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Viele Fußgänger bemerken die über ihren Köpfen schwebende Fußbekleidung gar nicht. Andere zücken bei dem Anblick der an den Schnürsenkeln miteinander verknoteten Sneaker an der Calle Set Cantons Ecke Calle Argentería gleich das Smartphone. Was aber soll das Riesen-Mobile aus Schuhen? Ist das Kunst, oder kann das weg?

„Shoefiti” heißt das Phänomen in Anlehnung an eine andere Form der Straßenkunst, das Graffiti, und Erklärungen dafür gibt es viele. Dort, wo die Schuhe hängen, sei der nächste Drogenhändler nicht weit weg, besagt etwa ein urbaner Mythos. Der Trend stamme aus Schottland oder den USA, heißt es an anderer Stelle. So soll es unter schottischen Männern schon lange Brauch sein, Schuhe ins Fenster zu hängen, sobald sie ihre Jungfräulichkeit verloren haben. In New York hinterließen Straßengangs baumelnde Schuhe, um ihr Drogenrevier oder Orte zu markieren, an denen eines ihrer Mitglieder getötet wurde. Die Stadtverwaltung von Los Angeles startete vor Jahren sogar eine Kampagne zur Beseitigung dieser zweifelhaften Zeichen aus der Unterwelt. Fest steht, dass die Schuh-Skulpturen schnell ihren Weg auch in andere Länder fanden und sich in vielen Städten zu einer Kunstform entwickelten.

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Die palmesanische Variante des „Shoefiti” habe ganz sicher nichts mit dem Drogenverkauf zu tun. Meist seien es Schüler oder Studenten, die ihrer Kreativität freien Lauf lassen und Schuhwerk an Kabeln oder Ampelmasten drapieren, heißt es in einem Bericht der „Ultima Hora”. Noch in den 90er Jahren hatte die hängende Fußbekleidung allerdings eine ernstere Bedeutung. Soldaten feierten damit das ersehnte Ende ihres Militärdienstes. Als die Wehrpflicht abgeschafft wurde, verschwand auch dieser Brauch.

Heute werden Fotos von baumelnden Schuhen aus aller Welt vor allem in den sozialen Netzwerken verbreitet. Auch in Deutschland ist das Phänomen schon seit Jahren zu beobachten. Eine Hochburg dieses Trends ist Berlin. Noch bekannter aber ist die Norderstraße in Flensburg. Die Schuhe, die dort über einer Leine hängen, haben sich zu einer regelrechten Sehenswürdigkeit und einem beliebten Fotomotiv entwickelt. Der Besitzer eines Skatershops entsorgte mit dieser ungewöhnlichen Methode die gebrauchten Sneaker, die seine Kunden nach dem Kauf eines neuen Paars bei ihm zurückließen. So viel Kreativität wurde honoriert. Das New Yorker Reisemagazin „Travel + Leisure” kürte die Norderstraße vor einigen Jahren zu einer der 18 „verrücktesten Straßen der Welt”. Vielleicht wird ja auch Palmas Calle Set Cantons eines Tages eine ähnliche Auszeichnung zuteil. (mais)

(Aus MM 01/20)