1972 wollte Ellen Thiemann mit ihrem Mann Klaus aus Ost-Berlin in den Westen fliehen. Doch die Pläne waren verraten worden, es kam nicht zur Flucht, stattdessen zur Verhaftung. Später wurde Thiemann zu drei Jahren und fünf Monaten verurteilt. Sie saß 23 Monate im berüchtigten Frauenzuchthaus Hoheneck. Folter, Schlafentzug, Zwangsarbeit.
1975 kommt Thiemann frei, darf mit ihrem Sohn in den Westen ausreisen. Sie zieht nach Köln, ist jahrelang für die Boulevardzeitung "Express" als Redakteurin und Ressortleiterin tätig. Schon 1984 erscheint ihr Buch "Stell dich mit den Schergen gut", in dem sie über ihre Haft berichtet. Dass die Stasi auch den Rest ihres Lebens bestimmen wird, war zu dem Zeitpunkt für Thiemann noch nicht abzusehen. "Ich habe gedacht, mit der Aufklärung habe ich meine Pflicht getan. Jetzt muss ich Abstand gewinnen, um das Leben genießen zu können."
Als sie 1992 das erste Mal Einblick in ihre Stasi-Akten bekommt, stellt Thiemann fest, dass ihr Ex-Mann Klaus, früher Fußballer, dann Sportjournalist, ein Stasi-Spitzel war und sogar die eigene Ehefrau bespitzelt hat. "Da ging es erst richtig los ...", meint die Autorin über ihre Aufklärungsaktivitäten. Es folgen zwei weitere Bücher - "Der Feind an meiner Seite" (2005) und "Wo sind die Toten von Hoheneck?" (2013).
Thiemann forscht weiter, wälzt Akten für sich selbst und auch für andere Stasi-Opfer, sitzt in Talkshows, nimmt an Diskussionsveranstaltungen teil, wird zu Vorträgen eingeladen. Sie macht oft die Erfahrung, dass die Täter von damals immer noch präsent sind. Und häufig bis heute noch nicht enttarnt. "Bei mir gibt es zum Beispiel immer noch sieben IM, deren Klarnamen nicht bekannt sind."
Thiemann wirkt unter anderem in Zeitzeugenprojekten mit und zeigt sich enttäuscht darüber, dass sich 25 Jahre nach der Wiedervereinigung "die Opferverbände zoffen". Sie weiß auch: "Manchen Politikern passt es nicht, dass wir Horrorgeschichten erzählen." Dennoch will Thiemann weitermachen. Auch wenn sie sich durch ihre Erzählungen und Forschungen nicht selten in unangenehme bis beängstigende Situationen bringt. "Jedes Mal, wenn ich irgendwo im TV zu sehen bin, muss ich mit Anrufen rechnen."
Ellen Thiemann glaubt, dass die Aufarbeitung der DDR-Geschichte noch viel Zeit in Anspruch nehmen wird. "Das Thema, das jetzt in den Mittelpunkt rückt, ist die Zwangsarbeit", stellt sie in Aussicht.
Auch Ellen Thiemann will an der Vergangenheitsbewältigung weiterhin mitwirken. Auf die Frage, ob es noch ein viertes Buch zum Themenkomplex geben wird, meint sie: "Ja. Dabei wollte ich eigentlich endlich mal einen Mallorca-Krimi und eine Familiensaga schreiben. Aber es wird noch ein politisches Buch geben."
Wenn Ellen Thiemann nach Mallorca kommt, widmet sie sich heutzutage weniger dem Schreiben, sondern ihrer zweiten Passion, der Malerei. In Palma besucht Thiemann mehrmals im Jahr Aquarellkurse der Kunstdozentin Mercedes Laviña.
(aus MM 48/2015)
10 Kommentare
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Adam@ Wie kommen sie dazu unsere Gesetze auf die DDR und Zeit vor Ende 1989 anzuwenden? Die DDR war ein eigener Staat mit eigenen Gesetzen. Sie war von vielen Staaten anerkannt. Und ob deren Gesetze Ihnen oder uns heute passen, haben wir nicht zu beurteilen. Wenn, dann nur die Bürger, die davon selbst betroffen waren.
