Nach sechs Wochen Ausangssperre der erste Spaziergang mit den Kindern an der Meerespromenade in El Molinar. | Valentin Gomila

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Für die kleine Emilia gab es am Sonntagmorgen kein Halten mehr. Gleich kurz nach 9 Uhr konnte sie erstmals nach 42 Tagen Ausgangssperre auf Mallorca endlich wieder das Haus verlassen. Wenn auch nur für eine Stunde, und nicht weiter weg als einen Kilometer Entfernung. Doch auch das war schon ein ganz eigenes Gefühl von Freiheit für die Zweijährige in der Wohnsiedlung Puig de Ros am Meer bei S'Arenal.

Auch andere Eltern hatten sich dort bei heiterem Sonnenschein bereits bei erster Gelegenheit ins Freie begeben."Die Kinder haben uns zugewunken, als hätten sie seit Monaten keine anderen Menschen gesehen", erzählt Emilias Mutter, eine deutsche Residentin, die mit ihrem Mann und zwei Töchtern auf Mallorca lebt. Die Menschen hielten dabei die Sicherheitsabstände von mindestens einem Meter ein. Die Verunsicherung durch das Coronavirus hält weiter an, sagt die Mutter. "Die Leute, die mit ihren Hunden Gassi gehen, laufen mitten auf der Straße, es kommt ja kaum ein Auto. Jeder grüßt sich am liebsten von der anderen Straßenseite aus und es gibt nur einen kurzen Schwatz."

Im Stadtzentrum von Palma herrschte indes am Vormittag ein hohes Menschenaufkommen. "Es gibt ja so viele Kinder", ruft die sechsjährige Alba voller Freude aus, als sie mit ihrer Mutter die Grünzone an der Eusebi-Estada-Straße aufsucht. Viele sind jauchzend auf ihren Kinderrädern unterwegs, und achten doch darauf, nicht zu nah an andere Passanten heranzugeraten. Einziger Wermutstropfen für Alba: Sie hat sich ausgerechnet in der Ausgangssperre zu Hause bei einem Sturz das Handgelenk angebrochen und kann nun nicht selbst auf ihr Rad steigen.


Palmesaner suchen die Grünzonen der Stadt auf. Foto: pl

"Man hört zum ersten Mal wieder Kinderstimmen draußen", freut sich eine deutsche Palma-Bewohnerin, die das Treiben in der Straße von ihrem Balkon aus im Blick hat. In der verkehrsberuhigten Straße sind die Kinder unter 14 mit Skateboards, Rollern oder Tretautos eifrig am Toben, stets mit Argusaugen beobachtet von einem erziehungsberechtigten Erwachsenen und der Polizei, die ebenfalls Präsenz zeigt.

Wer das Glück hat, nur einen Kilometer vom Strand entfernt zu wohnen, darf sogar am Meer spazierengehen. In Ciutat Jardí ist die Polizei mit dem Streifenwagen unterwegs, erinnert per Lautsprecher die Passanten daran, untereinander ausreichend Abstand zu halten. Das Rathaus hatte zudem bereits am Samstag das Baden im Meer verboten.

Viele Kinder haben erstmals wieder Gelegenheit, im Sand zu buddeln, zu rennen, zu springen, sich einfach ohne einengende Wände und Mauern bewegen zu können. Mediendesigner Valentín hat zwei Kinder, Sergio (10) und Blanca (6). "Endlich wieder frei!", ruft das Mädchen aufgeregt. Der Vater ist mit dem Sohn, die Mutter mit der Tochter hinausgegangen. Man hält die geforderte Distanz ein und hat somit dennoch so etwas wie einen gemeinsamen Familienausflug auf die Beine stellen können.


Palmas Stadtstrand am Sonntagvormittag.
Foto: Dorothee Kammel (dk)

Pech hat ein junges Elternpaar mit einem Kind im Buggy am Strand von El Molinar. Es darf immer nur ein Erwachsener mit dem Nachwuchs hinaus, werden die Erwachsenen freundlich von Polizisten ermahnt.

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Die Verunsicherung der Menschen macht sich auch am Tragen der Schutzmasken bemerkbar. Selbst am Strand, in frischer Luft und weitab von anderen Passanten, wollen viele nicht auf das Stofftuch vor dem Mund verzichten.

Im Bahnhofspark von Palma ist der fünfjährige Liam mit seinem Papa unterwegs. Nach einer Ewigkeit, so kommt es ihm vor, kann er wieder in die Pedale seines Fahrrads treten! Das Zuhause der Familie bietet nur einen kleinen Balkon, da waren Touren auf dem Gefährt nicht möglich. Stattdessen bastelte der Vater mit ihm Häuser aus Pappe. Und der große Bruder (17) lieh dem Kleinen die leichtesten Hanteln. Doch auch diese konnten den Spaß am Radfahren keineswegs ersetzen.


Liam (5) mit seinem Vater im Bahnhofspark. Foto: dk

So wie die genannten Kinder haben auf Mallorca und den Nachbarinseln erstmals nach sechs Wochen Ausgangssperre rund 174.000 junge Menschen unter 14 Jahren die Haustüren öffnen und auf die Straße treten dürfen. Die Vorgaben der Regierung sind streng. Der Freigang gilt für eine Stunde, einmal am Tag, und man kann sich nur in einem Radius von einem Kilometer fortbewegen.

Nach dem Notstand, der seit dem 15. März gilt, sind die jüngsten Kinder in ihren Häusern eingeschlossen geblieben, um die Ausbreitung des Coronavirus in den älteren Generationen, insbesondere bei den eigenen Großeltern, einzudämmen. Nach Angaben von Ärzten und Psychologen machen sich die Auswirkungen einer derart langen Isolation bereits bemerkbar. Vor allem bei Familien mit kleinen Wohnungen, ohne Terrassen und Balkons, samt einem Ausblick lediglich auf den Hinterhof oder inneren Lichtschacht.

Von diesem "Sonntag der Freiheit" an können Kinder nun von 9 bis 21 Uhr in Begleitung eines Erwachsenen, mit dem sie zusammenleben, Spaziergänge unternehmen. Das Maximum sind drei Kinder pro verantwortlichem Erwachsenen, bei dem es sich um Eltern, Erziehungsberechtigte, Verwandte oder sogar ältere Geschwister handeln darf.

Die Zentralregierung wies zudem darauf hin, dass Minderjährige zwischen 14 und 18 Jahren genau wie Erwachsene Besorgungen machen durften, sei es beim Hundespaziergang oder beim Einkaufen. Und von 2. Mai an besteht die Aussicht auf Individualsport im Freien.


Überall in Palma gilt: Ins Freie, aber mit Abstand. Foto: dk

Auf Anweisung der Regierung bleiben indes die Kinderspielplätze derzeit weiter geschlossen. Rutschen, Schaukeln und Wippen für die Kleinsten? Fehlanzeige! Zudem ist in Palma das Betreten von vielen Parks vorerst weiter untersagt. Erlaubt sind die Spaziergänge am Strand, in eigens offen gehaltenen Grünanlagen, Wäldern und auf Wiesen am Stadtrand – aber stets nur im Umfeld von 1000 Metern. Der Coronavirus, der unsichtbare Feind, zieht weiter seine Grenzen in den Alltag der Menschen.

Die spanische MM-Schwesterzeitung hat zum Lockerung der Aussgangssperre dieses Video veröffentlicht: