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Wenn im Sommer auf Magalufs Straßen Ausnahmezustand herrscht, endet das nicht selten in wüsten Schlägereien, Straßenschlachten und waghalsigen Mutproben wie sich vom Hotelbalkon in luftiger Höhe aus in den Pool zu stürzen. Da, wo die Polizei nicht mehr Herr der Lage werden kann, sind sie im Einsatz: Eine ehrenamtliche Formation, die sich selbst „Street Angels” nennt, „Engel der Straße”.

Ein unabhängiger, christlich inspirierter Dienst mit Ursprung in England, wo er in vielen größeren Städten angeboten wird. Auf Mallorca ist der Kontakt über eine Kirche in Santa Ponça entstanden, erzählt Gernot Elsner, Mitbegründer des deutschen Vereins Gospeltribe, der auch seit zehn Jahren die Sommer-Gottesdienste am Ballermann organisiert. Seit 2016 sind auch die Gospeltribe-Mitglieder mit den „Street Angels” auf den nächtlichen Straßen von Magaluf unterwegs. Sieben- bis achtmal pro Jahr seien die angereisten deutschsprachigen Christen im Rahmen dieses Dienstes unterwegs. Auch in den vergangenen Wochen haben sie auf der berüchtigten Punta Ballena in den frühen Morgenstunden patrouilliert. Trotz starker Polizeipräsenz gibt es einiges zu tun in dem vor allem bei Briten beliebten Ferienhotspot im Südwesten der Insel. Denn dank der Billigangebote in Bars und Hotels trinken die Jugendlichen dort schon teilweise ab dem Nachmittag. Touristen werden Opfer von Diebstahl und Raub, werden in Unfälle verstrickt, die auch tödlich endeten.

„Wir sind nicht besonders medizinisch geschult, aber wir können zumindest unterstützen und auch einfach mal emotional für die Menschen da sein”, sagt der Erlanger Philipp Menz, der zu Gospeltribe gehört. „Meistens haben wir Wasser verteilt oder Leute zu ihren Hotels begleitet oder ein Taxi oder einen Krankenwagen gerufen.”

Gut erkennbar an den gelben Warnwesten mit der Aufschrift „Street Angels” würden auch immer wieder Freunde von Hilfsbedürftigen auf die Gruppe zukommen und um Unterstützung bitten. „Am vergangenen Wochenende hatte jeder Dritte zum Beispiel sein Handy verloren oder es wurde diesem geklaut”, sagt Menz. „Die Betroffenen können dann keinen Kontakt mehr zu ihren Freunden aufnehmen oder haben ohne Navigationsmöglichkeit ihr Hotel nicht mehr gefunden.” Der 31-Jährige weiter: „In manchen Fällen ist man auch ein bisschen ratlos, wie wenn jemand seine Hotelkarte verloren hat und sich aufgrund seines Zustands auch nicht mehr erinnern kann, in welchem Hotel er untergekommen ist.”

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Dass nachts die Hemmschwelle sinkt, weiß auch Gernot Elsner aufgrund der Einsätze. „Zerknirscht und geplättet” erlebte er viele der Opfer auf Magalufs Straßen. Vor allem Frauen, die in halb bewusstlosem Zustand noch sexuell belästigt wurden. Diese werden dann auch zur Polizei oder ins Krankenhaus begleitet. „Manche bekommen erst mit, was passiert ist, wenn sie am nächsten Tag das Armbändchen vom Krankenhaus an ihrem Arm sehen”, sagt Elsner.

Das Projekt sei mittlerweile bei der Polizei sehr bekannt, auch Nutzer sozialer Netzwerke würden die „Engel” aufgrund ihrer geteilten Videos erkennen. „Die Reaktion auf der Straße war bisher überwältigend positiv”, sagt Philipp Menz. Von umliegenden Barbesitzern hätte das fünfzehnköpfige Team sogar kostenlos Softdrinks bekommen.

Die positiven Erlebnisse animieren die Ehrenamtler, weiterzumachen. Ein Schotte etwa, dem die „Street Angels” nach dem Verlust seines Passes helfen konnten, hat so seinen Weg zum christlichen Glauben gefunden und ist seitdem zum Kirchgänger geworden, erzählt Elsner. Auf die Frage, ob der Verein nicht eigentlich das übernimmt, wofür die Polizei zuständig ist, sagt der Baden-Württemberger: „Im Prinzip schon, aber alleine können die Beamten die Situation dort nicht bewältigen, weil sie zu oft aus dem Ruder gerät. Und was uns unterscheidet, ist die persönliche Note und die emotionale Unterstützung, die wir den Menschen bieten.”

(aus MM 34/2019)