Die zweijährige Quica freut sich über ihre Geschenke. | Familienarchiv

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Für Quica Gual begann Weihnachten stets mit der Installation der Krippe, und bezieht sich auf eine Zeit vor fast 60 Jahren, als sie als kleines Mädchen auf Mallorca aufwuchs. „Wenn die Weihnachtsferien der Schule begannen, frühestens am Wochenende vor Heiligabend, gingen wir raus aufs Land oder in den Wald, suchten eine feuchte Stelle die mit viel Moos bewachsen war”, erklärt die heute 63-Jährige. Der Vater hatte ein Messer dabei, schnitt großflächige Platten aus und stapelte sie in einem Korb. Mit diesen Moosplatten wurde dann ein vorher mit einer Decke und einer Plastikfolie abgedeckter Tisch komplett belegt. Darauf errichtete die Familie die Krippe.

So eine traditionell mallorquinische Krippe besteht dabei nicht nur aus dem Stall mit der heiligen Familie, den drei heiligen Königen und vielleicht einem Esel und einem Ochsen – weit gefehlt. Oft wird eine ganze Landschaft nach gebaut, mit Hütten, Brücken, Flussläufen, Weide- und Ackerland. Damals wie heute kaufte man die Figuren und Gebäude bei den Buden auf der Plaça Major, jedes Jahr kamen neue Miniaturen hinzu.

Krippe als einzige Weihnachtsdekoration

„Den Stall, in dem Maria und Josef ihre Unterkunft fanden, hatten wir aus Naturkork gebaut, es sah eigentlich eher aus wie eine Höhle,” lacht Quica. Diese stand an einem Ende des Tisches, die Könige am anderen Ende. Aber mit jedem Tag, den der 6. Januar näher kam, rückten auch die Heiligen Drei Könige immer ein Stückchen weiter in Richtung Jesuskind vor.

Die Krippe war, abgesehen von roten Kerzen so ziemlich das einzige Dekorationselement in der Wohnung. „Zu kaufen gab es Weihnachtsschmuck kaum, wenn, dann musste man ihn selbst basteln”, sagt Gual, die heute noch jedes Jahr den gesamten Weihnachtsbaum nur mit Eigenkreationen schmückt. Ein echter Luxus waren die mit Helium gefüllten Luftballons, die ihre Mutter mit großem Aufwand bis zum Drei-Königs-Tag in der Wohnung versteckte.

Damals sei überhaupt alles viel weniger geschmückt gewesen, viel bescheidener. „Die Häuser wurden nicht mit Lichterketten oder blinkenden Sternen beleuchtet, natürlich kletterten auch keine Weihnachtsmänner aus Plastik und Stoff an den Fassaden hoch, es hing noch nicht einmal die Weihnachtsbeleuchtung in den Straßen, als ich ganz klein war”, erinnert sich die Palmesanerin.

Heiße Schokolade nach Mitternacht

Am Abend des 24. Dezember gab es kein größeres Fest. Das Wichtigste war die Messe um Mitternacht („Misa del Gallo”) in der Kathedrale von Palma mit dem Gesang der Sibil·la, zu der die gesamte Familie ging. Wieder zu Hause, wurden heiße Schokolade und selbst gemachte Coca de Anis (Gebäck mit Anis und Pinienkernen) oder Ensaïmada (spiralförmige Schmalzschnecke) verspeist.

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In anderen Familien gingen Jugendliche und junge Erwachsene nach der Messe noch aus und trafen sich mit Freunden auf eine Tasse „Chocolate con Churros (in Fett ausgebackenes Spritzgebäck)” in den Bars.

