Seit drei Wochen ist Carlos Delgado im Amt. Der ehemalige
Bürgermeister der Gemeinde Calvià verrät im Interview mit dem
Mallorca Magazin, wie er die Insel voranbringen will. Trotz
leerer Kassen: Unter anderem mit Großprojekten wie einer
Formel-1-Strecke in Llucmajor. Nur so könne man neue Touristen auf
die Insel locken, glaubt er.
MM: Es ist kein Geld da. Wie wollen Sie unter diesen
Voraussetzungen Tourismuspolitik machen, Herr Delgado?
Carlos Delgado: Es ist richtig, dass wir uns in einer sehr
komplizierten finanziellen Situation befinden. Wir haben keinen
Cent. Es ist aber noch zu früh zu sagen, welche Projekte wir
anpacken können und welche nicht.
MM: Tourismuswerbung kostet Geld ...
Delgado: Ja. Aber es ist möglich, die Außendarstellung
Mallorcas durch Umstrukturierungen zu verbessern, die kein Geld
kosten müssen. Ein Beispiel: Wir werden eng mit den Bürgermeistern
der Inselgemeinden und den lokalen Hoteliersvereinigungen
zusammenarbeiten und ihnen unsere Fachkenntnisse zur Verfügung
stellen, um die Zustände vor Ort zu verbessern. Mehr Sauberkeit und
Sicherheit sind eine Hauptforderung des Tourismussektors.
MM: Die Qualität des Angebots zu verbessern hat
Priorität?
Delgado: Ja, genauso wie das touristische Angebot
auszubauen. Es gibt in den Gemeinden viel Potenzial, das ungenutzt
ist. Dieses müssen wir entdecken und fördern. Das kostet kein
Geld.
MM: Was sind weitere Schwerpunkte Ihrer Strategie?
Delgado: Wir müssen Investitionen erleichtern. Hier können
wir viel tun. Vor allem geht es darum, Genehmigungsverfahren zu
beschleunigen. Wenn jemand etwa den Bau eines Freizeitparks auf
Mallorca plant, dann muss die Genehmigung schnell erteilt werden.
Derzeit schrecken wir Investoren eher ab.
MM: Projekte wie das Vergnügungszentrum in Ses
Fontanelles und der Golfplatz in Son Bosch werden also
realisiert?
Delgado: Ich muss diese Projekte erst genau studieren. Wir
können es uns aber nicht erlauben, Projekte zu behindern, für die
alle Genehmigungen vorliegen. Sonst geht der Investor am Ende
lieber woanders hin.
MM: Braucht Mallorca neue Golfplätze, Sporthäfen, gar
eine Formel-1-Rennstrecke?
Delgado: Grundsätzlich ja. Wir sind bereit, solche Projekte
zu prüfen. Im Fall von Ibiza etwa müssen wir die Frage stellen, ob
die Insel eine Golfdestination sein soll. Das geht nur, indem dort
neue Golfplätze gebaut werden. Zu den Sporthäfen: Es ist klar, dass
wir die Zahl der Anlegestellen erhöhen müssen. Derzeit legen wir
uns hier eine Selbstbeschränkung auf. Wir lehnen solche Projekte
nicht von vornherein ab, sondern sind bereit sie zu prüfen, mit den
gesellschaftlichen Gruppierungen abzustimmen und dann die
notwendigen Entscheidungen zu treffen.
MM: Umweltthemen werden weniger wichtig sein?
Delgado: Nein. Im Gegenteil. Wenn wir die Nutzungsänderungen
in der Hotellerie erleichtern, dann kommt das der Umwelt zugute.
Wenn zum Beispiel ein Hotel zu Wohnungen umgebaut wird, dann muss
dafür ein anderes abgerissen werden. Hier geht kein Grund und Boden
verloren, im Gegenteil. Andererseits wird es aber nötig sein,
Projekte wie etwa die Formel-1-Rennstrecke zu realisieren. Es
besteht eine extreme Notwendigkeit dafür. Andernfalls wird es eine
Utopie bleiben, dass wir die Tourismussaison verlängern. Wer kommt
im Februar nach Mallorca, wenn wir nicht das Winterangebot
ausbauen?
MM: Die radikale Umgestaltung der Platja de Palma gehört
zu den anstehenden Großprojekten. Was wird von den ehrgeizigen
Plänen am Ende übrig bleiben?
Delgado: Wir setzen auf die Reform der Playa de Palma. Aber
nicht nur das: Wir wollen genau dasselbe in anderen
Touristenzentren der Insel machen, wie zum Beispiel in Calvià oder
Alcúdia. Ich glaube, dass das Projekt von vornherein falsch
angelegt wurde. Wir müssen uns von der Vorstellung verabschieden,
dass das Geld dafür von der Zentralregierung aus Madrid kommen
wird. Die Finanzierung muss von privater Seite kommen. Konkret: Das
Ziel ist die Reform und Aufwertung der Hotels. Wir müssen dafür
sorgen, dass die Hoteliers diese Aufgabe selbst finanzieren können,
etwa indem wir die Nutzungsänderung erleichtern. Manche Hotels
müssen zu Wohnhäusern umgebaut werden, was den Hoteliers die
nötigen Finanzmittel für die Modernisierung anderer Hotels
bringt.
