TW
0

Mallorca Magazin: Joachim Löw hat in der sogenannten „K-Frage” entschieden, dass Michael Ballack wieder Kapitän der deutschen Nationalelf wird, wenn er fit ist und Philipp Lahm die Binde trägt, wenn Ballack nicht dabei ist. Was ist Ihre Meinung dazu?
Rudi Völler: Ich finde, das ist eine vernünftige Entscheidung für alle Beteiligten. Logisch, dass Michael Ballack erst wieder hundertprozentig fit sein muss. Das wird kurzfristig der Fall sein, und dann kommt er zurück.

MM: Wäre es nicht für Ballack besser gewesen, den Platz freiwillig zu räumen?
Völler: Das glaube ich nicht. Er wird bei uns in Leverkusen noch zwei gute Jahre spielen und es spricht nichts dagegen, dass er das auch in der Nationalmannschaft tut.

MM: Besteht nicht die Gefahr, dass das Thema mit der jetzigen Lösung immer wieder hochkocht und für Unruhe sorgt?
Völler: Das wird sich von selbst erledigen, wenn Michel Ballack wieder richtig fit ist.

MM: Einer von denen, die mit Ballack auf dem Platz konkurrieren wollen, ist Sami Khedira. Der spielt jetzt zusammen mit Mesut Özil bei Real Madrid. Werden die beiden sich dort durchsetzen?
Völler: Wenn man zu Real Madrid wechselt, ist das immer schwer. Stars wie Cristiano Ronaldo oder Kaká sind natürlich gesetzt. Aber Özil und Khedira werden zu ihren Einsätzen kommen. Sie haben es mit ihrem Talent in der Hand, wie oft das dann sein wird.

MM: Schon nach wenigen Wochen hat sich Trainer José Mourinho über mangelnde Integration der beiden geäußert.
Völler: Ach, das darf man bei Mourinho nicht so auf die Goldwaage legen. Madrid hat im ersten Ligaspiel gegen Mallorca nur ein 0:0 erreicht. Hätten sie gewonnen, wäre das nie zur Sprache gekommen.

MM: Die beiden Neu-Madrilenen gehören zu der neuen Generation der Kicker in der deutschen Nationalmannschaft, die für ihr schönes Spiel gelobt wird. Früher hörte man oft den Begriff „Rumpelfußball”. Hat sich das Spiel der Deutschen durch Klinsmann und Löw geändert, oder finden sich die Wurzeln dafür schon in der Zeit, als Sie noch Bundestrainer waren?
Völler: Es liegt an der Qualität der Spieler. In den letzten zehn Jahren hat sich viel getan. Die Vereine haben gute Talente ausgebildet, davon profitieren auch die Nationalmannschaften des DFB. Es gibt einfach ein größeres Potential an jungen, talentierten Spielern. Das ist letztendlich der Schlüssel zum Erfolg.

MM: Was fehlt der Mannschaft noch zu dem legendären Team, das 1990 mit Ihnen den Weltmeister-Titel holen konnte?
Völler: Nicht viel. Unsere jetzige Mannschaft ist nah dran, die Qualität ist hoch. Man braucht manchmal das Quentchen Glück und muss jetzt etwas Geduld haben. Vielleicht schlagen wir dann ja in zwei Jahren die Spanier.

MM: Was war denn eigentlich das Besondere an Ihrer 90er-Mannschaft?
Völler: Wir waren gut. Einfach eine richtig gute Mannschaft. Qualitativ hochwertig besetzt, ein guter Trainer – da kannst du dann schon mal Weltmeister werden ...

MM: Spanien wurde erst Europa- und danach Weltmeister. Hält der Höhenflug an?
Völler: Das hängt davon ab, wir lange die Mannschaft in dieser Form noch zusammenspielt. Aber ich traue den Spaniern schon zu, noch einige Jahre vorne im Weltfußball mitzuspielen.

MM: Mit Raúl und Jurado kicken jetzt zwei Spanier in der deutschen Bundesliga. Auch andere Stars kamen hinzu. Wie ist die deutsche Liga im Moment aufgestellt?
Völler: So, wie es schon in den letzten Jahren absehbar gewesen ist. Die Qualität ist einfach besser geworden. Wir werden dieses Jahr ganz sicher die Italiener in der Fünfjahreswertung der Uefa überholen und somit auch den vierten Champions-League-Startplatz zurückholen. Wir werden uns auch den Engländern und Spaniern wieder annähern. In Spanien gibt es mit Barcelona und Real Madrid zwei absolute Top-Mannschaften – hinter dem Rest der Primera División müssen sich die deutschen Bundesligisten aber nicht verstecken.

MM: Wer ist denn hier Favorit? Barça oder Real Madrid?
Völler: Für mich ganz klar Barcelona. Die Mannschaft ist eingespielt, Mechanismen funktionieren. Es wird aber wieder ein Zweikampf.

MM: Ihr voller Terminkalender lässt es nicht zu, dass Sie sich ständig um Ihre Neckermann-Fußballschule hier in Cala Millor kümmern. Der Betrieb wird schon seit dem Start vor zwölf Jahren von Ihrem Freund und ehemaligen Mitspieler Michael Kutzop geleitet. Tauschen Sie sich trotzdem ab und zu über das aus, was hier so passiert?
Völler: Ja sicher, vor allem hinsichtlich der Trainer. Aber der Michael macht seine Arbeit sehr gut, hat alles im Griff. Es geht natürlich darum, dass den Kindern in der Fußballschule etwas beigebracht wird. Doch die haben hier Urlaub, und da ist der Spaßfaktor nicht zu vernachlässigen.

Mit Rudi Völler sprach MM-Redakteur Nils Müller