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Mallorca Magazin: Was denken Sie, wie geht die Bundestagswahl aus?

Mark Wössner:Lange Zeit sah es nach einem Durchmarsch der Grünen aus, bis die Schwächephase ihrer Spitzenkandidatin Annalena Baerbock begann. Dann deutete sich ein Kantersieg des Unions-Kandidaten Laschet an, ehe seine Probleme anfingen. Jetzt scheint die SPD mit Scholz zu gewinnen. Spannend ist, ob sein Vorsprung bis Sonntag anhält.

MM: Armin Laschet scheint gerade etwas aufzuholen.

Wössner: Wenn sich diese leichte Trendwende bestätigt, kann es ein offenes Rennen werden. Ich fürchte allerdings, dass Laschet in einer Unglücksphase ist. Und Scholz hat einen Lauf. Es ist aber auch kein Unglück, wenn die SPD gewinnt. Beide Parteien müssten mit den Grünen und der FDP koalieren. Damit ist gute Politik in Deutschland gesichert.

MM: Es könnte auch noch einen anderen Koalitionspartner geben. Bei Rot-Grün wäre das etwa die Linke.

Wössner: Mit ihr wäre es keine gute Konstellation. Sie steht dafür, Vermögen sehr stark von oben nach unten zu verteilen. Es droht, dass Deutschland Investitionsvermögen verliert und sich Steuern für sogenannte Reiche extrem erhöhen. Das führt bei Mittelständlern zu Arbeitsplatzverlusten.

MM: Und wie sehen Sie die FDP als Koalitionspartner?

Wössner:Sie wäre eine gute Lösung, da sie wirtschaftsfreundlich denkt und Prosperität fördert. Wie FDP, Grüne und SPD ihr Programm in Einklang bringen sollen, ist mir allerdings unklar. Schwarz-Grün-Gelb wäre besser zu machen und im Sinne von Wirtschaftsaufschwung, Schuldenbewältigung, Zukunftssicherung die progressivste Konstellation. Aber das wird das Wahlergebnis aus meiner Sicht nicht hergeben.

MM: Vor welchen Herausforderungen steht Deutschland nach der Wahl?

Wössner:Wir müssen die Spätfolgen der Pandemie und die Folgen der Flutkatastrophe bewältigen. Wir müssen die Zukunft des Klimas bearbeiten, die Digitalisierung vorantreiben, Schulden abbauen. Und dann habe ich den Hauptpunkt, den Umbau der Energiewirtschaft, noch gar nicht angesprochen.

MM: Bitte.

Wössner: Die neue Regierung muss den Umbau von der kohle- und ölgestützten Wirtschaft auf eine wasserstoffgestützte schaffen. Das bekommt man nicht mit Verboten, sondern nur mit der Förderung von kreativen Ingenieuren und innovativem Unternehmertum hin. Das ist das Thema unserer Zeit und muss bei wachsendem Vermögen, ordentlichem sozialen Ausgleich, also der Kompensation von Arbeitsplatzverlusten, geschafft werden. Hier wären jetzt Visionäre und Politiker großer Fähigkeit gefragt. Die sehe ich bei keiner der Parteien.

MM: Der Wahlkampf drehte sich indes um andere Dinge. Um Nebensächlichkeiten aus Ihrer Sicht.

Wössner: Ja, um Kleinigkeiten, die mit den Zukunftsfragen nichts zu tun haben. Etwa ob Laschet gegrinst hat oder nicht. Ob Baerbock im Lebenslauf geschummelt hat oder nicht. Es tut mir sehr leid: Der Wahlkampf war ein schlechter. Scholz scheint sich durchgesetzt zu haben, aber eine Vision hat er nicht.


MM: Was geben Sie Angela Merkel zum Ende ihrer Kanzlerschaft mit auf den Weg.

Wössner: Sie verdient große Anerkennung für ihre persönlichen Eigenschaften: bescheiden, beständig und insistent zu sein. Bei Ausgleichsverhandlungen, ob mit Putin oder in Brüssel, war sie stets kommunikativ. Sie hat sich große Anerkennung im Ausland erarbeitet.

MM: Was hat Ihnen an ihrer Politik nicht gefallen?

Wössner: Sie hätte die Atomkraftwerke wegen des Unfalls in Japan nicht abschalten, sondern sicherer machen sollen. Und in dieser Zeit nicht die Kohle- und Ölwirtschaft fördern sollen. Auf diese Weise hätte man schon früher, den Ausstoß von Kohlenstoffdioxid reduzieren können. Da muss man nur nach Frankreich schauen, unsere Nachbarn machen es besser. Weitere Probleme waren die unkontrollierte Migration 2015 und dass nachhaltige Reformen ausgeblieben sind.

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MM: Kommen wir zu Mallorca. Sie haben seit 1990 ein Haus in Alcúdia. Wie be schreiben Sie das deutsch-mallorquinische Verhältnis?

Wössner:Ich freue mich, dass viele vermögende Deutsche auf die Insel kommen und dort Geld ausgeben. Es gibt auf Mallorca viele zufriedene und sich mit der Insel identifizierende Gäste, die sie als ihre zweite Heimat sehen. Ich zähle mich dazu.

MM: Was mögen Sie besonders an der Insel?

