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Er ist mit dem Kopf gegen die Wand geprallt. Als ich mich um ihn kümmerte, war er ansprechbar”, erzählt die bei Algaida lebende Engländerin Pauline Fenton. Die gelernte Krankenschwester leistete am Mittwoch vergangener Woche Erste Hilfe nach einem schweren Radunfall in Algaida. Als sie den stark am Kopf blutenden Sportler versorgte, ahnte die Britin nicht, dass der Fall für Schlagzeilen in den deutschen Medien sorgen würde.

Denn es handelte sich bei dem Opfer nicht um einen Freizeitradler, sondern um einen bekannten Radprofi: Matthias Kessler, der im Jahr 2006 eine Etappe der Tour de France gewinnen konnte. Kessler fuhr unter anderem für Telekom und Astana, war zuletzt aber ohne Vertrag. Im Juli vergangenen Jahres endete seine zweijährige Dopingsperre. Dieses Jahr wollte er einen Neustart der Karriere in Angriff nehmen.

Als der Unfall geschah, war Kessler nicht alleine. Er trainierte unter anderem mit seinem ehemaligen Teamkollegen Andreas Klöden. Offenbar wollte Kessler in Algaida einer Katze ausweichen und kam deswegen zu Fall. Er wurde mit Schädelbruch auf die Intensivstation der Klinik Son Dureta gebracht. Zunächst war von Lebensgefahr die Rede, dann sprachen die Ärzte nur noch von einem „kritischen Zustand”. Tage nach dem Unfall lag der 30-Jährige weiterhin im künstlichen Koma. Ob der gebürtige Nürnberger seine Karriere fortsetzen kann, ist ebenso unklar wie die Frage, ob er Folgeschäden davontragen wird.

Die Welt des Radsports ist geschockt. Außerdem kocht ein altes Thema wieder hoch: Matthias Kessler fuhr ohne Helm, der die Schwere seiner Verletzungen wohl gemildert hätte. Gerade die Berufsradfahrer verzichten beim Training immer noch oft auf den Schutz.

„Ja, man sieht immer noch einige unverbesserliche Profis ohne Helm”, bestätigt TV-Radsportexperte Marcel Wüst, der früher selber ein erfolgreicher Fahrer war. „Es gibt keinen vernünftigen Grund, den Helm wegzulassen, keine Entschuldigung.” Wüst, der Radcamps in Cala Murada organisiert, hat seine Karriere nach einem schweren Sturz in einem Rennen beenden müssen. Er weiß: „Wenn ich damals keinen Helm aufgehabt hätte, wäre ich tot.”

Der internationale Radsportverband UCI hat im Mai 2003 die Helmpflicht für Radprofi angeordnet. Das gilt allerdings nur für Rennen. Ausnahmen, etwa bei Bergankünften, werden extra angezeigt. Anlass für die Helmpflicht seitens der UCI war der tödliche Sturz des Kasachen Andrej Kiwilew bei dem Rennen Paris – Nizza im März 2003. Was die Profis jedoch im Training machen, bleibt ihnen überlassen. Viele glauben, da keine Wettkampfsituation besteht, ist die Gefahr geringer.

„Auch bei langsamerem Tempo kann etwas passieren. Ich bin früher ebenfalls ohne Helm gefahren. Seit mein Bruder aber vor vier Jahren einen schweren Unfall gehabt hat, mache ich das nicht mehr”, meint Hanka Kupfernagel, amtierende Weltmeisterin im Radcross. „Vor ein paar Wochen habe ich wieder auf Mallorca trainiert, in der Gruppe waren auch einige nur mit Mütze unterwegs. Ich meine, jeder ist für sich selbst verantwortlich. Aber gerade Profis haben eine Vorbildfunktion, das unterschätzen viele”, so Kupfernagel, die seit 1995 ihren Lebensunterhalt mit dem Radsport verdient und im Jahr 2000 bei den Olympischen Spielen von Sydney Straßen-Silber holte.

Dass Hanka Kupfernagel ihre Sorglosigkeit ablegte und sich für den Helm entschied, liegt im Trend. „Immer mehr Profis fahren mit Helm, auch im Training”, hat zum Beispiel Stephan Flock beobachtet, der als Journalist seit Jahren im Radsport arbeitet und unter anderem Pressesprecher des Milram-Teams ist.

Ex-Profi Marcel Wüst bringt es auf den Punkt: „Der Schlaue ist derjenige, der aus den Fehlern der anderen lernt. Jetzt sollten die Leute ihre Schlüsse aus dem Unfall von Matthias Kessler ziehen. Denn eines wurde wieder deutlich: Es kann jeden erwischen.”