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Eigentlich sollte Bronco jetzt tot sein. Vor zwei Wochen saß der 13 Jahre alte mallorquinische Schäferhund mit dem weißen Bart und dem glasigen Blick noch in einem Zwinger in der Tötungsstation des Tierheims in Andratx und wartete auf seine Einschläferung. Jetzt lässt er sich dankbar tätscheln und versucht, seinem Herrchen mit der Zunge durchs Gesicht zu lecken. Sein Herrchen ist Franz Plum. Der 52-jährige gebürtige Kölner hat Bronco im Jahr 2001 als Welpen aufgenommen. Seitdem leben die beiden zusammen. "Er gehört zur Familie", sagt Plum, dessen Zuhause seit vier Jahren ein 32-Fuß-Segelboot ist. Derzeit liegt es im Hafen von Port d'Andratx.

Was Franz Plum nicht wusste: Bronco ist mittlerweile ziemlich schwerhörig. Alles, was weiter als zwei, drei Meter entfernt ist, hört er nicht. Als die beiden im vergangenen August im Hafen von Santa Ponça anlegten, sprang Bronco an Land, schnüffelte hier entlang, stromerte dort entlang - und plötzlich war er weg. Franz Plum machte sich sofort auf die Suche, fragte Passanten, einen Polizisten, lief hin und her. Ohne Erfolg. Bronco blieb verschwunden. "Es war meine Schuld", sagt Plum. "Ich hätte ihn nicht ohne Leine laufen lassen dürfen. Ich mache mir Vorwürfe, weil ich versagt habe."

Was dann mit Bronco geschah, weiß nur er selbst. Vermutlich trieb er sich ein paar Tage irgendwo in Santa Ponça rum, bis jemand die Polizei rief. Die brachte den Streuner ins Tierheim nach Andratx. Da Bronco keinen Chip trug, konnte er nicht identifiziert werden. Da saß er also. Drei Wochen lang werden Hunde auf Mallorca in den Tierheimen versorgt. Wenn sie bis dahin nicht einen neuen Besitzer finden, werden sie eingeschläfert.

Wäre da nicht Helga Henrichs, die Präsidentin des Tierschutzvereins Feliz Animal in Andratx. Sie und ihre Mitstreiter kümmern sich unter anderem um die Tiere aus der Tötungsstation des Tierheims in Andratx. Findet ein Hund dort kein neues Herrchen, landet er bei Feliz Animal. "Ich übernehme alle Tiere", sagt Henrichs. "Egal wie alt, krank oder schwierig. Und das seit sieben Jahren. Hier in der Gemeinde Andratx wird seitdem kein Hund mehr eingeschläfert." Das war Broncos Rettung. Am 21. Tag holte ihn Helga Henrichs ab. Abgemagert war er und etwas desorientiert. Sie nannte ihn Luca, machte ein Foto und stellte es auf die Internetseite des Tierschutzvereins. So wie sie es immer tut, für den Fall, dass sich jemand erbarmen sollte.

Im Hafen von Andratx hatte derweil Franz Plum die Hoffnung aufgegeben, seinen Hund noch einmal wiederzusehen. "Das Leben ist schon ein wenig einsam auf einem Boot", sagt er. "Ich bin nicht so richtig kompatibel mit dieser Gesellschaft." Plum liebt die Unabhängigkeit, er genießt es, niemandem Rechenschaft schuldig zu sein, heute hierhin segeln zu können und morgen dorthin. Über sich selbst sagt Plum, er sei "Individualist". Er lebt von einer kleinen Rente aus Deutschland. "Ich will nur meine Ruhe haben", sagt er. Einer wie Bronco kommt da gerade recht: treu und schweigsam.

Schließlich entschloss sich Plum, einen anderen Hund zu adoptieren. Ein Bekannter machte ihn auf die Internetseite von Feliz Animal aufmerksam. Da solle er doch mal nachschauen, die hätten immer viele Hunde, die ein neues Herrchen suchen. Gesagt, getan und da staunte Plum nicht schlecht, als er plötzlich ein Foto seines Hundes erblickte. "Das ist doch Bronco", dachte er bei sich und wäre am liebsten gleich zu Feliz Animal gefahren.

Da es spät am Abend war, wartete er dann aber doch noch bis zum nächsten Morgen, bevor er Helga Henrichs anrief. Wenig später kam es dann tatsächlich zum Wiedersehen zwischen Hund und Herrchen. "Bronco war ganz aus dem Häuschen vor Freude, es flossen reichlich Tränen", sagt Henrichs. Franz Plum ist einfach nur dankbar: "Ohne Feliz Animal gäbe es Bronco jetzt nicht mehr. Er soll jetzt einfach seine letzten Jahre hier bei mir verbringen können." Nur an die Leine wird sich Bronco jetzt gewöhnen müssen. Nicht, dass er auf seine alten Tage noch einmal verloren geht.

(aus MM 49/2014)