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Juan Antonio Vives genießt die ungewohnte Ruhe. Wenn er bisher sein Wohnzimmerfenster öffnete, dann brausten in drei Meter Entfernung Reisebusse, Lastwagen und täglich Hunderte Autos vorbei. Noch schlimmer hatten es die Leute in der Etage unter ihm: "Die kriegen nicht mal mehr ihre Fenster auf und sitzen im Dunkeln, so nah führt die Brücke an unserem Haus vorbei", sagt er. Jetzt ist in der Ferne nur das Plätschern der Wellen im Hafen von Porto Cristo zu hören. "Es ging doch lange genug auch ohne die Brücke", sagt Vives. "Es ist, als würde den Leuten ihr Liebstes genommen." Vives gehört zu einer Handvoll Immobilienbesitzern, die sich den Zorn der Mehrheit in dem zu Manacor gehörenden Ort zugezogen haben. Denn sie gelten als die Schuldigen daran, dass die Brücke über das Hafenbecken nun weichen muss. Einige der Betroffenen hatten gegen die 2004 für den Verkehr freigegebene Brücke geklagt und recht bekommen. Im Februar 2007 verfügte das Oberlandesgericht in Palma den Abriss. Beginnen sollten die Arbeiten jetzt, nach langem Rechtsstreit, am 15. Januar.

Die Stadtverwaltung aber hat den Termin nicht eingehalten. Deshalb ist die Brücke nun gesperrt - die Folge neben der ungewöhnlichen Ruhe für die Anwohner: Wie bis vor sieben Jahren zwängt sich der Verkehr nun wieder durch die engen Gassen und über die viel zu schmale alte Brücke. Zwei Behelfs-Ampeln regeln den Verkehr mehr schlecht als recht: Die Schlange wartender Autos reicht an diesem Dienstagmorgen Hunderte Meter weit durch den Ort. Ein Polizist müht sich hektisch, den Verkehr zu regeln.

Am anderen Ende von Porto Cristo sitzt Jaume Brunet in seinem Büro und lässt keinen Zweifel an seinen Absichten: Die Brücke muss bleiben, findet er. Brunet stammt aus Porto Cristo, war 16 Jahre lang Stadtrat in Manacor und ist jetzt Sprecher derjenigen, die den Erhalt des Bauwerks fordern. "Natürlich muss man die Legalität respektieren", sagt er. "Die Rechtsprechung muss sich aber auch der Realität anpassen." Formal sei gegen das Gerichtsurteil nichts zu sagen. Die Brücke war damals tatsächlich nicht in der Straßenplanung vorgesehen und hätte demnach auch nicht gebaut werden dürfen. Jetzt aber sei dieser Fehler behoben, sagt Brunet, und verweist auf den entsprechenden Beschluss des Balearen-Parlaments (siehe Chronik der Ereignisse rechts). Es könnte sich also folgende Situation ergeben: Die Brücke wird abgerissen, was mehrere Hunderttausend Euro kosten wird. Anschließend baut die Stadt Manacor die Brücke wieder auf, was vermutlich 1'5 Millionen Euro verschlingen würde. Das Ergebnis: Mehr als zwei Millionen Euro Steuergeld wären verpulvert.

Also haben die politisch Verantwortlichen nichts unversucht gelassen, um das Abrissurteil rückgängig zu machen. Selbst persönliche Treffen mit dem zuständigen Richter soll es gegeben haben. Ohne Erfolg. Mittlerweile muss Manacors Bürgermeister Antoni Pastor (Partido Popular, PP) alle zwei Wochen 1000 Euro Geldstrafe zahlen, bis er das Urteil endlich umsetzt. Der Unterstützung von Brunet kann er sich sicher sein: "Wenn's sein muss, sammeln wir für den Bürgermeister", sagt er. Am Sonntag gingen in Porto Cristo 1500 Menschen auf die Straße, um gegen den Abriss zu protestieren.

Dass die Brücke über das Hafenbecken unbedingt notwendig ist, ist in Porto Cristo Mehrheitsmeinung. "Wegen zwei Leuten müssen wir jetzt alle leiden", so der Tenor. Die betroffenen Anwohner stehen nicht nur allein da, sie bekommen auch vermehrt den Volkszorn zu spüren. "Ich äußere mich gar nicht mehr dazu", sagt einer derjenigen, die gegen die Brücke geklagt haben. "Ich will auf keinen Fall mehr Öl ins Feuer gießen." Nur so viel: Es könne in einer Demokratie nicht sein, dass Bürgern einfach so eine Brücke direkt vors Fenster gebaut werde. Daran allerdings hat auch der Richter nichts auszusetzen gehabt. Schließlich sind die Brückenpläne sehr viel älter als die angrenzenden Häuser. "Deren Architekt hätte halt keine Balkons und Fenster auf der Seite der Gebäude einplanen dürfen", sagt Brunet.

Die Brücke hat eine wichtige Bedeutung für den Ort, weil sie fast den gesamten Durchgangsverkehr aufnimmt. Im Sommer locken besonders die in der Nähe gelegenen Höhlen viele Besucher an. "Es gibt nur zwei Hotels im Ort", sagt Brunet. "Wir leben hier vom Durchfahrtstourismus." Verschwindet die Brücke, kämen auch keine Reisebusse und Urlauber in Mietwagen durch Porto Cristo. Cafés, Souvenirläden und Restaurants würden keinen Umsatz mehr machen. "Viele Leute werden ihre Arbeit verlieren", prophezeit Brunet. "Ich kann nur hoffen, das es doch noch irgendeine Lösung gibt."