ich glaube, das würde sich
richtig rechnen.”
Mallorca betrachten er und seine Familie nicht als Urlaubsziel,
sondern als „unser Zuhause”: „Man steht dazu oder nicht. Wir lieben
die Insel bei jeder Jahreszeit, auch bei Regen. Dann bekommen die
Pflanzen im Garten wenigstens mal Wasser.” Länger als drei Wochen
bleibt er der Insel nie fern und empfindet es als „höchste
Lebensqualität, sich bei einem Regenloch in Wuppertal spontan um
sechs Uhr morgens in den Flieger zu setzen und um zehn im
Mittelmeer zu schwimmen”. In gut drei Jahren geht er in Rente. Für
diese Zeit hat Hans Gerd Krieger schon eine weitere Vision:
„Mallorca zwei Monate am Stück – darauf freue ich mich jetzt
schon.”
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