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Spaziergänger in Arenal rieben sich in den vergangenen Tagen verwundert die Augen: Der deutsche Bundestagswahlkampf ist auf Mallorca angekommen. Am Strand konnte man ein Plakat der FDP erblicken. Text: "Auch im 17. Bundesland darf man wählen. Jetzt Briefwahl in Deutschland beantragen."

Dabei hatte Wolfgang Kubicki, Bundes-Vize der Liberalen, Anfang August in einem ausführlichen MM-Interview Folgendes erklärt: "Ich halte nichts davon, Bundestagswahlkampf auf Mallorca zu machen. Die Urlauber sollen sich erholen. Und die Deutschen, die fest hier leben, tun vielleicht gut daran, sich etwas mehr um die mallorquinische und spanische Politik zu kümmern." Und jetzt doch Wahlkampf auf der Insel?

Das sieht man in der Berliner FDP-Zentrale anders. Es handele sich nicht um Wahlkampf auf Mallorca, sondern um eine PR-Aktion für die sozialen Netzwerke. Das Plakat wurde nur kreiert, damit man Fotos und Videos davon machen konnte. Denn die FDP wirbt wie auch die anderen Parteien um Briefwähler. "Wir haben uns überlegt, wie wir das etwas spektakulärer und aufregender machen können", so FDP-Pressesprecher Nils Droste auf MM-Anfrage. In den sozialen Netzwerken findet man Fotos von dem Plakat und ein Zehn-Sekunden-Video. Die Botschaft lautet: "Donde está el Wahllokal? Wählen, wo andere Urlaub machen. Auch im 17. Bundesland darf man wählen. Vamos a la Briefkasten." (das Video findet man hier.)

"Das war natürlich etwas als Gag gedacht", meint Droste. "Wenn man sich Kampagnen der FDP anguckt, wird immer wieder auffallen, dass ein gewisser Teil Provokation dabei ist. So haben wir bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg zum Beispiel für Katja Suding mit dem Slogan ,Unser Mann für Hamburg' geworben."

"Es wird immer Kritik geben, wir glauben nicht, dass wir mit der Aktion Grenzen überschritten haben", betont der Sprecher. Ohne Zweifel wurde aber zumindest eine Ländergrenze überschritten. "Das war auch nicht das erste Mal", meint Droste und erinnert an eine Aktion in London. Nach der britischen Entscheidung für den Brexit hat ein Van ein FDP-Plakat durch London gefahren, auf dem stand "Dear start-ups, keep calm and move to Berlin" ("Liebe Start-ups, bleibt ruhig und zieht nach Berlin").

Dass die FDP mal wieder das Klischee "17. Bundesland" bemüht hat, das bei Mallorca-Deutschen ebenso wenig gut ankommt wie bei Spaniern, sieht Droste auch nicht als Problem. "Es ist ein Gag."

Eigentlich hätte für die Aktion ausgereicht, das Plakat einen Tag zu aktivieren. Dass es länger zu sehen war, lag daran, dass die Fläche mindestens für eine Woche gebucht werden musste. Der Kontrakt lief der FDP zufolge von Dienstag, 22., bis Dienstag, 29. August.

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Langjährige Mallorca-Insider fühlten sich ein wenig erinnert an 1998. Damals war es ebenfalls die FDP, die für Diskussionen sorgte. Zur Bundestagswahl buchte die Partei eine Plakatfläche an der Autobahnausfahrt Cala Estància am Flughafen. FDP-Chef Wolfgang Gerhardt legte medienwirksam selber mit Hand an. Die Aussage: "Schöne Ferien. Und das nicht nur alle fünf Jahre - wie die Grünen meinen. Es ist Ihre Wahl."

"Ich gehe dahin, wo unsere Wähler sind", sagte der Politiker in die Mikrofone. Auf der Insel überwog ein skeptisches Echo. Pere Sampol, damals Sprecher der Partei PSM: "Der Eindruck wird immer stärker, dass die Balearen ein deutsches Bundesland sind." Miguel Àngel March, seinerzeit Chef der Umweltschutz-Organisation GOB und heute Bürgermeister von Pollença, kommentierte: "Es ist, als ob Wahlkampf in den Kolonien gemacht würde."

"Klassischer" deutscher Wahlkampf auf Mallorca, mit Plakaten und Flugblättern, scheint heutzutage nicht mehr angesagt zu sein. MM wollte von den Parteien wissen, ob sie in den kommenden Wochen Wahlkampfpläne für die Insel haben.

"Im Zeitalter der sozialen Medien, die ja auch und gerade im Urlaub gern genutzt werden, ist der Wahlkampf auf Plattformen wie Facebook, Instagram oder Twitter allgegenwärtig, so dass man ihm auch auf Mallorca kaum entgehen kann", antwortet Hendrik Thalheim, Pressesprecher der Linken. "Insofern kann man auf symbolische Plakatierung verzichten, umso mehr als die Einheimischen sicher nicht mit deutschen Wahlplakaten behelligt werden wollen."

Ähnlich sieht es Marius Knaak von den Grünen. Konkrete Aktionen auf Mallorca seien nicht geplant. "Da aber die Hälfte unseres Wahlkampfbudgets in den Online-Wahlkampf fließt, werden wir viele Deutsche auf Mallorca und anderswo über soziale Medien erreichen."

Folgendes meint die Union zum Thema: "CDU und CSU sprechen bereits seit mehreren Jahren die Deutschen im Ausland gezielt an und setzen sich für deren Interessen ein. Hierfür haben CDU und CSU eine spezielle Homepage gestaltet, die es den Deutschen im Ausland, die CDU und CSU nahe stehen, ermöglicht, sich zu vernetzen. Ein Wahlkampf unmittelbar auf Mallorca ist allerdings nicht geplant."

SPD und AfD haben auf schriftliche MM-Anfrage zum Thema Wahlkampf auf Mallorca nicht reagiert.

Den vollständigen Bericht lesen Sie in der aktuellen MM-Ausgabe, erhältlich am Kiosk, auch in in Deutschland oder per E-Paper.
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