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Auch wenn die Zeichen gerade auf „Entwarnung“ stehen – die Wogen der Empörung schlugen hoch, das Nachbeben ist noch deutlich spürbar. Nachdem Gurken aus den südspanischen Provinzen Almería und Málaga, die in Hamburg zunächst mit den lebensgefährlichen EHEC-Darminfektionen in Zusammenhang gebracht worden waren, nach neuen Laboruntersuchungen nicht mehr als Auslöser gelten – die Ergebnisse von zwei weiteren Proben stehen allerdings noch aus – , machten spanische Bauern, Agrarlobbyisten, aber auch Politiker ihrem Ärger über die „vorschnelle Verurteilung und Berichterstattung“ besonders deutlich Luft. „Wir sind alle enttäuscht von der Art, wie Deutschland mit dieser Krise umgegangen ist“, ließ Spaniens Agrarministerin Rosa Aguilar verlauten – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass sich in ihrer Heimat bislang niemand direkt mit EHEC infiziert habe. Für die wirtschaftlichen Schäden der Landwirte, die von spanischen Bauernverbänden mit 200 Millionen Euro pro Woche beziffert werden, will Spanien eine finanzielle Entschädigung verlangen. Der spanische Vizeregierungschef Alfredo Pérez Rubalcaba schließt sogar „rechtliche Schritte gegen die Behörden in Hamburg nicht aus“.

Während die Suche nach dem grassierenden Erreger des Typs 0104 in Deutschland von vorn beginnt – dabei sollen nun spezielle Schnelltests helfen – und man am Mittwoch bei bundesweit 15 Todesopfern und mehr als 1500 EHEC-Infektionen und Verdachtsfällen (vor allem im Norden) vorläufig keinen Grund zur Entwarnung sah, sorgt man sich in Spanien vor allem über das Ausmaß der wirtschaftlichen Folgen, die die „Gurken-Krise“ noch nach sich ziehen könnte. Es ginge um nicht weniger als die „tief greifenden Folgen eines profunden Vertrauensverlustes in spanische Produkte“, sagt auch Miguel Gelabert, der im alteingesessenen Familienbetrieb – „Fruiters des de 1951“ ist unter einer historischen Aufnahme hinter dem Verkaufstresen zu lesen –, schon seit 40 Jahren seinen Stand im „Mercat de l‘Olivar“ betreibt. Er selbst, sagt er, sei glücklicherweise von den Vorfällen der vergangenen Tage wenig betroffen: „Wir verkaufen fast ausschließlich lokale Produkte von der Insel und freuen uns über Stammkunden, die uns vertrauen.“ Ganz anders seine Kollegen in Almería, die „über 40 Jahre daran gearbeitet haben, um Vertrauen in ihre Produkte zu erwirtschaften“: „Eine Berichterstattung wie in den vergangenen Tagen kann diesen mühsamen Prozess in 24 Stunden zunichte machen – egal, was sich davon letztlich als wahr erweist.“

Vor solchen Verallgemeinerungen fürchten sich nun selbst mallorquinische Bauern aus Sa Pobla, wenn es um den Export ihrer Kartoffeln geht: „Sollten europäische Verbraucher weiterhin Zweifel an der Qualität hiesiger Agrarprodukte haben, kann sich das auf andere Bereiche niederschlagen.“ Eine Besorgnis, die von nicht wenigen Vertretern angrenzender Wirtschaftszweige geteilt wird. Joan Mesquida, spanischer Generalsekretär für Tourismus und Binnenhandel, warnt vor dem „großen Schaden, den solche Gerüchte anrichten“: „Der Verbraucher reagiert künftig womöglich überängstlich bei seiner Kaufentscheidung.“

Selbst auf Mallorcas Großmarkt „Mercapalma“ sei der gesamte Gurken-Handel um „30 bis 40 Prozent zurückgegangen“, weiß Direktor Javier Martin Socias zu berichten. Auch wenn Biel Torres, Präsident des hiesigen Bauernverbandes „Unió de Pagesos“ bestätigt, dass der Handel mit Insel-Gurken sogar um 80 Prozent zurückgegangen sei: Trotz der insgesamt negativen Entwicklung sei festzustellen, dass sich der Handel hier verstärkt auf die eigenen Produkte besinne. So habe die Supermarktkette „Eroski Syp“ entgegen sonstiger Gepflogenheiten begonnen, bei der Lieferung von Paletten ausdrücklich auf mallorquinische Gurken zu bestehen.

Die Bauern auf dem Festland trifft es umso härter: Seit Tagen vergammeln die Gurken in Almerías Gewächshäusern. Allein in den ersten zwei Tagen nach dem EHEC-Alarm blieben die Exporteure auf 200 Tonnen sitzen. Für die Einfuhrbeschränkungen spanischer Agrarprodukte mehrerer Länder und Handelsgesellschaften fand der spanische Agrarsekretär Josep Puxeu denn auch harte Worte: „Verantwortungslos und ungeheuerlich.“

Nur eine rasche und eindeutige Identifizierung der Infektionsquelle kann die Ruhe wiederherstellen. Solange gilt weiterhin die Warnung des Robert-Koch-Instituts – ohne Nennung von Herkunftsländern: „Vorsorglich Tomaten, Salatgurken und Blattsalate nicht roh verzehren.“ Doch bei aller Empörung: EHEC-Keime wurden auf den Gurken aus Spanien tatsächlich nachgewiesen – nur eben nicht der spezielle Typ 0104. Aufklärung tut not.