Stadtverkehr in Palma in den 30er-Jahren. | Archiv Ultima Hora

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Als Antonio Batle Manresa in den späten 40er-Jahren als Dreikäsehoch immer mal wieder im Zug vom heimatlichen Santa Maria del Camí nach Palma fuhr, standen an der Plaça d’Espanya noch Pferdefuhrwerke, die Passagiere beförderten. Diesen Zustand schildert der inzwischen 86-jährige Ex-Bus-unternehmer, der Zeit seines Lebens Verkehrs- und Autonarr war, in einem neuen Buch. In dem Werk „El Transporte de Viajeros en las Baleares” ( Edicions Documenta Balear ) wird erklärt, wie es in den Anfangszeiten der Motorisierung bei der Passagierbeförderung auf den Inseln zuging.

Man reibt sich die Augen: Während diese Entwicklung in industrialisierten Staaten wie Deutschland früher begann und rasanter vonstattenging, nahm die Motorisierung Mallorcas fast eine kleine Ewigkeit in Anspruch. Erst 1897, elf Jahre nach der Erfindung des Automobils durch Carl Benz, gelangten die ersten beiden Autos auf die Insel. „Eines steht noch immer in einem Schuppen in Establiments bei Palma”, so der Autor, der auch Oldtimer der Marke Delahaye sammelt, zu MM.

Bis erste Busse auf den Markt kamen, vergingen noch sehr viele Jahre. Währenddessen verkehrten zwischen den Orten der Insel auf den wenigen staubigen Straßen („in den 40ern kam der erste Asphalt”, so der Autor) weiterhin Pferdekutschen unterschiedlicher Klassen. In edler eingerichteten „Omnibus”-Kutschen fuhren nur Reiche, in den sogenannten „Diligencias”, ausgesprochen schmuddeligen Gefährten, waren die wenigen Normalverbraucher unterwegs, die sich überhaupt zwischen den Dörfern bewegten. Von der Strecke Palma-Sóller ist verbürgt, dass diejenigen, die weniger bezahlen konnten oder wollten, den Pass mit den Dutzenden Kurven zwischen den beiden Orten zu Fuß neben der Kutsche überqueren mussten.

Immerhin wurde laut einem Bericht in der schon damals existierenden Zeitung „Ultima Hora” bereits 1899, zwei Jahre nach der Ankunft der ersten beiden Autos, darüber diskutiert, eine Linienverbindung mit der neuen Erfindung zwischen der Inselhauptstadt und dem Orangendorf einzurichten. In Wirklichkeit kam diese aber erst viele Jahre später zustande. Als historisch geradezu bedeutsam gilt eine Fahrt mehrerer Autos mit zahlreichen Gästen von Palma zum Miramar-Kloster, wo diese vom legendären Erzherzog Ludwig Salvator fürstlich bewirtet wurden. Geschichtlich von Belang ist auch ein Autorennen im Jahr 1917 zwischen Palma und Artà. Es gewann ein Pkw der Marke Lorraine-Dietrich.

Schon längere Zeit vor der Ankunft des Autos auf Mallorca war das Eisenbahnnetz ausgebaut worden. Was nicht verwundert: Dieses Verkehrsmittel war bekanntlich viel früher als das Auto erfunden worden. Schon 1875 verkehrten Züge zwischen Palma und Inca, ab 1879 fuhren Dampfloks von Sineu nach Manacor und zurück. Und 1897 wurde eine funktionierende Zugverbindung zwischen Santa Maria del Camí und Felanitx eingeweiht. Die Tunnelstrecke von Palma nach Sóller, die heute noch mit historischen Waggons befahren wird, galt im Eröffnungsjahr 1912 als das Non-Plus-Ultra totaler Modernität auf Mallorca. Ab den 20er-Jahren folgten Straßenbahnen, eine der ersten Linien verkehrte zwischen Palma und der Gegend, die heute als „Ballermann” bekannt ist.

Auf den Straßen fuhren ab Anfang der 20er-Jahre, als das Schienennetz bestens ausgebaut war, erste Auto-Linien für zahlende Passagiere, etwa zwischen Inca und dem Kloster Lluc. Später kamen Busse hinzu, die Marken Hispano Suiza, Lancia und Ford waren damals äußerst populär. Die Vorfahren des Buchautors Batle Manresa stiegen als erste in das neue Geschäft ein.

Die wenigen Automobile zogen auf der Insel damals neidische Blicke auf sich. Nur ausgesprochen reiche Menschen konnten sich so etwas leisten, auch Fahrten in öffentlichen Verkehrsmitteln gingen richtig ins Geld. Die Armen bewegten sich denn auch wie überall in der Welt kaum vom Fleck.

Oder sie taten es irgendwann im schon fortgeschritteneren 20. Jahrhundert auf Fahrrädern, denen der Autor ebenfalls ein Kapitel widmet. Das erste seiner Art gelangte 1869 auf die Insel. Lange Jahre waren aber auch diese simplen Verkehrsmittel dünn gesät. So dünn, dass sich Anekdoten aus jener Zeit bis heute gehalten haben – etwa die von der Urgroßmutter des Autors, der ihr Sohn im Jahr 1887 aufgeregt zurief, im Dorf Felanitx ein Fahrrad, das schneller als Kutschen gewesen sei, zu Gesicht bekommen zu haben. Die Frau kanzelte dies als völlig verrückt ab und befahl dem Zögling, sie nicht weiter mit Dummheiten zu belästigen. Wie doch die Zeit vergeht!