Die Begeisterung für Europa hält sich auf Mallorca stark in
Grenzen. Wenn am Montag, 9. Mai, die Staatengemeinschaft ihren
jährlichen Gedenktag begeht, dann fallen die Feiern dieses Anlasses
doch recht verhalten aus. Die allermeisten Gemeinden nehmen von dem
Tag überhaupt keine Notiz und auch der zentrale Akt der
Balearen-Regierung wirkt im Vergleich zu anderen Veranstaltungen
reichlich sparsam – denkt man etwa an die alljährlichen pompösen
Feierlichkeiten zum Balearentag.
Dabei sind die Voraussetzungen auf der Insel doch eigentlich
hervorragend: Alle europäischen Nationen sind auf Mallorca
vertreten, an wenigen anderen Orten des Kontinents existiert eine
vergleichbare Vielfalt der Nationalitäten. Jahr für Jahr kommen
Millionen Europäer auf die Insel, um hier ihren Urlaub zu
verbringen, weit mehr als 100.000 Bürger aus EU-Mitgliedsländern
leben ständig auf Mallorca. Und dennoch: Unübersehbar ist die
Skepsis der Insulaner gegenüber allem, was aus dem fernen Brüssel
kommt. Und auch der Integrationswille vieler Zugereister hält sich
stark in Grenzen.
Im Zusammenhang mit Europa wird auf der Insel kein Thema so
leidenschaftlich diskutiert wie die Frage, ob aus den
gemeinschaftlichen Töpfen denn auch genügend Geld nach Mallorca
fließt. Zumal Spanien seit der Osterweiterung der Union nicht mehr
zu den Hauptnutznießern der europäischen Subventionspolitik gehört.
Dass Europa auf Mallorca nur eine untergeordnete Rolle spielt,
liegt aber auch am mangelnden Einsatz der ausländischen Europäer.
Nur ein Beispiel: Wenn am 22. Mai auf der Insel die Gemeinderäte
neu gewählt werden, dann geben voraussichtlich noch nicht einmal
zehn Prozent der wahlberechtigten EU-Ausländer ihre Stimme ab.
Der Grund, warum Europa auf Mallorca noch längst keine Realität
ist, liegt auf der Hand: Die Vorstellungen darüber, wozu die
Staatengemeinschaft eigentlich gut ist, gehen weit auseinander.
„Das hat historische Gründe”, vermutet Jordi Bayona, der für die
europäischen Beziehungen der Balearen-Regierung zuständig ist.
„Nach den Kriegen, die Europa jahrhundertelang erschüttert haben,
war die Staatengemeinschaft Ausdruck des Willens,
zusammenzuarbeiten und gemeinsam Wohlstand zu schaffen.” Zumindest
sei das wohl die in Mitteleuropa vorherrschende Sicht der Dinge.
„Für Spanien stand bei der Idee von Europa immer die Freiheit im
Vordergrund”, sagt Bayona: „Wir wollten Demokratie, wir wollten zu
Europa gehören, um endlich frei zu sein.”
Mit dem EU-Beitritt Spaniens 1986 beginnt für das Land denn auch
zweifellos eine Erfolgsgeschichte – vor allem aus wirtschaftlicher
Sicht. Rund eine Milliarde Euro an EU-Subventionen sind seitdem
allein auf den Balearen investiert worden. So ganz zugehörig
scheint man sich auf der Insel dennoch nicht zu fühlen. Die
Formulierung „in Europa” als Abgrenzung zu Mallorca geht vielen
Inselbewohnern locker von den Lippen.
Das beobachtet auch Angela Fleckenstein, die im Rathaus von
Llucmajor als Ausländerbeauftragte arbeitet. „Viele Mallorquiner
sehen sich gar nicht als Europäer”, sagt sie. „Europa ist hier kaum
ein Thema, es sei denn, es geht um Subventionen.” Viele Beamte auf
der Insel erledigten ihre Arbeit, als hätten sie bis heute nicht
realisiert, dass Spanien nun zu Europa gehöre. „Ein Wunder ist das
aber nicht”, sagt Fleckenstein: „Die Insel war ja lange genug von
der Außenwelt abgeschnitten.”
Tatsächlich ist die auf Mallorca vorherrschende Idee von Europa
stark von Selbstbesinnung geprägt. „Die spanischen Regionen haben
enorme Unterschiede”, sagt Bayona. „Das unterscheidet uns von
Deutschland, wo viele der Bundesländer ja Kunstprodukte und nicht
historisch gewachsen sind.” Deshalb werde in Spanien generell und
auf Mallorca im Besonderen die Idee vom „Europa der Regionen”
vehement verteidigt.
Das sieht auch Doro Ballermann so. „Der regionale Aspekt ist im
Verhältnis der Mallorquiner zu Europa sehr wichtig”, sagt die
deutsche Mitarbeiterin des balearischen Kulturwerks OCB in Palma.
Dort setzt man sich unter anderem dafür ein, dass das Catalán den
Status einer offiziellen EU-Sprache erhält. Immerhin gebe es mehr
Katalanisch- als Dänisch-Sprecher in der EU. „Man hatte sich hier
große Hoffnungen darauf gemacht, dass Europa zur Förderung der
Minderheitenkulturen in Spanien führen würde.”
Dass die Pflege regionaler Unterschiede von Zugereisten, die von
Europa naturgemäß in erster Linie Erleichterungen beim
Überschreiten von Grenzen erwarten, oft als Versuch der Abgrenzung
und damit als Widerspruch zur europäischen Idee empfunden wird,
kann man beim Kulturwerk nicht nachvollziehen. „Oft werden wir aus
einer Haltung falsch verstandenen Kosmopolitismus heraus als
provinziell bezeichnet”, ließ sich OCB-Präsident Jaume Mateu in der
vergangenen Woche in einer mallorquinischen Tageszeitung
zitieren.
Und dennoch: Europa-Verdrossenheit, wie sie sich in vielen
Mitgliedsstaaten der Gemeinschaft breit macht, scheint es in
Spanien kaum zu geben. „Mein Eindruck ist, dass die meisten
Menschen hier ein positives Bild von Europa haben”, sagt die
Schottin Kate Mentink, die seit Jahren für die konservative PP in
Calvià Lokalpolitik macht. „Außerdem ist es doch normal, dass man
zuallererst danach fragt, was einem Europa persönlich bringt.”
Kein Kommentar
Um einen Kommentar schreiben zu können, müssen Sie sich registrieren lassenund eingeloggt sein.
Noch kein Kommentar vorhanden.