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Das angepeilte Ziel heißt "el sur de Cabrera". Nach rund 40 Seemeilen (74 km) hofft Fischer Gori Fuentes, der "Patrón de pesca", dort auf das Objekt seiner Begierde zu stoßen: "la Gamba roja". Viele seiner Berufskollegen versuchen ihr Glück heute vor der Küste von Sóller, aber Gori ist mit seinem "Arrastrero" (Schleppnetzboot) und den beiden Helfern Toni und Jesús lieber allein vor Ort: "Um acht werfen wir das Netz aus."

Bis dahin sind es noch lange drei Stunden. Es ist stockfinster, und während Toni im Führerhaus der "Es Llevant" das Kommando übernimmt, legt sich Gori unten aufs Ohr. Gleich nebenan ist der Maschinenraum, laute Motorengeräusche dringen durch die dicke Isolationstür bis zu den Kojen, doch die scheinen den "Patrón" nicht zu stören. Fischer sind nicht zimperlich. Gegen 7.30 Uhr, seit einer halben Stunde ist es hell, erscheint er mit nassem Gesicht, das er kurz unter den Wasserhahn gehalten hat, wieder oben und reibt sich die Hände: "Kann losgehen!" Einen kleinen Dämpfer erhält sein Tatendrang, als er durch ein kurzes Funkgespräch mit der Lonja in Palma den heute zu erwartenden Verkaufspreis für rote Gambas erfährt. "35 bis 37 Euro pro Kilo," sagt er und zieht eine Grimasse: "Muy malo." 50 Euro aufwärts wären ein guter Preis. Was hilft's? "Wenn wir mindestens 50 Kilo Meeresfrüchte fangen, ist der Tag gerettet."

Jetzt kommt Bewegung aufs Boot: Das 90 Meter lange und knapp 30 Meter breite Netz wird mittels einer großen hydraulischen Walze zu Wasser gelassen. In rasanter Geschwindigkeit spulen erst 370 Meter Taue, danach noch einmal 1600 Meter Stahlseil ab und befördern das gigantische, trichterförmige Netz ins Meer. 35 Minuten dauert die lautstarke Prozedur. Danach kehrt wieder Ruhe ein an Bord: In den nächsten fünfeinhalb Stunden, in denen sich das Boot mit rund elf Knoten weiterbewegt, wird in knapp 700 Meter Tiefe, anderhalb Meter über dem Meeresgrund, gefischt. "Das ist das Reich der Roten Gambas," weiß Gori.

Und ein sehr sensibles Reich dazu: Gerade die Grundschleppnetzfischerei ist bei Umweltorganisationen umstritten, weil sie die Tiefseeorganismen, etwa die Fauna der Seamounts (Unterwasserberge) gefährden kann. Gori ist die Kritik bekannt, wie auch der Vorwurf der Überfischung ("Sobrepesca") des Mittelmeeres. Beide Gefahren seien nicht von der Hand zu weisen, deshalb verweist der "Patrón de pesca", der schon seit 37 Jahren im Geschäft ist - auch sein Vater und Großvater waren Fischer - auf die zunehmend streng kontrollierten Fangpraktiken, die den Alltag der Fischer in Zeiten der Krise nicht gerade einfacher machten: "Die Arbeitsbedingungen werden komplizierter."

So verhängte das balearische Fischereiministerium 2008 rund 270 Strafen wegen Verstößen gegen bestehende Gesetze wie Fischen an Tagen, an denen es nicht erlaubt ist (generell Samstag und Sonntag), wegen fehlender Lizenzen oder des Fangs von Exemplaren, die unter Artenschutz stehen (aufgelistet sind knapp 30 Arten). 60.000 Hektar des balearischen Gewässers gelten insgesamt als "Espacio marino protegido" (Schutzzone). Von Oktober bis Mai, berichtet Gori, werde nur an vier Wochentagen gearbeitet: "Un mal tiempo para la pesca." Umso wichtiger sind die letzten Fänge dieser Saison.

Der Augenblick der Wahrheit ist gekommen: Nach fünfeinhalb Stunden wird das Netz eingeholt. Wieder das lautstarke 25-minütige Prozedere an der Walze, dann die erste Überraschung, als das Netz sich öffnet: Ein nicht gerade kleiner, noch zuckender Hai, mit ihm gleich weitere kleinere "Tiburones". Daneben ein ganzes Konglomerat an Meeresgetier: "Cigalas" (Kaisergranat) und "Cangrejo" (Krebse), "Raya" (Rochen), "Pulpo" (Krake), "Lubina" (Wolfsbarsch) "Congrio" (Meeraal) und vor allem die begehrten "Gambas rojas" in unterschiedlichen Größen. Gori strahlt, seine erhoffte Fangmenge ist ins Netz gegangen, schätzt er mit Expertenblick: "50 Kilo Meeresfrüchte."

Während die "Es Llevant" nun wieder mit Tempo auf die mallorquinischen Küste zusteuert, bekommt der Fang eine großzügige Ladung Eis verpasst, damit er bis zur Ankunft in Palmas Hafen frisch bleibt. Dann geht es an die Reinigungs- und Sortierarbeit: Der wichtigste Anteil, die "Gamba roja", landet je nach Größe (und damit Preis), in vier bis fünf verschiedenen Kunststoffboxen, auch der restliche Fang wird routiniert aufgeteilt. Was zu klein, nicht essbar oder nicht zu verkaufen ist, landet, meist tot, sofort wieder im Meer, über dem ein wachsender Möwenschwarm jeden Wurf mit großem Geschrei begrüßt.

Die hohe Beifangrate ist ein weiterer Kritikpunkt bei der Schleppnetzfischerei, weshalb auch Gori die Bemühungen bei der Entwicklung spezieller Fangnetze begrüßt (der WWF vergab gerade den diesjährigen Preis im Internationalen Wettbewerb "Schlaue Netze" für innovative Fischereimethoden, die Umweltschäden und Beifang reduzieren).

Rund 700 bis 800 Euro, sagt Gori, kostet so ein Tag auf dem Meer, inklusive Treibstoff- und Personalkosten. Und langsam neigt sich einer dieser mehr als zwölfstündigen Arbeitstage seinem Ende zu. Am Kai steht ein Karren bereit, auf den noch alle Boxen gehievt und dann mit vereinten Kräften zum Abwiegen in die große Halle der "Lonja" geschoben werden. Dennoch: Es war ein guter Tag, findet Gori. Denn: Der Verdienst hängt einzig vom Fang ab, und es ist nicht nur einmal vorgekommen, dass er Palma mit leeren Netzen ansteuern musste.

Als Fischer, sagt Gori, hört er in einer ruhigen Minute auf die "innere Stimme", wenn es darum geht, die richtigen Fanggründe anzupeilen. Morgen früh um fünf, das spürt er, geht es wieder dahin: "Al sur de Cabrera."