Wössner: Es ist die landschaftlich schönste Insel der Welt. Als ich vor 30 Jahren nach Mallorca kam, habe ich die mallorquinische Küche nicht sonderlich geschätzt. Die Gastrokultur hat sich aber verändert: Es gibt viele gute Weine und viele gute Lokale. Mallorca ist aber leider zurückhaltend bei dem Aufbau von Beachclubs. An vielen mediterranen Orten wie Sardinien, Ibiza und der Côte d’Azur gibt es sie. Ich habe das Gefühl, dass sie auf Mallorca nicht gewollt sind, was ich für einen Fehler halte.

MM: Was stört Sie an der Insel?

Wössner: Viele Menschen, die auf die Insel fliegen, beschleicht ein negatives Gefühl, dass sie in die Nähe des sogenannten Ballermanns reisen. Ich ärgere mich über den Touch, den die Insel deshalb hat. Man könnte diesen Strandabschnitt, der zu einem der schönsten der Insel gehört, umbauen. Das lässt sich marktwirtschaftlich regeln, indem man dort Luxushotels hinstellt. Damit würde man Prosperität und Image schaffen; Massentourismus bringt die Insel im ökonomischen Ergebnis nicht weiter.

MM: Sie spielen auf das Tourismusmodell an, das hiesige Politiker durchsetzen möchten. Mehr Qualität statt Quantität.

Wössner: Für den Anfangsauftrieb in den 70er-, 80er-Jahren mag der sogenannte Ballermann gut gewesen sein. Dass Mallorca darauf reduziert wird, dafür ist die Insel zu schön. Aber mir fehlt der Glaube, dass die mallorquinischen Institutionen die Kraft haben, das neue Tourismusmodell durchzusetzen. Ich hoffe, dass sie diesen Pandemie-Einschnitt nutzen, um etwas zu ändern.

MM: Kulturell hat Alcúdia im Inselnorden geholfen, dass die Bertelsmann-Stiftung 1990 die Bücherei Can Torró geschaffen hat. Sie waren damals nicht involviert, setzen sich nun aber für den Ort ein.

Wössner: Ein paar Bekannte und ich beteiligen uns an der während der Pandemie gegründeten Hilfsorganisation Hope Mallorca. Seit einem halben Jahr gibt es eine eigene Essenverteilstation in Alcúdia. Sie versorgt etwa 600 Leute die Woche und wir bezahlen das.

MM: Die deutsch-mallorquinische Freundschaft steht auch für ein zusammenwachsendes Europa. Auf welchem Weg sehen Sie die Union nach dem Brexit?

Wössner: Ich bin überzeugter Europäer. Besonders Deutschland muss den Austritt Großbritanniens aus der EU bedauern. Das Vereinigte Königreich war immer Teil der Gruppe der nördlichen Länder, die auf sparsames Wirtschaften setzen. Die Balance zwischen Blöcken ist dahin, die Entscheidungen fallen eher zugunsten der Südstaaten aus. Aber auch kulturell und touristisch fehlt Großbritannien.

MM: Inwiefern kann der deutsch-französische Motor allein die EU voranbringen? Müssten das nicht mehrere Staaten in Angriff nehmen?

Wössner: Italien mit seinem neuen Ministerpräsidenten Mario Draghi könnte zu dem Duo hinzutreten. Vielleicht auch Spanien. Ich glaube, dass die Europapolitik daran hängt, wie wir aus den Schulden herauskommen und wie wir mit der Flüchtlingskrise umgehen. Wenn das nur an mediterranen Randländern hängen bleibt, hat der Kontinent keine Zukunft. Dann wird sich Europa dahin quälen.

MM: Sprechen wir zum Schluss über die Medien in Deutschland. Ihr ehemaliger Arbeitgeber, die Bertelsmann AG, ist das größte Medien-Unternehmen Deutschlands und besitzt etwa den Fernsehsender RTL sowie den Verlag Gruner + Jahr. Wie bewerten sie den Transformationsprozess in die digitale Zukunft?

Wössner: Die großen Medienunternehmen in Deutschland sind auf einem gutem Weg, den Reformprozess zu schaffen. Ich habe Wetten mit Freunden, wie lange es Tages- und Wochenzeitungen als Massenliteratur noch geben wird. Unsere Schätzungen gehen weit auseinander. Ich bin ein Verfechter der Koexistenz: Ich glaube, dass Printmedien und ihre digitalen Ergänzungsangebote gut nebeneinander leben können.

MM: Gilt das auch für das Mallorca Magazin?

Wössner: Sie werden nach meinem Dafürhalten ein Dauerprivileg haben, Teil- und Vollresidenten mit Informationen und Unterhaltung zu versorgen. Ich würde, wenn ich Besitzer dieser Wochenzeitung wäre, relativ fröhlich in die Zukunft schauen.

Zur Person: Mark Wössner

Mark Wössner wurde in Berlin geboren und wuchs in Schwaben auf. Der heute 82-Jährige studierte Maschinenbau in Karlsruhe und promovierte in Stuttgart. 30 Jahre lang lebte er im ostwestfälischen Gütersloh, wo er von 1983 bis 1998 Vorstandsvorsitzender der Bertelsmann AG, dem größten Medien-Unternehmen Europas, war. Es hat heute 132.000 Mitarbeiter. Seit 20 Jahren lebt Wössner in München, wo er bis vor fünf Jahren Honorarprofessor an der Technischen Universität München war. Heute ist er Pensionär.