Der erste und zweite Weihnachtsfeiertag waren (und sind es heute noch) ganz der Familie gewidmet. Vor allem wurde hier viel gegessen und getrunken. „Am 25. sind wir erst zur Familie meines Vaters gegangen, am nächsten Tag dann zur Familie mütterlicherseits”, erklärt Quica. Dort trafen sich Onkel und Tanten, Nichten und Neffen, Cousinen und Cousins, Großeltern und Enkel. „Es gab reichlich und von allem, nur auf die Geschenke mussten wir noch warten”. Denn Präsente brachten nur die Reyes, wie in Spanien die drei Heiligen aus dem Morgenland genannt werden. Weihnachtsmann, Christkind oder auch der Nikolaus waren unbekannt. Genauso wie es keine Adventskalender mit süßen Leckereien oder kleineren Geschenken gab. Das erforderte von den Kindern während der gesamten Schulferien reichlich Geduld.

Das traditionelle Weihnachtsessen bestand aus „Lechona asada” (auf mallorquinisch: „Porcella rostida”), gegrilltes Spanferkel und der obligatorischen „Sopa de navidad”, Hühnerbrühe mit großen Schneckennudeln, gefüllt mit Hackfleisch. Am nächsten Tag gab es Escaldums, eine Art Schmortopf mit Geflügel, Mandeln und Äpfel sowie Fiambre, selbstgemachter Aufschnitt aus Geflügelhack mit hart gekochtem Ei.

Turrón durfte nicht fehlen

Zum Nachtisch kredenzte man Turrón, eine dem Nougat ähnliche Süßspeise aus Mandeln, Zucker und Ei. „Schon damals kauften meine Eltern vor allem die klassischen Sorten Turrón de Jijona oder Turrón de Alicante lieber in speziellen Konditoreien, weil das Selbermachen sehr aufwendig war.” Übrigens: Die Kinder durften während der Feiertage nicht in die Küche – zu viel Arbeit wartete auf die kochenden Familienmitglieder. Gemeinsames Plätzchenbacken wie in Deutschland kennen die Mallorquiner nicht.

So wie die Könige immer weiter an die Krippe heranrückten, so kam auch ihr Ankunftstag in Palma immer näher. „Am 5. Januar gingen wir zum Umzug der Könige.” Damals wie heute noch legten sie mit dem Schiff an der Alten Mole im Hafen von Palma an und zogen mit ihrem Gefolge und einigen Karren voller Geschenke an den vielen leuchtenden Kinderaugen vorbei durch die Straßen der Altstadt.

Nach dem Umzug wieder zu Hause wurde alles für die Ankunft der Könige vorbereitet. „Jeder von uns musste ein Paar Schuhe an die große Glasfront am Balkon stellen, damit die Heiligen aus dem Morgenland auch wussten, wie viele Mitglieder die Familie zählte, für wen und wohin sie die Gaben legen konnten.” Auch an die Pferde wurde gedacht: Sie bekamen eine Schüssel Wasser, Zuckerwürfel und Bohnen zur Stärkung hingestellt.

Für die Eltern war die Nacht vom 5. auf den 6. Januar immer sehr kurz. Vor Aufregung gingen die Kleinen sehr spät ins Bett, oft brauchten die Erwachsenen bis zwei Uhr nachts, um die verpackten Spielsachen aus ihren Verstecken zu holen und um die Schuhe zu drapieren. Da damals noch keine Weihnachtsbäume aufgestellt wurden, konnten darunter folglich auch keine Geschenke platziert werden. „Spätestens um sieben Uhr sprangen wir aus den Betten, um endlich die Geschenke auspacken zu können, auf die wir die ganzen Schulferien gewartet hatten. Ich erinnere mich noch ganz genau an eine Küche, die ich 1962 bekam. Sie war aus Metall und sah aus wie echt, nicht so wie die bunten Plas-tikversionen von heute”, sagt Quica.

Am nächsten Tag waren die Festlichkeiten schon vorbei und die Schule ging wieder los. Ein Grund warum in heutiger Zeit viele Eltern dazu übergegangen sind, bereits am 25. Dezember ein oder zwei Geschenke an den (meist künstlichen) Weihnachtsbaum zu legen, der inzwischen auch bei den Mallorquinern fester Bestandteil der Weihnachtsdekoration geworden ist.