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Mallorca – Auch bei Toni' (*Name von der Red. geändert) bleibt es beim Vornamen, Anonymität gehört eben zu den obersten Geboten bei den „AA”. Auch wenn er heute vor allem Helfer und Ansprechpartner bei der Gemeinschaft ist, um „etwas zurückzugeben für alles, was ich bekommen habe”. Seit vier Jahren ist der Deutsche, der seit über 40 Jahren auf Mallorca lebt, „trocken”. Damals, vorher war er in der Touristikbranche tätig gewesen, war er ganz unten, sagt er: „Ich hatte alles verloren – meine Familie, meine Arbeit, meine Freunde.”

Als „sozialer Trinker” habe er angefangen, bis sein Arzt ihm gesagt habe, wenn er so weitermache, könne er sich „schon mal die Blumen aussuchen”. Seine Familie hatte ihm schon zuvor den Rücken gekehrt, und damals, so krank sei er gewesen, „war ich noch froh, jetzt endlich in Ruhe saufen zu können”. Dann kamen Phasen des Kampfes – und der Selbstlügen: „Ich schaff' das, ich hab' das im Griff.” Bis endlich die einzig heilbringende Erkenntnis für ihn kam: „Sich einzugestehen, dass man krank ist.”

Und: „Den ernsthaften Wunsch haben, mit dem Trinken aufzuhören”. Das, sagt der 67-Jährige, sei auch die einzige Voraussetzung für eine AA-Zugehörigkeit. Alkoholprobleme, so seine Beobachtung, seien auf Mallorca und Deutschland gleichermaßen verbreitet, Zeiten der „Krise” wie jetzt hätten kaum Einfluss auf ihre Verbreitung (nach aktuellen Schätzungen gibt es 2'5 Millionen alkoholabhängige Menschen in Deutschland, darunter 30 Prozent Frauen). Tonis Beobachtungen auf Mallorca: Die Sucht gehe durch alle sozialen Schichten sowie Altersstufen, betreffe beide Geschlechter gleichermaßen. Nur: „Männer trinken an der Bar, Frauen eher allein zu Hause.”

Auch auf der Insel gibt es schon seit einigen Jahren zweimal in der Woche deutschsprachige Treffen (siehe Kasten oben). Oft sei ein „traumatisches” Erlebnis der Grund für Erstteilnehmer, Totalausfälle des Gedächtnisses etwa, „Lagunen” genannt: „Wo habe ich mein Auto gelassen? Wie bin ich nach Hause gekommen? Was habe ich womöglich sonst noch getan?” Der weitere Erfolg hänge vorrangig mit der eigenen Krankheitseinsicht zusammen: „Wir sind machtlos gegen diese Krankheit”, sagt Toni. Wer sich zu dieser Wahrheit durchringe, habe den ersten Schritt in die Gesundheit, zurück ins Leben gemacht. Und auch wenn es keinerlei religiöse Bindungen bei den AA gebe: „Wir glauben an eine höhere Macht als uns selbst, die uns hilft.”

Er selbst, sagt Toni, habe vor vier Jahren eine „Neugeburt” erlebt. Vor allem sei er dankbar, dass nichts von dem, was ihm wirklich etwas bedeute, irreversibel verloren gegangen sei, und „dass ich die Chance habe, ein wenig wieder gutzumachen und zurückzugeben, was mir geschenkt wurde”. Sein größtes Glück heute sei „die Liebe meiner Familie und das Lächeln meiner Enkelkinder”.

Für seine ehrenamtliche Mitarbeit wie den wechselnden Telefondienst rund um die Uhr nimmt er sich als Rentner heute viel Zeit. Dieser Preis, sagt er mit einem Lächeln, sei sehr klein, „um die alten Schulden zu bezahlen”.

Die Gespräche, erklärt Toni, funktionieren genau wie damals die Unterhaltung zwischen den AA-Gründern „Bill” und „Bob” (siehe „Stichwort”). Da rufe etwa jemand an und sagt: „Ich bin AA - und ich habe Durst”: „Dann fangen wir an zu reden, und der Durst ist weg.”