Rostig, aber oft noch funktionstüchtig: Öffentlicher Fernsprecher. | R.L. / Ultima Hora

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Es ist ein absonderlicher Widerhall aus verklungener Zeit. Man schlendert durch Palma, und mit einem Mal durchbohrt einen dieses Gefühl, womöglich nicht aus den 80ern herausgewachsen zu sein. Das öffentliche Telefon auf der viel besuchten Rambla etwa sticht ins Auge, und es funktioniert sogar! Und das, obwohl so gut wie jeder nunmehr ein Smartphone besitzt.

Unglaublich, aber wahr: Allein im historischen Zentrum von Palma stehen noch immer Dutzende öffentliche Fernsprecher herum – alle vom Telekommunikationsriesen Telefónica. Rechnet man den Großraum der Stadt hinzu, sind es um die 100 (genaue Standorte: siehe www.cabitel.es). Dabei sagte in mehreren Umfragen eine Riesen-Mehrheit immer, noch nie so ein Retro-Objekt benutzt zu haben. Verglichen mit anderen europäischen Ländern mutet die Lage in Spanien fast auf komische Weise archaisch an: Finnland, Belgien oder Dänemark haben die Objekte längst abgebaut.

Dass es kurioserweise noch immer etwa 18.000 Telefonzellen in Spanien gibt, liegt daran, dass das Königliche Dekret 424/2011 den Monopolisten Telefónica sowie einige Regional-Betreiber verpflichtet, diese in die Jahre gekommenen Geräte unbedingt zu warten. Jede Gemeinde mit mindestens 1000 Einwohnern muss eine Telefonzelle anbieten, für alle 3000 weitere Menschen muss noch eine hinzukommen. Und so verbrennen die Unternehmen etwa sieben Millionen Euro im Jahr für Wartung und vandalismusbedingte Wiederherrichtung.

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Bis in die 90er hinein, als Smartphones reine Zukunftsmusik waren, machten die Konzerne Kasse mit den Zellen. Nachdem 1928 im Parque Retiro in Madrid mit viel Brimborium die erste Telefonzelle in Spanien eingeweiht worden war – sie funktionierte noch mit Metallchips –, stieg deren Zahl auf 55.000 im Jahr 1999 an. 1966 wurden – eine weitere Mini-Revolution – die ersten Münzfernsprecher eingeführt, was mit großen Augen von den Menschen zur Kenntnis genommen wurde. Später kamen dann bekanntlich modernere Apparate für aufladbare Telefonkarten hinzu.

Spanien steht mit dem Telefonzellen-Problem nicht allein da. Auch in Deutschland finden sich noch immer etwa 20.000. 2007 waren es noch 110.000. In Deutschland kann sich die Telekom ebenfalls nicht erlauben, alles abzureißen. Möchte der Konzern Telefonzellen entfernen, steht jeder Gemeinde ausdrücklich ein Vetorecht zu. So wie auch in Spanien werden die irritierenden Geisterapparate also noch weiterhin einige Zeit präsent bleiben.

(aus MM 46/2018)