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17. März – Mit großer Anteilnahme, Erschütterung und auch Besorgnis verfolgen die Menschen in Spanien die Geschehnisse im fernen Japan. Wie kein anderes Thema beherrscht die Naturkatastrophe mit all ihren Folgen in diesen Tagen die Gespräche, die Gedanken und Gefühle. Auch die Medien verfolgen jede neue Wendung genauestens - das ist hierzulande nicht anders als in Deutschland.

Und dennoch: Der Umgang mit der Katastrophe ist ein anderer. Während in Deutschland Tausende auf die Straßen gehen, um ein sofortiges Ende der Atomkraft zu fordern, gibt es kollektiven Protest auf Mallorca und in Spanien bisher nicht. Nachdem in Deutschland bereits seit Tagen Mahnwachen und Demonstrationen stattfinden, ist in Spanien die erste Protestveranstaltung für diesen Donnerstag in Madrid geplant. Das Thema Atomkraft hat in Spanien bei Weitem keinen so bedeutenden Stellenwert wie in Deutschland.

Auch die Reaktionen der politisch Verantwortlichen belegen das. Während Bundeskanzlerin Angela Merkel eilig den Ausstieg vom Ausstieg vom Atomausstieg verkündete, begnügen sich sowohl Regierung als auch Opposition in Madrid mit beschwichtigenden Erklärungen. Man dürfe jetzt keine vorschnellen Entscheidungen treffen, sind sich Sozialisten und Konservative einig. "Wir sollten uns bei den Entscheidungen über die Nutzung der Kernenergie nicht von besonderen Vorkommnissen leiten lassen", sagte etwa Wirtschafts- und Finanzministerin Elena Salgado. Man müsse sich auf die grundsätzlichen Gesichtspunkte der Nutzung von Atomkraft konzentrieren.

Die Generalsekretärin der konservativen Volkspartei (Partido Popular, PP) sagte: "Über die Nuklearenergie und über die Atomkraftwerke muss allein aufgrund technischer Aspekte entschieden werden." Das sei stets der Standpunkt ihrer Partei gewesen. Die PP setze auch weiterhin auf einen "Mix" aus unterschiedlichen Energiequellen. Dazu gehöre auch die Atomkraft.

Nur linke Splitterparteien und Umweltschützer fordern - dafür umso vehementer - das Ende der Nuklearenergie. Cayo Lara von der Linkspartei Izquierda Unida (Vereinigte Linke) sagte: "Was in Japan geschieht, muss für uns ein Weckruf sein. Niemand sollte mit der Nuklearenergie spielen." Lara fordert die Zentralregierung auf, einen Zeitplan für den Atomausstieg zu erstellen. Auch die mallorquinische Umweltschutzgruppe GOB (Grup Balear d'Ornitologia i Defensa de la Naturalesa) hat sich in diesen Tagen zu Wort gemeldet: "Die Nuklearenergie ist nicht sicher." Der GOB fordert einen sofortigen Atomausstieg.

Den wird es hierzulande aber wohl nicht so bald geben. Das liegt vor allem daran, dass sich bisher keine der großen Parteien zu einem klaren Anti-Atomkraft-Kurs bekannt hat. Sozialisten und Konservative haben sich darauf verständigt, die grundsätzliche Debatte über die Nutzung der Atomkraft auf 2015 zu verschieben. An diesem Zeitplan haben auch die Geschehnisse in Japan bislang nichts geändert.

Parteiübergreifende Einigkeit herrscht derweil in der Bewertung der Naturkatastrophe und der Folgen für die Bewohner Japans. Am Dienstag verabschiedete das Parlament in Madrid einstimmig eine Erklärung, in der die Solidarität mit dem japanischen Volk zum Ausdruck kommt. Stehend applaudierten die Abgeordneten anschließend dem anwesenden japanischen Botschafter in Madrid, Fumiaki Takahashi. Es war der erste öffentliche Akt der Anteilnahme in Spanien.