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Dort, wo Abend für Abend die Sonne im Mittelmeer versinkt, könnte in Zukunft die Silhouette einer Bohrplattform das Panorama beherrschen. Auch wenn diese von Mallorca aus mit bloßem Auge nicht zu sehen sein wird, befürchten Umweltschützer doch massive Auswirkungen für die Balearen-Inseln, sollten die Pläne des schottischen Energiekonzerns Cairn Energy PLC tatsächlich umgesetzt werden.

Die spanische Sektion der Umweltschutzvereinigung Greenpeace hat in der vergangenen Woche einen Appell an die Öffentlichkeit gerichtet und fordert, das Projekt zu stoppen. Stattdessen solle lieber die Nutzung erneuerbarer Energien gefördert werden. Die Folgen von Bohrungen im Mittelmeer für die Umwelt wären dramatisch, so Greenpeace-Sprecherin Sara Pizzinato, aber auch die wirtschaftliche Grundlage der auf den Tourismus angewiesenen Balearen sei in Gefahr.

Die Umweltschützer verweisen vor allem auf den schweren Unfall der Erdölbohrplattform Deepwater Horizon im Frühjahr 2010 vor der Küste des US-Bundesstaates Louisiana, in dessen Folge Hunderte Kilometer Küste verschmutzt wurden. Die Katastrophe gilt als schlimmste Ölpest aller Zeiten. Die Förderplattform, die einst im Mittelmeer in Betrieb gehen könnte, wäre nur wenig mehr als 100 Kilometer von Mallorcas Küste und nur 40 von Ibiza entfernt. „Die Balearen-Inseln – ein neuer Golf von Mexiko?”, betitelte Greenpeace eine Studie über die Folgen des Projekts.

Das wirkt auf den ersten Blick reichlich übertrieben, befinden sich die Planungen doch gerade einmal im Anfangsstadium. Parallelen aber gibt es durchaus: So sieht das Projekt im Golf von Valencia laut Greenpeace Bohrungen in Meerestiefen von mehr als 1400 Metern vor. Damit werde eine neue Dimension erreicht. Bohrungen in solchen Tiefen bergen enorme Gefahren, wie sich im Fall der Deepwater Horizon gezeigt habe. Auch hier war Erdöl aus großen Tiefen gefördert worden.

Negative Folgen hätte eine Bohrplattform vor Valencias Küste aber nicht nur im Falle einer solchen Megakatastrophe. Schon bei Bohrungen in der Testphase trete Erdöl aus, das dann nach und nach an Land treibe. „Dies würde die Qualität der Strände und damit deren touristische Nutzung beeinträchtigen”, prophezeit Greenpeace. Außerdem würden Tier- und Pflanzenwelt des Meeres geschädigt, auch die Fischerei hätte unter negativen Folgen zu leiden.

Greenpeace beruft sich unter anderem auf eine einige Jahre alte Studie des spanischen Umweltministeriums, die den gesamten Bereich zwischen den Balearen-Inseln und dem Festland als „Zone von besonderem Interesse für den Schutz von Meeressäugetieren” ausweist. Der Grund ist die dort vorhandene Delfin-Population. Besonders die Lärmentwicklung bei Schürfarbeiten könne zu irreparablen Schäden bei den empfindlichen Meeressäugern führen. Das Umweltministerium schlug deshalb vor, solche Arbeiten in dem Bereich zu verbieten.

Nichtsdestotrotz hat die Zentralregierung nun die Genehmigungen an Cairn Energy PLC vergeben, in einem fast 4000 Quadratkilometer großen Gebiet nach fossilen Energieträgern zu suchen. Die im spanischen Amtsblatt veröffentlichte Schürflizenz sieht einen genauen Zeitplan vor, nach dem sich das schottische Unternehmen zu richten hat. Die ersten zwei Jahre (gerechnet ab Dezember 2010) sind allein der wissenschaftlichen Vorbereitung des Projekts vorbehalten.

In den Jahren drei und vier kommen dann Schallwellen zum Einsatz, um die Beschaffenheit des Meeresbodens zu untersuchen. Im fünften und sechsten Jahr sollen dann erste Probebohrungen stattfinden. Anschließend, wenn klar ist, ob und in welchen Mengen Erdgas oder Erdöl vorhanden sind, würde dann über eine Förderung entschieden.

Klar ist schon jetzt, dass der Wettstreit der Energiekonzerne um die schwer zugänglichen Reserven fossiler Energieträger im Mittelmeer längst begonnen hat: Das spanische Unternehmen Repsol betreibt bereits seit 1981 eine Ölbohrplattform vor der katalanischen Küste – nicht mehr als 170 Kilometer von Mallorca entfernt. Derzeit ist der Konzern dabei, dort weitere Vorkommen zu erschließen.