Mallorcas Meeresreservate locken auch zahlreiche Taucher an. | Luis Comenge/ZOEA Santa Ponça

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Die Balearen nehmen in Sachen Meeresschutz spanienweit eine Vorreiterrolle ein - zumindest wenn man den nackten Zahlen glaubt. Allein rund um Mallorca befinden sich sechs Meeresreservate. Zusammen ergeben sie eine Fläche von mehr als 500 Quadratkilometern. Zum Vergleich: An der gesamten Mittelmeerküste Festlandspaniens von Gibraltar bis Frankreich sind nur 170 Quadratkilometer als Meeresreservate ausgewiesen. Dazu kommen in Balearen-Gewässern noch der Nationalpark von Cabrera, dessen maritimer Teil 87 Quadratkilometer umfasst, sowie weitere Schutzzonen (siehe Übersichtskarte auf der folgenden Seite). Und dennoch: Auch auf Mallorca ist in Sachen Meeresschutz noch viel zu tun.

Toni Grau vom balearischen Umweltamt erklärt, was die einzelnen Schutzzonen überhaupt bezwecken. "Die Prioritäten unterscheiden sich. Im Nationalpark von Cabrera geht es einzig und allein um die Umwelt. Die Idee ist, ein Stück Natur vor menschlichen Einflüssen zu bewahren. Jegliche Aktivität, die der Natur schaden könnte, ist strikt verboten." Ein Nationalpark stelle die höchste Stufe im Umweltschutz dar, eine Ebene darunter sei der Naturpark mit etwas weniger Einschränkungen. "In den Meeresreservaten steht dagegen die Fischerei im Vordergrund. Durch Fangverbote und Restriktionen sollen sich die Fischbestände erholen, damit die kleinen Küstenfischer davon leben können. Die natürlichen Ressourcen werden also geschont, um eine nachhaltige Fischerei zu fördern. Die Motivation ist wirtschaftlich."

Das erste Meeresreservat Mallorcas gibt es seit 1982 in der Bucht von Palma, das entsprechende Gesetz trat allerdings erst im Jahr 2000 in Kraft. Zwei Jahre später folgte das Gebiet im Süden der Insel, 2004 die Malgrats-Inseln und El Toro in Calvià, 2007 kam Llevant hinzu, und erst vor wenigen Wochen wurde die Meerenge von Dragonera zum sechsten Meeresreservat Mallorcas erklärt.

Fangverbote gelten nur in den Gebieten von Llevant, Migjorn und Palma und dort auch nur in kleinen Zonen. Ansonsten gelten Auflagen: Bei der Berufsfischerei ist nur eine kleine Anzahl an Schiffen aus der nächsten Umgebung zugelassen. Auch Freizeitfischer brauchen eine Genehmigung. Die Fangmethoden sind limitiert. Bei den Fischen müssen Mindestgrößen beachtet und bestimmte Arten dürfen gar nicht gefischt werden.

"Die Reservate funktionieren. Das Meer erholt sich schnell", sagt Toni Grau. Schon nach einigen Monaten nehme die Anzahl und Größe der Fische zu und selbst seltene oder bedrohte Arten kämen wieder vor. Die Fischer könnten deshalb mit weniger Aufwand mehr fischen. Die Ergebnisse seien nicht überall gleich, aber insgesamt befriedigend, bestätigt Antoni Garau, der Präsident der balearischen Fischereivereinigung.

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Nicht nur die Fischer profitieren von dem größeren Fischreichtum, auch der Tourismus. Die Meeresreservate ziehen viele Tauchfreunde an. "Allein nach El Toro kamen im letzten Jahr 25.000 Taucher. Und es wären noch mehr, wenn wir die Zahl nicht limitieren würden", meint Toni Grau. Eine siebte Schutzzone vor Sóller ist geplant. Das Gebiet sei total überfischt, habe aber ein enormes Potenzial zur Regenerierung. "Leider sind das nationale Gewässer. Sie unterstehen Madrid." Der Antrag laufe, aber der Staat habe kein Geld.

Weitere Meeresreservate sind nicht geplant. "Eine Schutzzone nützt ja ihrer Umgebung, weil auch Fische nach draußen schwimmen. Wenn sie wir überall machen, geht dieser Effekt verloren", meint Grau. Da sind die Umweltschützer ganz anderer Meinung. Es gebe ganz offensichtlich zu wenige Schutzzonen, findet Toni Muñoz vom balearischen Umweltverband GOB. Das Balearenmeer trage zur biologischen Vielfalt im ganzen Mittelmeer bei. Ein umfangreicher Schutz sei mehr als gerechtfertigt. Die Neptunwiesen beispielsweise existierten nur hier. Hinzu kämen einzigartige Korallenriffe und Höhlen, Durchgangsrouten für große Fische, die Liste sei lang. Wichtige Lebensräume seien zurzeit nicht ausreichend geschützt. Auch der wirtschaftliche Faktor spreche für weitere Reservate. Sie sicherten kleinen Küstenfischern die Existenz und seien eine Einkommensquelle für den Tourismus. Generell müssten die Gebiete größer sein, um darin Fischerei-Verbotszonen einrichten zu können: "Dort erfüllen sie ihre Funktion. Ohne sie ist es viel schwieriger." Die Umweltorganisation Oceana stimmt dem GOB zu. "Deshalb haben wir die Zusammenlegung der Reservate von El Toro und den Malgrats-Inseln beantragt", sagt Oceana-Mitarbeiterin Marta Carreras.

Die Umweltschützer prangern auch mangelnde Kontrolle und fehlende wissenschaftliche Studien an. Beides sei richtig, gibt Toni Grau zu. "Die Aufsicht zu verstärken hat jetzt absolute Priorität." Auch stehe ein Budget von fast 600.000 Euro zur Verfügung, um die Größe der Fischvorkommen in den Meeresreservaten zu bestimmen und die Fischereiregeln entsprechend anzupassen. Bei El Toro, den Malgrats-Inseln und im Llevant-Reservat sei das schon passiert.

"Vorrang muss jetzt die Ausweitung der Schutzmaßnahmen auf die tiefen Gewässer haben", meint Marta Carreras. Bislang habe man sich auf die Küstenregion konzentriert, aber die Tiefen des Meeres würden wichtige Lebensräume beherbergen, darunter Unterwasserberge und Canyons mit Abhängen von 200 Meter auf 2000 Meter Tiefe. Dort lebten viele seltene und bedrohte Arten. Effektiv geschützt seien zurzeit zwei Prozent des Balearenmeers: "Oceana fordert übereinstimmend mit der Weltnaturschutzunion 30 Prozent."

Ein Schritt in diese Richtung ist die geplante Erweiterung des Nationalparks von Cabrera auf 900 Quadratkilometer. Das ist das Zehnfache seiner jetzigen Größe und umfasst auch tiefere Gewässer.

(aus MM 3/2017)