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„Der Mensch braucht Stunden, wo er sich sammelt und in sich hineinlebt”: Dieses Zitat von Albert Schweitzer gefällt Tine Esch, Inhaberin der Agentur „Klosterreisen” in Hannover, besonders gut. Bringt es doch das Lebensgefühl ihrer Kunden klar auf den Punkt.

Die studierte Touristikerin, die 2003 ihre Diplomarbeit mit dem Titel „Zu Gast in christlichen Klöstern” überschrieb, bevor sie sich 2006 mit ihrer Agentur selbstständig machte, bemerkt seit Jahren ein deutlich wachsendes Interesse am „spirituellen Tourismus”: „Der moderne Mensch will nicht nur Sonne und Strand, sondern strebt zunehmend auch nach Ruhe, Sinn- und Selbstfindung.” Auch vier Mallorca-Klöster hat die Jungunternehmerin neben Nepal, Italien oder Sri Lanka im Programm: „Die werden zumeist zu zweit gebucht, denn der persönliche Anschluss an das geistliche Leben ist in touristisch orientierten Klöstern wie Lluc kaum noch gegeben.”

Trotzdem: Auch hier erwarte den ruhesuchenden Besucher nicht nur eine „besondere Unterkunft in einem besonderen Urlaub”, findet Tine Esch: „Spätestens abends, wenn die Tagesausflügler weg sind, ist das Klosterambiente deutlich spürbar.” Auf Mallorca käme noch die bevorzugte Lage aller Klöster auf den Inselbergen hinzu: „Das sind ganz besondere Kraftorte.”

Davon konnte sich die deutsche Yoga-Gruppe, die gerade für eine Seminarwoche im Kloster Sant Honorat auf dem Berg Randa wohnt, bereits vor zwei Jahren überzeugen: „Deshalb sind wir jetzt auch wiedergekommen”, sagt Teilnehmerin Lydia Ruf. Da Sant Honorat bislang für Einzeltouristen geschlossen ist, erleben Besucher hier noch eine abgeschiedene Ursprünglichkeit, die touristischer geprägten Klöstern wie Lluc oder Cura inzwischen abhanden gekommen ist.

Die beiden hier lebenden Mönche Daniel und Juan sind im Alltag präsent, machen den Kamin an, decken den Tisch, halten auch mal einen Plausch – vorausgesetzt, man spricht Spanisch.

Die Zimmer mit wunderschönem Blick auf den Klosterhof und die dahinterliegende prächtige Naturlandschaft sind einfach, in noch frischen Märznächten ist man für die Heizung und Extra-Wolldecke dankbar. „Wann geht die Sonne auf, Maria?” fragt eine Seminarteilnehmerin die Betreuerin Maria Bischet, die hier in Sant Honorat schon seit einigen Jahren als ehrenamtliche Helferin tätig ist.

„Um 7.28 Uhr”, lautet die präzise Antwort. Und wer am nächsten Morgen zu früher und frostiger Stunde – das Thermometer zeigt gerade mal zwei Grad – warm eingepackt und mit dickem Kissen auf der alten Steinbank an der Felswand sitzt, um auf den Sonnenaufgang zu warten, erlebt tatsächlich: Die Sonne hält sich daran.

Majestätisch erhebt sie sich rotleuchtend gen Himmel, nachdem sie zuvor die ganze Berglandschaft hier oben in ein kaum noch real erscheinendes rosa Licht getaucht hat. Sobald die Sonne ganz da ist, beginnt von der grünen Weite unter uns ein Konzert aus Tierstimmen, das laut über die Ebene schallt: Auf nicht enden wollende Hahnenschreie – als hätten sie Angst, auch nur irgendjemand könne dieses Naturschauspiel verpassen – folgen Esel, Schafe, Hunde, dazwischen Glockengeläut und Kuckucksrufe.

Auch alles menschliche Treiben und Streben „da unten” kommt einem von hier wie „Ameisen-Hektik” vor. Und endlich weiß man auch, warum Klöster immer so weit weg vom irdischen Alltag liegen – und so nah am Himmel.

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