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Die Qualität der ärztlichen Behandlung im staatlichen spanischen Gesundheitswesen ist gut. Da gibt es keine zwei Meinungen. Sowohl die Ausbildung des Personals als auch die Ausstattung der Krankenhäuser und Gesundheitszentren entsprechen internationalen Standards – das heruntergekommene und nicht mehr zeitgemäße Son Dureta gehört bald ebenfalls der Geschichte an. Es ist kein Zufall, dass bei komplizierten Eingriffen und aufwendigen Behandlungen noch immer die staatlichen Kliniken die Standards setzen, nicht die privaten. Wenn deutsche Residenten das hiesige staatliche Gesundheitswesen meiden, dann liegt das an Vorurteilen gegenüber der ärztlichen Behandlung, die längst nicht mehr der Realität entsprechen – oder an der Sprachbarriere.

Aber es läuft bei Weitem nicht alles reibungslos: Denn es gibt weitere Kriterien für Qualität, bei denen das spanische Gesundheitswesen längst nicht so gut abschneidet. Im jährlich präsentierten Euro Health Consumer Index sinkt Spanien immer weiter ab und liegt mittlerweile nur noch auf Rang 22 – von 33 untersuchten Staaten. Bei dem Ranking geht es nicht in erster Linie um die Qualität der medizinischen Versorgung, sondern um Patientenrechte, um Transparenz und Zugänglichkeit, um die Qualität der Dienstleistung. Dass der spanische Staat seinen Bürgern das Gesundheitswesen kostenlos zur Verfügung stellt, ist löblich. Die medizinische Versorgung gilt zu Recht als Herzstück des spanischen Sozialstaates.

„Gratis” aber ist mitnichten gleichbedeutend mit „gut”. Im Gegenteil: In keinem anderen Land Europas gehen die Leute so oft zum Arzt wie in Spanien. Dementsprechend lang sind die Wartelisten. Kaum irgendwo ist es für Patienten so kompliziert, an Informationen zu kommen, wie in Spanien. Eine Lobby, die Patientenrechte vertritt, gibt es nicht. Die Menschen nehmen all dies mit bewundernswerter Geduld hin. Denn es fällt schwer, Forderungen an eine Dienstleistung zu stellen, die es völlig kostenlos gibt. Der spanische Staat pflegt in patriarchaler Manier seine Bürger nicht gerade zur Mündigkeit zu erziehen. Ein Beispiel dafür ist das Gesundheitswesen.