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Als Sandra Schwenn vor vier Jahren mit ihrer Familie von London nach Mallorca zog, war sie erst mal gar nicht so begeistert. „Ich liebte das Leben in der Großstadt. Dann kam mein Mann auf die Idee, die Insel, die wir bis dahin nur von Urlauben in unserem Ferienhaus kannten, zu unserer neuen Heimat zu machen.“

Mit gemischten Gefühlen zog sie mit ihrem damals neunjährigen Sohn nach Mallorca, aber heute sei sie angekommen. „Ich habe hier zu mir selbst gefunden, und fühle mich zu Hause.“ Nach Lebensstationen in Hamburg, Rom und London ist das sicherlich ein großes Kompliment für Mallorca.

Dass die gelernte Interior-Designerin und Stylistin seit vergangenem Dezember ein Stück London ihr Eigen nennt, hat sie ihrem 50. Geburtstag zu verdanken. An diesem Tag bekam sie ein original Londoner Taxi geschenkt – ein sogenanntes „Black Cab“. Der Austin FX4 wurde auf den Straßen der britischen Hauptstadt berühmt, und die Nachfolgemodelle bestimmen dort noch heute das Straßenbild. Ebenso wie das Vorgängermodell FX3 wurde auch der FX4 von Austin in Zusammenarbeit mit „Mann and Overton“ (einem Taxi-Unternehmen) und dem Fahrzeugbauer „Carbodies“ konstruiert.

Der FX4 war beinahe 40 Jahre lang Bestseller des englischen Unternehmens. Heute wird die Produktion von der Firma „London Taxi Company“ (LTC) sowie dem chinesischen Mutterkonzern „Geely“ gelenkt.

Der klassischerweise schwarz lackierte Austin wird auch „London Cab“ oder „Hackney Carriage“ genannt. Ursprünglich wurden damit die zu mietenden Pferdekutschen aus dem Stadtteil Hackney bezeichnet, die seit Mitte des 17. Jahrhunderts auf Londons Straßen kutschierten. Das Wort „Cab“ stammt von der Bezeichnung „Cabriolet“, mit dem die historischen zweirädrigen, offenen Kutschen bezeichnet wurden, die im 18. Jahrhundert aus Frankreich importiert wurden. Ob offen fahren früher im häufig verregneten London ein Vergnügen war, darf bezweifelt werden.

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Inzwischen sind die Taxis dem englischen Wetter angepasst und geschlossen. Noch heute fahren laut Hersteller rund 20.000 „Black Cabs“ in der britischen Hauptstadt umher. „Unser Modell Baujahr 1981 ist hier auf Mallorca bislang das Einzige, und – soweit wir wissen – als Mietwagen sogar einmalig in ganz Spanien“, erzählt Sandra Schwenn. Der 2,7-Liter-Dieselmotor der Firma Perkins gilt als besonders leistungsstark, das Automatikgetriebe ist serienmäßig.

Dass sie den Oldtimer nun für ihre kürzlich gegründete Hochzeits- und Event-Firma „Loove Weddings“ einsetzt, lag nahe. Statt Häuser und Wohnungen ihrer Kunden einzurichten, kam Sandra Schwenn nämlich auf die Idee, ihre Talente für das Design bei Feiern und Hochzeiten zu nutzen. Unterstützung erhält sie dabei von ihrer Geschäfts-Partnerin Lara Keszler, die ihr im Backoffice den Rücken für alles Künstlerische freihält. Die Nachbarinnen lernten sich beim Spaziergang mit den Hunden kennen, und ergänzen sich nach eigenen Angaben perfekt. „Es macht mir einfach Freude, von der Braut bis zur Dinner-Location alles zu stylen“, sagt die Designerin, die früher auch als professionelles Model ihr Geld verdiente. Dass sie ihren Kunden nun dieses besondere Transportmittel anbieten kann, passt genau in ihre Strategie: „Wir wollen ein bisschen anders sein als die anderen.“

Während Londoner Cab-Chauffeure in rund 25.000 Straßen mit Tausenden von Sehenswürdigkeiten die kürzeste Strecke von A nach B finden müssen, kann sich der Nutzer des Londoner Taxis auf Mallorca entspannt zurücklehnen: „Hier werden unsere Hochzeitspaare oder deren Gäste höchstens zwischen Traualtar, Eventlocation und Hotel hin- und herkutschiert“, sagt Sandra Schwenn. Gefahren werden sie dabei immer von einem professionellen Chauffeur.

Und das mit Stil, denn die breiten Türen, der bequeme Einstieg, die edlen rot-schwarzen Ledersitze und genügend Beinfreiheit sind nicht nur für Frauen mit voluminösen Brautkleidern ideal. Der komplett aus Originalteilen bestehende, aufwendig renovierte Oldtimer kann bequem fünf Passagiere aufnehmen, wobei zwei von ihnen hinten auf Klappsitzen gegen die Fahrtrichtung sitzen. Liebevolle Details wie ein altes Gebührenschild, eine Reklametafel der Telefongesellschaft „Mercury“ oder die gläserne Trennscheibe zum Fahrerhaus machen den besonderen Charme aus.

Und ein Relikt der berühmten britischen Höflichkeit bietet sich den Fahrgästen in einem Hinweisschild des Herstellers „Carbodies“, das übersetzt rät: „Für Ihre Sicherheit und Ihren Komfort lehnen Sie sich bitte bequem in Ihren Sitz zurück.“ Fehlt eigentlich nur noch der Butler, der den Drink serviert.

(aus MM 4/2019)