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Die hölzerne Figur steht ein wenig verloren auf einem Podest zwischen zwei Raketen und vor einem Propeller, doch alles hier dreht sich heute nur um sie. Die Jungfrau von Loreto ist die Schutzpatronin der Luftwaffe, und was wäre Spanien, wenn ihr nicht auf der Basis der „Ala-49”-Einheit am Flughafen wie jedes Jahr mit einer schmissigen Militär-Zeremonie gehuldigt würde.

Es ist Dienstag, der 10. Dezember, die zahlreichen Militärs und Angehörigen der Guardia Civil freuen sich sichtlich über das schöne windstille Wetter. Nur einen Tag vorher war ein Sturm mit Böen von über 100 Stundenkilometern über die Insel gefegt, und die Veranstaltung hätte so wohl eher nicht stattfinden können. Manch einer dürfte sich heute zwischen den aus der Franco-Zeit stammenden Gebäuden fragen, ob die „Virgen” nicht die Hände dabei im Spiel gehabt haben mag, einen Spätherbst-Tag herzuzaubern, wie er schöner kaum sein könnte.

Der große rechteckige, in den 40er-Jahren im imperialen Stil der damaligen Epoche errichtete Parade-Platz macht unter der strahlenden Dezember-Sonne aus sich heraus schon Eindruck. Eingefriedet von Säulen und Bögen eignet er sich also bestens für das, was jetzt einige geschlagene Stunden lang über die Bühne gehen soll.

Vor allerlei auf weißen Stühlen sitzenden Gästen und unter dem Befehl von Standortkommandant Oberst José Manuel Munaiz Asenjo wird nach dem Einmarsch der Soldaten und Offiziere zunächst betont feierlich die Nationalhymne abgespielt. Dann bekommen einige verdiente Militärs die Gelegenheit, auf dem Exerzierplatz die spanische Fahne zu küssen. Es folgen Ordensverleihungen im Angesicht der Jungfrau. Und dann hat Oberst Munaiz Asenjo in Anwesenheit von Diplomaten und dem Delegierten der geschäftsführenden Madrider Zentralregierung, Ramón Morey, noch etwas zu verkünden: Man verfüge jetzt auf der Basis über vier nagelneue Superpuma-Helikopter. Sie stocken das Kontingent von CN-235-Flugzeugen auf, deren Aufgabe es seit vielen Jahrzehnten ist, das Meer zu überwachen und auch Rettungseinsätze zu fliegen.

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Man schrieb das Jahr 1940, als hier auf diesem 1,2 Millionen Quadratmeter großen Gelände kurz nach dem Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) die ersten Flugzeuge stationiert wurden. Es handelte sich um zwölf deutsche Heinkel-Flieger vom Typ HE-111, die vorher in Logroño gestanden hatten. Etwa zeitgleich war die ebenfalls noch heute existierende Basis für Wasserflugzeuge in der Bucht von Pollença aus dem Boden gestampft worden. Mit der Zeit wurde das Areal am heutigen Insel-Flughafen immer wichtiger, bereits in den 50ern wurde es offiziell in eine Militärbasis umgewandelt. Am 4. Oktober 2005 erlebten die dortigen Militärs dann einen geschichtlichen Höhepunkt: Der damalige Kronprinz Felipe weihte feierlich ein Denkmal mit einem Helikopter vom Typ Augusta Bell ein.

Momentan tun auf der Basis Son San Juan etwa 450 Männer und Frauen Dienst, die meisten von ihnen befinden sich heute auf dem Paradeplatz. Als einer der neuen Hubschrauber im Tiefflug über das Areal hinwegdonnert, sind Uniform- und Nicht-Uniformträger sichtlich hin und weg. Wenig später marschieren noch Soldaten am Standortkommandanten vorbei, und so jäh, wie die Zeremonie begann, endet sie auch.

Doch was wäre Spanien, wenn nach der zackigen Pflicht nicht noch eine lockere, lange und zünftige Mittagspause kommen würde. Bei einem großen Büfettessen im Speisesaal des Komplexes werden die vor Minuten noch so formellen Militärs im Nu gelöster. Aktive Offiziere, Veteranen, Journalisten und Diplomaten schieben sich hier bei Ribera-del-Duero-Rotwein, Shandy und Flaschenbier spanische Spezialitäten wie Kroketten, Tintenfischringe und Schinken in den Mund, lockere Plauscheinlagen haben das vorausgegangene Ritual abgelöst. Draußen auf dem Paradeplatz und jetzt ganz allein steht weiter die hölzerne Jungfrauenfigur auf dem Podest.

(aus MM 1/2020)