“Gauck unterschlug Beweise über schwere Körperverletzung im Hochsicherheitstrakt der Speziellen Strafvollzugsabteilung Waldheim und Beweise für Folterungen an Frauen im Gefängnis Berlin Köpenick – Eine Strafverfolgung darf und kann nicht eingestellt werden, wenn Staatsorgane Beweise verändern bis vernichten, um die Straftat unbeweisbar zu machen und so mit Hilfe der Verjährungsfrist straflos zu stellen. Das ist ein Eingriff in die Grundrechte. Die Grundrechte verkörpern eine Werteordnung, die sich mit der Menschenwürde, dem Unverletzlichkeitspostulat des GG und der Selbstbestimmung verbinden. § 13 StGB erklärt die Garantenstellung von Staatsorganen und Beamten, zu denen auch Richter gehören und zwar dahingehend, daß ein Beamter, der eine Straftat erkennt verpflichtet ist, die Ausführung der Straftat auch dann zu verhindern, wenn es dafür eine Anweisung, einen Befehl, einen Verwaltungsakt gibt. Die Beweisvernichtung ist sittenwidrig. Sittenwidrig ist dasjenige, was der grundgesetzorientierte Bürger unternimmt, welches außerhalb dessen steht, was der anständig denkende und handelnde Bürger in der jeweiligen Sache veranlassen würde. Daraus folgt, durch Beweis-Vorenthaltung, m. E. ebenfalls eine Straftat, ist die Verjährungsfrist des causalen Deliktes unterbrochen. Die Untätigkeit der Staatsanwaltschaft ist ein weiteres Verbrechen, denn ich denke, daß Menschenrechtsverletzungen, spätestens auf der Ebene der Folter juis cogens sind (nicht verjähren). http://adamlauks.com/2013/01/31/die-wurde-des-menschen-ist-unantastbar-die-wurde-und-ehre-des-folteropfers-der-stazis-adam-lauks-wird-seit-30-4-1992-durch-die-berliner-justiz-mit-fusen-getreten-mit-wissen-des-deutschen-bund/
Meine Güte, seid Ihr alle schlau!
Alle diese Bücher und sogenannte "Aufarbeitungen" drücken sich um die Tatsache und Fragen herum: "WIE konnte es sein, ein solches System bis Ende 1989 am Leben zu halten? WAS hat Menschen gerade nach der Nazivergangenheit überhaupt dazu gebracht, dieses System mit gleichen Methoden zu stützen und sich dafür derartig zu engagieren? Vor allem diese Methoden immer weiter zu entwickeln?"
Ausländerfeindlichkeit gibt hüben sie trüben. Ein Wallraff-Experiment à la "Ganz unten" würde heute auch im Westen ähnliche Ergebnisse bringen. Wenn auch nicht so derb wie einst in der Stahlindustrie. Was mich mal interessieren würde, ist die Reaktion wenn Ausländer sagen würden sie seien in Deutschland "Resident" Die erste Frage währe wohl "Was bist du???"
Schließen sollte man gar nichts. Auch wenn "drüben" zweifelsohne nicht alles schlecht war, hat es schließlich auch etwas mit der DDR-Gesellschaft und der Stasi-Vergangenheit zu tun, dass der Osten leider bis heute extrem ausländerfeindlich und etwas piefig ist. Ein Ostproblem ist ein Ostproblem ist ein Ostproblem. Man kann es gar nicht oft genug sagen.
So kann nur schreiben, wer nicht von so einem Regime unterworfen wurde oder Profiteur eines solche war. Es ist wichtig die Erinnerung daran wach zu halten. So was darf sich nicht wiederholen.
So kann nur schreiben, wer nicht von so einem Regime unterworfen wurde oder Profiteur eines solche war. Es ist wichtig die Erinnerung daran wach zu halten. So was darf sich nicht wiederholen.
Ein Buch - SCHLIESSEN - das sollte man tun um nach vorne zu blicken auch wenn das Erlebte nicht einfach war. Das ist so mit dem dritten Reich und nun mit der Stasi Zeit. Solange es aber Leute gibt die immer wieder, und immer wieder, und immer wieder ........ auf der Vergangenheit rum hacken und sich auch noch eine Lebensaufgabe draus machen, wird ein abschliessen und ein sich öffnen für eine neue Zeit NIE stattfinden. Die ewig "Gestrigen" - die grossen Gerechtigkeitsfanaten, was geschehen ist ist geschehen, nur irgendwann muss man das Kapitel zumachen. Der Schuldkomplex - wird der Deutsche damit geboren ?? Mallorca sollte zu farbenfrohen Bildern anregen und nicht zu Büchern die die Welt wirklich nicht mehr braucht
Mit der Stasi ist es wie mit den Straßen auf Mallorca, die sind auch immer Schuld wenn es zu Unfällen kommt. Die Fahrer trifft keine Schuld.