Inselratspräsidentin Catalia Cladera (3.v.l.) besuchte am vergangenen Freitag die Glasbläserei.

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Ein Traditionsunternehmen setzt auf Nachhaltigkeit. Der Clou und eine Win-win-Situation par excellence: Der über 300 Jahre alte Familienbetrieb Gordiola in Algaida nämlich recycelt ausgediente Flaschen aus mallorquinischen Hotels, Bars und Restaurants – und haucht ihnen im wahrsten Sinne des Wortes ein zweites Leben ein. Als mundgeblasene Lüster, Teller, Schalen, Vasen oder Gläser präsentieren sie sich wieder formschön in neuem Gewand. Wie Phönix aus der Asche sozusagen. Womit Vergangenheit und Innovation, mallorquinisches Lokalkolorit und Umweltschutz aufs Schönste zusammentreffen.

Umweltschutz und Historie gehen Hand in Hand

Denn das mit Zinnen bewehrte, trutzige Gebäude an der Landstraße Ma-15 von Palma nach Manacor ist eine Institution in Sachen Glasmacherkunst auf Mallorca. Dort werden die Glaswaren nach klassischer Manier von Hand gefertigt. Das Altmaterial hilft dabei, Rohstoffe zu sparen. Mehr noch: Durch die Verwendung von Recyclingglas wird weniger Energie im Herstellungsprozess benötigt. Auf diese Weise können klimaschädliche CO2-Emissionen reduziert werden. Der Grund: Altglas braucht zum Schmelzen geringere Temperaturen und damit weniger Energie als etwa Neuglas, das aus einem Mix von Primärrohstoffen wie etwa Quarzsand oder Kalk entsteht. „Wir verwenden bei uns zu zirka 80 Prozent Altglas”, sagt Gordiola-Direktorin Amanda Corral, „nur rund 20 Prozent machen unser eigenes Bruchglas und Neuglas aus Rohstoffen aus.” Wobei sie nicht im Geringsten daran denkt, die genaue Zusammensetzung der Gordiola-Neuglas-Rezeptur zu verraten. Betriebsgeheimnis sozusagen.

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Gleichwohl: Damit die Glasbläser ihr Werk vollbringen und aus der zähen, glühend-heißen Masse kunstvolle Kelche, Lüster und Figuren formen können, benötigen sie Öfen, die ordentlich einheizen. „Darin herrschen Temperaturen von 1200 Grad Celsius”, erläutert Corral. Angefeuert werden sie hauptsächlich mit vergleichsweise umweltfreundlichem Erdgas.

Die Kunst, Glas zu blasen

Wie kam die Glasbläserei nach Mallorca? Ein Vorfahre der Familie Gordiola war schon im 17. Jahrhundert ins italienische Murano gereist, berühmte Hochburg der Glaskunst in der Lagune von Venedig. Dort lernte er alles, was einst streng geheim gehalten worden war: von der richtigen Komposition der Rohstoffe über die Schmelztemperaturen bis hin zum Gestalten formschöner Gegenstände. Gewappnet mit diesem Know-how kehrte er nach Mallorca zurück – um seine eigene Glasbläserei zu errichten.

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Seit mittlerweile 1719 und über Generationen hinweg schufen und schaffen die Glasbläser mit der Luft ihrer Lungen und dem Geschick ihrer Hände das zerbrechliche Gut, das unter Vidrios Gordiola weit über die Grenzen Mallorcas bekannt ist.

Die spanische Regierung hatte bereits im Juli Gordiola sowie die Glasbläserei La Granja in Segovia wegen ihres jahrhundertealten Kunsthandwerks zu offiziellen Repräsentanten des immateriellen Kulturgutes der Glasbläserei ernannt. Neben Spanien haben auch Deutschland, Frankreich, Finnland oder Tschechien traditionelle Glasbläserbetriebe ihrer Länder in die nationale Liste des immateriellen Kulturgutes aufgenommen – mit dem Ziel, dass im nächsten Schritt die Anerkennung der Glasbläserkunst als Unesco-Welterbe der Menschheit erfolgen möge. Vergangene Woche besuchte Inselratspräsidentin Catalina Cladera den Stammsitz von Gordiola. Der Inselrat von Mallorca unterstützt damit die Petition des spanischen Kulturministeriums.

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Same, same, but different

Die Wandlampen, Teller, Platten, Gläser, Krüge, Schüsseln, Vasen von Gordiola kommen in unterschiedlichen Farben von transparent über grün, blau, türkis bis hin zu ocker, rot und violett daher. Und zeigen ein unterschiedliches Dekor: mal glatt und schlicht, mal verschnörkelt mit Mustern und Verzierungen, die zum Beispiel spiralförmig, wellenartig oder tropfenförmig sind. Der Zauber der Glaswaren liegt darin, dass jedes Stück ein Unikat ist. Denn mögen auch Farbe und Dekor gleich scheinen, so ist doch jedes Teil handgemacht und unterscheidet sich dadurch von den anderen – und sei es nur durch ein winziges Detail.

Die Glasmanufaktur Gordiola zählt zu den ältesten kunsthandwerklichen Betrieben der Balearen, ist Teil der Geschichte und Kultur der Insel – und zeigt, dass man mit über 300 Jahren noch ganz schön jung sein kann.

Kein Wunder, dass sich Hotels wie die Fünf-Sterne-Häuser Castillo Hotel Son Vida oder Valparaíso in Palma gern mit den Produkten schmücken. Auch im Restaurant des Real Club Naútico Palma sind sie zu finden oder in der Rambar an Palmas Ramblas, wo bernsteinfarbene Deckenlampen als imposante Hingucker hängen. Versteht sich, dass bei der Fertigung auch individuelle Wünsche berücksichtigt werden können. Übrigens haben auch schon „Promis” wie die spanische Königsfamilie oder Michelle Obama an Mallorcas Glaskunst Gefallen gefunden.

Wer Lust hat, die Glasbläserei zu besichtigen und den derzeit sieben Glasbläsern über die Schulter zu schauen, ist von Montag bis Freitag 9.30 bis 13.30 Uhr willkommen. Nur zwischendurch gönnen sich die „Vidrieros” bei ihrer schweißtreibenden Arbeit ein halbes Stündchen Pause und nehmen sich eine Auszeit von den höllisch hohen Temperaturen … Schließlich sind sie an einem der heißesten Arbeitsplätze der Balearen tätig! (lk)