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Die Bilder gingen damals europaweit durch die Medien, waren in den Hauptnachrichten des Fernsehens zu sehen und zierten Titelseiten von Tageszeitungen. Insbesondere das Schattenkonterfei des festgenommenen Bürgermeisters von Andratx, Eugenio Hidalgo, beim Abtransport im Polizeiauto, wirkte symbolträchtig: Die Zustände in der glamourösen Gemeinde im Südwesten von Mallorca waren sichtlich an einen Endpunkt gelangt. Es gab nur noch Schwarz und Weiß, aber keine Graustufen, sprich, keine Ausflüchte mehr. Die Justiz hatte in dem auch bei deutschen Residenten beliebten Küstenort hart angeklopft und bis dato gänzlich unvorstellbare Tatsachen geschaffen.

Was war geschehen? Am 26. November jährte sich zum zehnten Mal, dass Dutzende Zivilgardisten um Punkt halb zehn das burgartige Rathaus stürmten. Unzählige Datenträger wurden beschlagnahmt, Büroräume durchsucht, der Alkalde gefesselt abgeführt. In Hausdurchsuchungen an weiteren Orten der Insel stellten die Ermittler Unterlagen sicher, die später den Richtern dazu dienten, eine ganze Reihe von Vertretern der balearischen Politik und Gesellschaft zu verurteilen.

Der "Fall Andratx", wie die Staatsanwaltschaft das Verfahren um massive Verstöße gegen das Baurecht genannt hatte, bildete indes nur den Auftakt zu einer unglaublichen Reihe von Korruptionsfällen auf Mallorca, in die die konservative Partido Popular (PP) und die bürgerliche-regionalistische Kleinpartei Unió Mallorquina (UM) verstrickt waren. Andratx war nur das Lostreten einer Lawine, die letztlich höchste Regierungsvertreter der Insel wie den damaligen Ministerpräsidenten Jaume Matas oder die einstige Inselratspräsidentin Maria Antònia Munar von ihren Posten in die Gerichtssäle und weiter in die Zellen der Gefängnisse riss, in denen so manche Verurteilte noch sitzen.

"Der Fall Andratx, er hat das Image unserer Gemeinde nachhaltig belastet. Egal, wo man sich vorstellte, sobald der Name Andratx fiel, war man als Gemeinde regelrecht stigmatisiert", sagt Tolo Leal, Kommunikationschef im Rathaus von Andratx. Nach seinen Worten macht sich jedoch nach jahrelangen Bemühungen allmählich ein Wandel zum Positiven bemerkbar. In den Köpfen habe sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass etwa bei Genehmigungen nichts mehr so gehandhabt werden könne, wie es früher mitunter üblich war. Vorschriften seien dazu da, um beachtet zu werden; Recht und Gesetze, um eingehalten zu werden. Dazu wurden auch Kontrollmechanismen geschaffen. Was früher möglich war, könne sich nicht wiederholen. "Es darf keinen Rückfall geben."

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November 2016: Ungeachtet der schwer über den Bergen der Cala Llamp hängenden Regenwolken schimmert das Meer in der Bucht türkis, offerieren all die Immobilien am Hang luxuriöse Freiblicke auf die Bucht. Wer hier bauen lässt oder kauft, ist reich. Und die Nachfrage nach Immobilien mit Panoramaterrassen scheint ungebrochen. Die noch freien Bauplätze am Berg sind mit bloßem Auge auszumachen, hier und dort ragt ein Baukran in den Himmel, irgendwo in der Ferne ist das Tak-tak-tak eines Bohrhammers zu hören, wie er den Fels bearbeitet, oder das Dröhnen eines Lastwagens, der den Geröllschutt abtransportiert. Die Villa im Kiefernwald, in der einst der spanische Ministerpräsident Adolfo Suárez urlaubte, liegt direkt neben einer neuen Baustelle, ebenso das Sommerhaus, das der Enkelin des spanischen Diktators Franco gehört. Andratx bleibt gefragt. "Das ist ein Wahnsinn, was hier alles noch gebaut wird", sagt ein deutscher Anwohner, der sein eigenes Hanggrundstück bereits vor zwei Jahrzehnten gediegen mit Haus, Pool und Garage ausstattete.

"Andratx beschäftigt uns immer", sagt die Sprecherin der Naturschutzorganisation GOB, Margalida Ramis. Die Organisation hatte einst mit Anzeigen gegen Bürgermeister Hidalgo die Ermittlungen der Justiz angestoßen. Hidalgo hatte auf eine geschützte Parzelle ein Haus bauen lassen. Nach Ramis' Worten ist der Fall Andratx noch immer nicht komplett abgeschlossen. Von den bis zu 80 Einzelverfahren, die das Platzen der Korruptionsblase in der Gemeinde nach sich zog, beschäftigen manche noch immer die Justiz. Wie etwa der Fall von zwei Wohnblöcken mit 24 Apartments in der Tonyina-Straße. Ein höchstrichterliches Urteil sieht den Abriss vor, der immer noch nicht vollzogen ist. "Die Justiz arbeitet sehr langsam. Das bremst das Vorgehen aus. Darum sind wir in Andratx immer vor Ort, um auf die Umsetzung der Urteile zu drängen", sagt Ramis.

Ähnlich sieht das Ana Maria Jiménez von der Plattform "Retten wir Andratx". Bestimmungen gebe es viele. Es hapere jedoch an ihrer Einhaltung. "Es herrscht Laissez faire vor", sagt Jiménez. Konkret werde etwa gegen den Landschaftsschutz verstoßen, wenn auf Agrargrundstücken Boote und Yachten gelagert oder sogar repariert werden. "Das Rathaus muss vom Gesetz her diese Unternehmen schließen." Das gelte auch für Baufirmen, die ihre Materialien und den Maschinenpark auf der Wiese zwischen den Bäumen lagerten. Oder für Leute, die gewerblich Grünabfälle verbrennen. "All das ist illegal und muss von den Behörden unterbunden werden", sagt Jiménez.

Rathaussprecher Leal kennt die Probleme, insbesondere mit den Schiffen auf dem Acker. "Das betrifft nicht nur uns, sonderen diverse Gemeinden auf Mallorca. Darum suchen wir gemeinsam mit dem Inselrat nach Lösungen, was nicht einfach ist. Aber wir arbeiten daran."

(aus MM 47/2016)