MM: Steckt hinter der Anhebung der Qualität des
touristischen Angebots etwa an der Playa de Palma die Idee, den
Billigtourismus abzuschaffen?
Delgado: Ich glaube nicht, dass wir irgendeinen Tourismus
abschaffen müssen. Ich bin überzeugt von der Notwendigkeit, die
Qualität der Hotels zu verbessern. Alles andere wird der Markt
regeln. Eine Verbesserung der Qualität des Angebots wird zur
Verbesserung der Qualität unserer Besucher führen.
MM: Die Ausweitung der Tourismussaison auf die
Wintermonate ist noch niemandem gelungen. Wie wollen Sie das
schaffen?
Delgado: Der Moment ist gekommen, unsere Ängste und Komplexe
zu überwinden. Wir müssen das tun, was in anderen Gegenden getan
wurde. Wer ist früher nach Bilbao gereist? Niemand. Heute, seit es
dort das Guggenheim-Museum gibt, fahren die Leute hin. Dasselbe ist
in Valencia geschehen, seit es dort die „Ciudad de las Ciencias y
de las Artes” gibt. Warum können wir nicht auch so etwas machen?
Warum sollen wir nicht eine Formel-1-Rennstrecke haben? Warum
sollen wir zulassen, dass alle anderen solche Angebote schaffen,
wir aber nicht? Wir müssen für solche großen Projekte kämpfen.
MM: Was werden die Schwerpunkte der Tourismuswerbung in
den nächsten Jahren sein?
Delgado: Die Werbestrategie muss mit dem Sektor abgestimmt
sein. Gemeinsam mit den Hoteliers werden wir entscheiden, was zu
tun ist. Klar ist, dass die Werbung nicht weniger werden darf.
MM: Die beworbene Marke wird nicht wie bisher „Illes
Balears” sein?
Delgado: Nein. Wir müssen die Marken individualisieren. Jede
Insel muss eine eigene Marke sein. Mehr noch: Jede Gemeinde, jede
Zone muss eine eigene Marke sein. Zum Beispiel: Calvià ist keine
Marke. Peguera und Magaluf aber sehr wohl (Peguera und Magaluf sind
Ortsteile der Gemeinde Calvià, Anmerkung der Redaktion). Wir müssen
analysieren, welches die Marken sind, die wir in den Gemeinden
haben.
MM: Welches sind die Märkte der Zukunft für Mallorca?
Delgado: Osteuropa. Wir müssen uns um die russischen,
polnischen und tschechischen Urlauber bemühen. Es ist aber klar,
dass das zum Großteil von den Flugverbindungen abhängt. Daran
müssen wir arbeiten. Die Anbieter, die im osteuropäischen Markt
aktiv sind, brauchen unsere Unterstützung.
MM: Viele Unternehmer beklagen den
Alles-Inklusive-Tourismus. Gibt es Möglichkeiten, diesen zu
beschränken?
Delgado: Wir können nicht gegen den freien Markt vorgehen.
Wenn dieses Produkt gefragt ist, müssen wir das respektieren. Mir
ist ein Urlauber lieber, der wenig ausgibt, als einer, der gar
nicht erst kommt. Ich glaube, dass sich das Thema ohnehin von
selbst erledigen wird. Mit dem Ende der Krise wird dieses Angebot
nicht mehr im gleichen Maße nachgefragt sein.
MM: Die laufende Saison scheint erfolgreich zu werden.
Ist das allein den Unruhen in Nordafrika geschuldet?
Delgado: Es gibt Hinweise auf eine Erholung der Wirtschaft.
Aber was in Nordafrika und Griechenland passiert, kommt uns
natürlich zugute, weil Urlauber, die eigentlich woanders hin reisen
wollten, nun nach Mallorca kommen. Aber entscheidend ist, dass wir
die Urlauber von unseren Vorzügen überzeugen, damit sie
wiederkommen. Es ist viel einfacher, einen Touristen zum
Wiederkommen zu bewegen, als einen neuen Touristen zu gewinnen.
Klar ist: Eine Touristenregion wie die Balearen, die immer
Vorreiter war, kann es sich nicht erlauben, hinter anderen
zurückzubleiben. Wir können nicht vom Leid der anderen leben. Das
ist das Problem: Wir sind zurückgefallen, was die Qualität des
touristischen Angebots betrifft. Hier müssen wir aufholen.
Die Fragen stellte
Jonas Martiny
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