Am 27. November 2006 stürmte die Polizei das Rathaus von Andratx. Die Beamten durchsuchten sogar die Papiercontainer, weil in den Tagen zuvor Akten geschreddert worden waren.

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Als die Polizei am Vormittag des 27. November des Jahres 2006 das Rathaus von Andratx abriegelte, kistenweise Dokumente beschlagnahmte, den damaligen PP-Bürgermeister Eugenio Hidalgo verhaftete und in Handschellen abführte, da wunderten sich viele Mallorquiner nicht schlecht. Zwar war es ein offenes Geheimnis, dass man es in dem vor allem bei Deutschen beliebten Küstenort nicht allzu genau nahm mit den Bauvorschriften, dass die Ermittlungsbehörden nun allerdings tatsächlich ernst machten, das überraschte dann doch die allermeisten. Bislang nämlich war auf Mallorca im Zweifelsfall stets weggesehen worden und Ermittlungen verliefen im Sande oder so schleppend, dass mögliche Straftaten längst verjährt waren, wenn es schließlich vor Gericht ging. Die Übeltäter kamen ungestraft davon. Dass dies nun erstmals anders war, macht den „Fall Andratx” zu einem der wichtigsten Polit-Skandale der jüngeren mallorquinischen Geschichte, der auch international für Schlagzeilen sorgte.

Anzeigen des Inselrates und der Umweltschutzorganisation GOB (Grup Balear d’Ornitología i Defensa de la Naturalesa) hatten die Ermittlungen gegen den Bürgermeister und weitere Politiker sowie Verwaltungsangestellte damals ins Rollen gebracht. Am Ende deckte die Polizei ein umfassendes System von Bestechung, Urkundenfälschung und Verstößen gegen die Bauvorschriften auf, das selbst auf Mallorca in seinem Ausmaß einzigartig gewesen sein dürfte. In Andratx war vor allem in den küstennahen Zonen in den Jahren zuvor extrem viel gebaut worden. Für die Gemeinde bedeutete das erhebliche Steuereinnahmen. Bürgermeister Hidalgo saß später eine mehrjährige Haftstrafe ab.

Er war damit der erste einer ganzen Reihe von Politikern auf Mallorca, die es mit der Legalität nicht allzu genau genommen hatten und sich dafür vor Gericht verantworten mussten. Der „Fall Andratx” war lediglich der Auftakt einer ganzen Serie von Skandalen rund um die konservativen Parteien Partido Popular und Unió Mallorquina, die über Jahre hinweg immer weitere Kreise zogen und unzählige Politiker für Jahre hinter Gitter brachten – die Mutter aller Skandale sozusagen.

Für die Gemeinde Andratx hatte der Skandal weitreichende Folgen. In dem Bemühen, es nun besonders gutzumachen, wurden jahrelang praktisch überhaupt keine Baulizenzen mehr vergeben. Zahlreiche Firmen machten Pleite, Dutzende Arbeitsplätze gingen verloren. Mittlerweile hat sich die Lage wieder etwas normalisiert, auch wenn die Überarbeitung der lokalen Bauvorschriften, die Rechtsverstöße wie einst unter Hidalgo verhindern sollen, bis heute noch nicht beendet ist.