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Schon der Weg dorthin ist ein Genuss! Wer Inca hinter sich lässt und in nordöstliche Richtung fährt, nähert sich einer malerischen Kulisse: Das Dorf Selva ruht auf einem Hügel, es wird gekrönt von seiner Kirche. Dahinter ragt majestätisch das Tramuntana-Gebirge auf. Ein Anblick, wie gemacht für Werbeprospekte und Reisebroschüren.

In dem Ort - 3928 Einwohner, unter ihnen 136 Deutsche - ist man sich der landschaftlichen Naturschönheit aus Mandelhainen, Wäldern und Gipfeln bewusst: "Wir haben eine sehr privilegierte Lage", sagt Selvas Bürgermeister Joan Rotger. Sein Heimatdorf sei das Tor ins Hochgebirge, das seinerseits 2011 als Natur- und Kulturlandschaft zum Unesco-Welterbe erklärt wurde.

Tatsächlich führt die Bergroute über den Kernort und das zur Gemeinde zählende Caimari direkt zum Gebirgskloster Lluc und damit in das spirituelle Herz der Insel. Selva liegt am Weg in die Bergwelt. Und darum unterstreicht der Bürgermeister: "Wir wollen das Portal der Tramuntana werden."

Ankündigungen wie diese haben sich auf Mallorca auch anderswo vernehmen lassen, doch in Selva will man mehr als nur wohlklingende Slogans produzieren. Tatsächlich hat die Gemeinde, die Jahrzehnte im Windschatten des Strandtourismus lag, nun eine Vision und ein Konzept entwickelt, um verstärkt Urlauber mit besonderer Vorliebe für die Natur anzulocken.

Gänzlich unbeleckt von Erfahrungen ist man auf dem Gebiet ohnehin nicht: Rund ein Dutzend Landhotels und Agroturismos der zumeist gediegenen Kategorie stellen in dem Gemeindegebiet rund 300 Betten, hinzu kommen 100 registrierte Anwesen für Ferienvermietung. "Und von den Hotelbetrieben hat in den vergangenen 20 Jahren nicht ein einziger schließen müssen", sagt Rotger.

Bislang sei die touristische Vermarktung vor allem von den Privatunternehmen wahrgenommen worden. Die öffentliche Seite habe hingegen wenig koordiniert agiert. Genau das soll sich nun ändern, so Rotger. So hat der Gemeinderat Ende 2014 erstmals einen lokalen Tourismusplan erstellt und verabschiedet. Ziel ist es, Urlauber anzusprechen, die vor allem Wert legen auf Ruhe und Erholung, Naturerlebnisse etwa beim Wandern, aber auch auf gepflegte mallorquinische Gastronomie, Kultur, Geschichte, Tradition. Das ist sicherlich kein Massentourismus, sagt Rotger. Vielmehr seien es Reisende, die bewusst auf jene Vorzüge setzen, wie sie in Selva und seinen Untergemeinden Caimari, Moscari, Biniamar und Binibona zu finden sind.

Neben dem Strategiepapier hat das Rathaus konkrete Vorhaben auf den Weg gebracht, die den Besuchern einen touristischen Mehrwert zu ihrem Aufenthalt bieten sollen. Dabei handelt es sich um folgende Dienstleistungen:

Erstmals wird in Selva ein touristisches Informationszentrum eröffnet. Es handelt sich um das Nachbargebäude des Rathauses. Das traditionelle Steinhaus wurde von der Gemeinde im Jahre 2011 für 200.000 Euro erworben und unter Bewahrung seiner charakteristischen Architektur modernisiert. In Ca Sa Blaies, das offiziell zum Sommer eröffnet werden soll, werden sich Besucher über das Dorf, Wanderwege, Unterkünfte und Restaurants sowie über das Tramuntana-Welterbe informieren können.

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Seit gut einem Jahr sind zudem sechs Forstarbeiter damit beschäftigt, drei traditionelle Wanderwege , die in Vergessenheit geraten waren, herzurichten. Sie mussten dazu das Dickicht und umgestürzte Bäume beseitigen sowie verfallene Trockensteinmauern herrichten. Geplant ist zudem eine Beschilderung. Auf diese Weise können Wanderer noch in diesem Jahr etwa von Caimari aus den Weg Comellar de S'homo bis zur Coveta Negra (3,7 Kilometer) nutzen, oder die Ruta des Fornassos (4,3 Kilometer) erkunden. Letztere soll am 8. März offiziell freigegeben werden, Erstere noch im Frühjahr folgen. An einer dritten Wanderroute zum sogenannten Mirador de Caimari wird noch gearbeitet. Hier sollen Wanderer von August an die Landschaft zu Fuß erobern können.

Neu ist ferner eine Internetseite , die das Rathaus 2014 freigeschaltet hat. Unter www.selva-portal.com können sich Interessenten neben (ausbaufähigem) Deutsch in sechs weiteren Sprachen über das touristische Angebot erkundigen und Unterkünfte suchen.

Eine weitere Neuerung ist, dass die denkmalgeschützte Kirche von Februar an Kulturbesuchern geöffnet sein wird. Das Gotteshaus kann dann täglich besichtigt werden, nicht nur während des Gottesdienstes am Sonntag.

Selva will zudem mit einem weiteren kulturellen Angebot punkten: Bereits in den 1960er Jahren gründete sich mit "Aires de Muntanya" eine Folkloregruppe, die vor Urlaubern Trachten und Tänze der Bergregion aufführte. Diese Tradition lebt jetzt wieder auf. Bereits im vergangenen Jahr gab es im Herrenhaus Can Servera im Carrer de Sa Noblesa einmal pro Woche eine Darbietung (freitags, 15.30 Uhr). Auch für 2015 sind von Ostern bis November wieder Aufführungen vorgesehen. "Allein im Vorjahr kamen 3000 Zuschauer", sagt Rotger

Ein weiteres Pfund, mit dem die Gemeinde wuchern möchte: Das ethnologische Freilandmuseum in Caimari, das bereits 2002 eröffnet wurde. Es soll noch ausführlicher über die einstigen Berufe in der Bergwelt - Köhler, Kalkbrenner, Schneesammler, Fallensteller - informieren.

Das Freilandmuseum liegt am Ortsrand von Caimari, dort beginnt auch der Aufstieg ins Hochgebirge. Viel zu lange haben die Einwohner in der Gemeinde zusehen müssen, wie Jahr für Jahr Hunderttausende von Mallorca-Besucher die Fahrt nach Lluc unternahmen, ohne unterwegs anzuhalten. Jetzt will die Gemeinde versuchen, von diesem Durchgangsstrom den einen oder anderen Touristen für einen Zwischenstopp zu gewinnen.

Hierfür könnte auch ein zusätzlicher Wochenmarkt in Selva dienen. Derzeit wird geprüft, ob außer Mittwoch nicht ein weiterer Markt am Samstag oder Sonntag stattfinden könnte: Mit Schwerpunkt Tramuntana-Produkten.

(aus MM 3/2015)